Sinclair Bell / Teresa Ramsby (eds.): Free at last! The Impact of Freed Slaves on the Roman Empire, London: Bristol Classical Press 2012, XII + 212 S., diverse s/w-Abb., ISBN 978-1-8539-9751-8, GBP 50,00
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Elisabeth Herrmann-Otto: Sklaverei und Freilassung in der griechisch-römischen Welt, Hildesheim: Olms 2009
Sara Forsdyke: Slaves Tell Tales. And Other Episodes in the Politics of Popular Culture in Ancient Greece, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2012
Kyle Harper: Slavery in the late Roman World, AD 275-425, Cambridge: Cambridge University Press 2011
Monika Trümper: Graeco-Roman Slave Markets. Fact or Fiction?, Oxford: Oxbow Books 2009
Sandra R. Joshel: Slavery in the Roman World, Cambridge: Cambridge University Press 2010
Jede Beschäftigung mit römischen Freigelassenen leidet unter dem methodischen Problem, dass die meisten literarischen Zeugnisse lediglich das verzerrte Bild der zeitgenössischen Eliten reflektieren. Der vorliegende Band versucht in insgesamt acht Beiträgen, dieses Bild zu korrigieren und den Einfluss, den die römischen Freigelassenen auf die republikanische und kaiserzeitliche Gesellschaft ausübten, aus der Perspektive der Freigelassenen nachzuzeichnen.
Einen wichtigen Teil des Bandes nimmt dabei die Analyse der archäologischen und inschriftlichen Zeugnisse für die Selbstrepräsentation der Freigelassenen im Grabkontext ein: So liefert Barbara E. Borg mit "The Face of the Social Climber: Roman Freedmen and Elite Ideology" (25-49) eine Übersetzung ihres 2000 erschienen Beitrags zu Freigelassenen-Porträts in Grabreliefs - erweitert um einen aktualisierenden Epilog. [1] Sie betrachtet die Reliefs als Informationsträger und Medien der Selbstrepräsentation, die nicht bloß die neu erworbene Freiheit inszenieren sollten, sondern sich gleichzeitig an den moralischen Werten und Normen der Elite orientierten.
Carlos R. Galvao-Sobrinho untersucht in "Feasting the Dead Together: Household Burials and the Social Strategies of Slaves and Freed Persons in the Early Principate" (130-176) die gemeinschaftlichen Gräber von Freigelassenen und Sklaven einzelner aristokratischer Familien - schwerpunktmäßig columbaria - in Rom. Da Galvao-Sobrinho diese Grabbauten als soziale Interaktionsräume begreift, in denen sich die Identität der immer wieder zusammenkommenden Gruppen neu konstruiert, kann er Fragen nach dem Aufkommen und dem Verschwinden des Phänomens für die Selbstdefinition der begrabenden und begrabenen Gruppen fruchtbar machen. Die Begräbnispraxis ist so Ausdruck eines "new pattern of servile sociability, centred on the familia and revolving primarily around the members of the household". Veränderungen in der Begräbnispraxis geben Aufschluss über sich verändernder soziale Strategien, die auf die neuen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des frühen Prinzipats reagierten: Die durch die augusteischen Sozialgesetze gesteigerte Abhängigkeit der Freigelassenen und Sklaven von ihren Patronen und Herren fand einen Reflex in den columbaria, die den beteiligten Gruppen in einem neuen Maße die Möglichkeit boten ihre gemeinsame Identität als Mitglieder einer familia zu erleben und zu zelebrieren.
Teresa Rambsy unterzieht in " 'Reading' the Freed Slave in the Cena Trimalchionis" (66-87) die Darstellung der Freigelassenen in Petrons Satyrica einer erneuten Untersuchung. Aller karikaturesken Darstellung zum Trotz, sieht sie in der Biographie der auftretenden Freigelassenen deutliche Hinweise auf die Wahrnehmung der Aufstiegsmöglichkeiten dieser Gruppe. Die Freigelassenen erscheinen als Agenten einer sich verändernden sozialen Wirklichkeit, indem sie Zeugnis davon geben, dass auch ohne aristokratische Familienbande ein erstaunlicher sozialer Aufstieg möglich ist.
