Daniel Hornuff: Bildwissenschaft im Widerstreit. Belting, Boehm, Bredekamp, Burda, München: Wilhelm Fink 2012, 130 S., ISBN 978-3-7705-5236-8, EUR 19,90
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Wer Polemik und die sich mit verbindende Einsichtskraft mag und wer sich zudem über den Stand der bildwissenschaftlichen Diskussion vor allem im deutschsprachigen Raum informieren will, der wird mit Gewinn "Bildwissenschaft im Widerstreit. Belting, Boehm, Bredekamp, Burda" von Daniel Hornuff zur Hand nehmen. Die vier bildwissenschaftlichen Autoren, um die es Hornuff vor allem geht, nennt bereits der Untertitel. Der Autor ist aber sichtlich bemüht, seine Kritik möglichst breit zu streuen, also viele Positionen miteinzubeziehen. Der an vielen Stellen in der Tat polemische, aber auch eindringliche Ton lässt das Buch wie ein Manifest wirken, vielleicht besser, wie einen Weckruf, da der Autor das Projekt einer Bildwissenschaft mehr als gefährdet sieht, dem Scheitern nahe.
Die Gründe, die die Kritik von Hornuff befeuern, sind zum einen ein Zuviel an bildwissenschaftlicher Theoriebildung und dem sich mit ihr verbindenden Allgemeinheitsanspruch. Zum anderen hat sich in den Augen des Autors eine Irrationalität in die Bildwissenschaft eingeschlichen, die aus einem alten neuen Glauben an die Macht der Bilder entspringt, d.h. für ihn animistische Züge angenommen hat. In den Worten Hornuffs: "Indem sich das Buch sowohl vom bildwissenschaftlichen Essentialismus als auch von der Frage nach disziplinären Universalformen abwendet, richtet es sich gegen Bestrebungen, zur Schaffung einer allgemeingültigen Bildwissenschaft." (14f.)
Eine Alternative sieht Hornuff darin "den Pluralismus der Ansätze nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern weiterhin zu fördern" (16). Gegenmittel zu Essentialismus und Universalismus sind für ihn zum einen, die Theorie mit einer auf Kontexte bezogenen bildwissenschaftlichen Arbeit zu verbinden, zum anderen den Allgemeinheitsanspruch in die Fruchtbarkeit von Differenzen zu überführen und vor allem die Vorstellung einer Beseeltheit von Bildern nicht zu essentialisieren, sondern zu historisieren.
Zugleich sind damit die Koordinaten genannt, die das Buch von Hornuff in der Abfolge organisieren und inhaltlich in Kritik und Zusprache strukturieren. Nach einem einleitenden Problemaufriss folgt in vier Kapiteln die Vorstellung der bildwissenschaftlichen Positionen von Horst Bredekamp ("Kampf dem Anikoniker!"), Hans Belting ("Die 'differentia specifica' des Menschen"), Gottfried Boehm ("Ikonischer Kontrast") und Hubert Burda ("Plädoyer für den Rahmen"). Zwischen die Darlegungen zu Boehm und Burda ist ein Kapitel "Traditionslinie" eingeschoben, das instruktiv die Verankerung des Boehmschen Bilddenkens u.a. bei Konrad Fiedler und Hans-Georg Gadamer aufzeigt und aus dieser Herkunft das Spezifische der Position Boehms verdeutlichen kann.
