Lonnie R. Johnson: Central Europe. Enemies, Neighbors, Friends, Oxford: Oxford University Press 2010, XIII + 382 S., 25 ill., ISBN 978-0-19-538664-6, GBP 37,50
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Lonnie R. Johnson legt sein Buch nach 1996 und 2001 nunmehr in dritter Auflage vor. Ergänzungen und Erweiterungen gab es vor allem im letzten Teil, wo er die Darstellung der Ereignisse nach 1989 modifiziert und bis an die Gegenwart heranführt. Um es gleich zu sagen: Dies ist kein Buch, das sich gezielt mit dem Begriff "Mitteleuropa" theoretisch-forschungsgeschichtlich auseinandersetzt und neue Positionsbestimmungen vornehmen will. So sucht man auch vergebens nach einem Hinweis auf Oscar Halecki oder substanzielle Erklärungen Mitteleuropas aus einem strukturellen Nachweis Ostmitteleuropas heraus. In guter angloamerikanischer Tradition hat Johnson im besten Sinne des Wortes ein historisches Lesebuch zu Mitteleuropa vorgelegt, das wissenschaftlichen Ansprüchen ohne Zweifel genügt. Der Apparat ist übersichtlich gestaltet und ein ausführliches Register erleichtert die Arbeit mit dem Buch.
Der Autor sieht Mitteleuropa in der Perspektive der heutigen Staaten Deutschland, Polen, Tschechien, Slowakei, Österreich, Ungarn, Slowenien und Kroatien. Grenzbereiche sind die baltischen Staaten, Westweißrussland, die Westukraine, Transsylvanien, Teile von Serbien und Bosnien-Herzegowina. Alle diese Grenzbereiche werden in bestimmten historischen Abschnitten berücksichtigt, sind aber für den historischen Großraum letztlich nicht konstitutiv. Auch lehnt der Autor die in der historischen Wissenschaft etablierte Teilung in Ostmitteleuropa und nolens volens Westmitteleuropa prinzipiell ab, woraus er eine weitere Bestätigung eines "Mitteleuropa" ableitet. Dabei räumt er ein, dass eine machtpolitische Grundordnung des Buches kleineren ethnischen Einheiten oder Ländern nur wenig Raum gibt. In den Mittelpunkt stellt er, wie der Untertitel vermuten lässt, eine Geschichte der Konflikte, des Zusammenlebens und der Zusammenarbeit. Machtpolitisch prägende Ereignisse sind somit bestimmend für den Charakter der Abschnitte des Buches. Johnson weist ihnen ideengeschichtliche, strukturbestimmende und phänomenologische Ordnungsprinzipien wie Kirche und Religion, Feudalismus, Absolutismus, Nationalismus, Kriege und Einflusssphären zu. In seiner chronologischen Abhandlung vom Ende des Römischen Reiches bis in das 21. Jahrhundert nimmt er diese Ordnungsprinzipien einerseits als Grundlage für eine vergleichende Darstellung gegenüber Ost- und Westeuropa, andererseits geht es ihm jedoch ebenso um eine Herleitung und Begründung nationaler Eigenheiten mitteleuropäischer Staaten, womit eine Dauerhaftigkeit Mitteleuropas belegt werden soll.
Im Einführungskapitel "Wo ist Mitteleuropa?" stützt er sich vor allem auf Jenö Szücs und Piotr S. Wandycz und benennt Kriterien für Mitteleuropa: Dies sind neben der lateinischen Christianisierung die durch mittelalterliche Großreiche - wie das Heilige Römische Reich deutscher Nation, das Polnisch-Litauische Großreich und das Ungarische Königreich - abgesteckten Grenzen. Damit charakterisiert Johnson das dynamische Prinzip Mitteleuropas mit den sich ständig verändernden Grenzen. Ein weiteres Merkmal Mitteleuropas ist seine ausgeprägte Multiethnizität ("patchwork", 4). Eine ganz wesentliche Rolle misst Johnson Mitteleuropa in der Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich und dem Islam als "antemurale christianitatis" bei. Schließlich sind es die strukturellen Besonderheiten in der Moderne, die eine Mittelstellung nicht nur territorial bezeichnen, sondern auch qualitativ im Sinne eines "besser als der Osten und schlechter als der Westen" benennen.
Wenn der Autor auch bemüht ist, durch diese Kriterien eine relative Eindeutigkeit des Begriffs "Mitteleuropa" zu schaffen, so macht er doch nachhaltig auf dessen Unstetigkeit aufmerksam und verbindet diese mit der Selbstsicht der Nationen und ihrer Interpretation von Mitteleuropa. So besteht auch ein wesentliches Anliegen des Buches in der Berücksichtigung der einzelnen Nationalgeschichten im Sinne eines Mitteleuropas als deren Summe. Und hier sind es eben Polen-Litauen, Böhmen und Ungarn, die ihn vor allem interessieren. Diese seien "big players" (5), die mit "ihren" Zäsuren zwar die Weltgeschichte bestimmten, außerhalb Mitteleuropas jedoch als angeblich nationale Zäsuren kaum wahrgenommen würden. Deutschland zählt für den Autor nicht zwangsläufig zu Mitteleuropa, weil es auf den gesamten historischen Verlauf bezogen eher als westliche Entsprechung des Russischen Reiches gelten könne, gerade auch in seiner Auseinandersetzung mit Österreich-Ungarn. Mitteleuropa kann also auch als "Zwischeneuropa" in Konfrontation zu russischem Zaren und deutschem Kaiser verstanden werden. Diese Position erfuhr durch die Ostblockbildung nach dem Zweiten Weltkrieg eine Verhärtung.
Mitteleuropa sei kein klares Konzept (11); weder in der Geschichte noch in der Gegenwart. Der Autor belegt das vor allem mit den diffusen Vorstellungen des Westens von Mitteleuropa, aber auch mit seiner Auflösung durch die Westintegration, der er im abschließenden Kapitel recht breiten Raum widmet.
Ralph Schattkowsky