Ausgehend von der Beobachtung, dass in unseren Quellen Freigelassene und nicht Sklaven als Fachkräfte eine dominante Position im Wirtschaftsleben des republikanischen und frühkaiserzeitlichen Italiens beanspruchen konnten, wirft Konraad Verboven in seinem Beitrag "The Freedman Economy of Roman Italy" (88-109) einen umfassenden Blick auf die Parameter, die zu einer solchen Entwicklung führen. Die hohe Zahl an Freilassungen führte notwendigerweise zu einer hohen Zahl an Freigelassenen (Verboven schätzt, dass die Freigelassenen mindestens 15% der Gesamtbevölkerung in den italischen Städten ausmachten). Im Gegensatz zu Sklaven, waren Freigelassene gut ausgebildet, rechtlich geschäftsfähig und standen nach wie vor in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem ehemaligen Herrn, was sie dazu prädestinierte wichtige Positionen in der Produktion und im Handel einzunehmen. Verboven vermutet, dass Sklaven mit Blick auf solche späteren Beschäftigungen ausgebildet wurden. Die Freigelassenen konnten dieses Verhältnis und ihre Ausbildung nutzen, um Kapital und Prestige zu erlangen.
Pauline Ripat widmet sich in "Locating the Grapevine in the Late Republic: Freedmen and Communication" (50-65) am Fallbeispiel von Kandidatur und Wahl in der späten Republik der Rolle von Freigelassenen als Übermittler von Informationen in Rom. Sie untersucht dabei den Stellenwert von Freigelassenen und ihren Informationen in einer Phase persönlicher Verletzlichkeit auf Seiten des Patrons. Die Kandidaten waren in erheblichem Maße auf Informationen über die öffentliche Meinung in Rom angewiesen, um Schritte in die Wege zu leiten, diese Meinung zu beeinflussen. Garanten für diese Informationen waren Netzwerke, die sie jenseits der eigenen sozialen Schicht etablieren konnten und die auch aus Freigelassenen bestanden (dass diese Netzwerke auch jenseits der eigenen familia 'schichtübergreifend' geknüpft wurden, illustriert Ripat an den wenig glücklichen Beispielen Caesar und Pompeius). Über den Inhalt der Informationen geben unsere Quellen keine Auskunft, wohl aber über den Umstand, dass auch bewusste Fehlinformationen keine Seltenheit waren. Dementsprechend schließt Ripat ihre Analyse mit den Worten "a sound and faithful connection was prized not only for its usefulness, but perhaps also because of its rarity".
In dem Beitrag "Deciphering Freedwomen in the Roman Empire" (110-129) behandelt Marc Kleijwegt Problemen, die sich an weibliche Freigelassene und ihre soziale Stellung (der Schwerpunkt liegt auf dem Eheverhältnis) knüpfen. Indem er Parallelen zu Sklavereiphänomenen der Neuzeit zieht und vor diesem Hintergrund juristische Regelungen neu untersucht, kann er den bisweilen aufkommenden Eindruck von erfolgreichen Sklavinnen, die ihren ehemaligen Herren heiraten, vorsichtiger gewichten.
Michele Valerie Ronnick öffnet mit ihrem Beitrag " 'Saintly Souls': White Teachers' Advocacy and Instruction of Greek and Latin to African American Freedmen" (177-195) den Rahmen des Bandes. Mithilfe eines knappen Surveys von Bildungseinrichtungen, die sich (auch) der Weiterbildung der afroamerikanischen Bevölkerung verschrieben hatten (Oberlin College sowie die Atlanta, Fisk und Lincoln University), sowie des dort tätigen Lehrpersonals, würdigt sie den Beitrag, den diese Lehrer bei der Bekämpfung von Rassismus und Sklaverei in den USA leisteten. Ein "Response Essay: What has Pliny to Say?" von Eleanor Winsor Leach, in dem Methodik und These der einzelnen Beiträge vergleichend betrachtet werden, sowie ein knapper Index runden den Band ab.
Insgesamt bietet der Band einen willkommenen Einblick in verschiedene methodische Ansätze, die Rolle der Freigelassenen im Römischen Reich in ein neues Licht zu setzen. Die große Stärke der einzelnen Beiträge liegt in einem bewusst interdisziplinären Ansatz, der neben den Beiträgen der altertumswissenschaftlichen Disziplinen auch Ergebnisse zur Sklaverei in anderen Epochen gewinnbringend verarbeitet. Anders als der Untertitel "The Impact of Freed Slaves on the Roman Empire" andeutet, konzentriert sich der Sammelband v. a. auf die Freigelassenen in Rom und den italischen Städten. Eine stärkere Einbeziehung der Freigelassenen in den Provinzen wäre wünschenswert gewesen.
Anmerkung:
[1] B. Borg: Das Gesicht der Aufsteiger. Römische Freigelassene und die Ideologie der Elite, in: Moribus antiquis res stat Romana. Römische Werte und römische Literatur im 3. und 2. Jh. v. Chr., hgg. von M. Braun / A. Haltenhoff / F.-H. Mutschler, Leipzig 2000, 285-299.
Andrew Lepke