Nach diesen Einzeldarlegungen setzt Hornuff die genannten Positionen im Kapitel "Widerstreit" in ein produktives Gespräch. Ihm folgt in der "Positionsvielfalt" eine Weitung des Blickes auf jüngere Ansätze der Bilddiskussion. Insbesondere nennt Hornuff hier die "Bildwirtschaft" von Matthias Bruhn, das Konzept der "hyperimages" von David Ganz und Felix Thürlemann sowie Peter Geimers "Bilder aus Versehen". In allen drei Positionen erkennt er Beispiele gelungener bildwissenschaftlicher Arbeit, da sie sich durch eine hohe "Kontextsensibilität" (105) auszeichnen. [1]
Das nächste Kapitel widmet sich unter dem Titel der "Angriff der Bilder" William J.T. Mitchell. In ihm hat für Hornuff "der bildwissenschaftliche Animismus seinen Tempelpriester gefunden" (112). Die mit Amüsement zu lesenden Ausführungen zu Mitchell führen zu einer berechtigten Kritik: "Mitchells Vision vom Leben der Bilder wäre kaum der Rede wert, stünde sie nicht paradigmatisch für eine sich in den letzten Jahren massiv ausweitende Bewegung, die sich auf die Verfassung bildtheologischer Glaubenstraktate spezialisiert hat. Das problematische an der animistischen Bilderverehrung ist nicht in erster Linie ihr intellektueller Zuschnitt, sondern dessen völlig unbegreifliche wissenschaftspraktische Beliebtheit, ihr akademisches Geläufigwerden. Selbst unter höchst profilierten Kunsthistorikern und Bildwissenschaftlern scheint es neuerdings zum Modesport geworden zu sein, das Alterswerk poetisch zu umranken - und einen Kult des Okkultismus zu frönen, der in mitunter krassem Gegensatz zum bisher Geleisteten steht. [...] Und so heißt es mittlerweile auch bei Horst Bredekamp: 'Das Bild spricht, und indem es sich äußert, fordert es vom Ankömmling eine Reaktion'. In dieser Setzung implodiert die Meisterschaft, mit der Bredekamp bisher kunsthistorisch basierte Kontextforschung wie kein zweiter zu praktizieren verstand." (119) [2]
Die Kritik an Bredekamp überführt Hornuff im letzten Kapitel seines Buches in die Darlegung seiner Optionen: keine universalistische "Supertheorie", kein animistisch vitalisiertes "Superbild" (125), sondern eine bildwissenschaftliche Arbeit in und aus Kontexten. Dabei bleibt allerdings eine Konzeptualisierung des Kontextmodells offen, das ja, je nach methodologischer Option, hoch unterschiedliche Referenzsysteme (Ideen- und / oder Sozialgeschichte, Diskursformationen, dichte Beschreibungen etc.) kennt.
Gelungen an Hornuffs Buch ist, wie er in den Kapiteln zu den einzelnen bildwissenschaftlichen Ansätzen aus seiner Sicht nicht nur Stärken und Schwächen der Theorienbildungen darlegt, sondern ebenso Grenzen und Möglichkeiten der Theorien benennt. Ebenso gibt er an, wo es sinnvoll weitergehen kann, wo modifiziert werden sollte, wo aber auch die Gefahren liegen, wo es Tendenzen gibt, die, wenn nicht zur Selbstauflösung der Bildwissenschaft, so doch aber zu ihrer Selbstschwächung führen.
Zu den produktivsten Einlassungen des Buches gehört in meinen Augen das titelmitgebende Kapitel "Widerstreit", da Hornuff in ihm ein zukunftsträchtiges Programm für die gesamte bildwissenschaftliche Arbeit zumindest andeutet: Nämlich, dass die Bedingungen des Kontextes, wie er sie das bildwissenschaftliche Arbeiten bei Bredekamp, Belting und Burda leitend sieht, mit der Logik der Darstellung, der Leitinstanz für Boehm, in eine Beziehung zu setzen sind - dieses ist in der Tat ein wegweisendes Konzept für alle zukünftigen Ansätze zu einer plural aufgestellten Bildwissenschaft. Ob dabei die Verbindung zwischen Kontext und Darstellung tatsächlich über die Rezeptionsästhetik laufen sollte, wie Hornuff dieses vorschlägt, ist intensiv zu diskutieren. Ebenso wäre das Gespräch darüber zu suchen, ob der Kontext (und welcher) der Ausgangspunkt einer bildwissenschaftlichen Arbeit ist oder ob sich Kontext und Darstellung nicht eher dialogisch zueinander verhalten und sich auf diese Weise auch explizieren lassen. Denn zu schnell findet man, allen Erfahrungen nach, in Modus und Inhalt der Darstellung genau das wieder, was der Kontext besagt. Denn die Bildwissenschaften würden auch dadurch gestärkt, dass die Bilder nicht immer erst als Zweitmeinung zur Geltung kommen.
Anmerkungen:
[1] Matthias Bruhn: Bildwirtschaft. Verwaltung und Verwertung der Sichtbarkeit, Weimar 2003. David Ganz / Felix Thürlemann: Zur Einführung. Singular und Plural der Bilder, in: Das Bild im Plural. Mehrteilige Bildformen zwischen Mittelalter und Gegenwart, hg. v. dens., Berlin 2010, 7-38. Peter Geimer: Bilder aus Versehen. Eine Geschichte fotografischer Erscheinungen, Hamburg 2010.
[2] Gemeint ist von William John Thomas Mitchell: Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur, München 2008. Zitiert ist Horst Bredekamp: Theorie des Bildakts, Berlin 2010, 17.
Claus Volkenandt