Josef Leinweber: Die Provinzialsynoden in Frankreich vom Konzil von Vienne bis zum Konzil von Trient (1312-1545). Herausgegeben und eingeleitet von Markus Lersch (= Fuldaer Studien. Schriftenreihe der theologischen Fakultät; 16), Freiburg: Herder 2013, 304 S., 1 Abb., ISBN 978-3-451-30692-1, EUR 42,00
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Anzuzeigen ist die Veröffentlichung der bislang ungedruckten Habilitationsschrift von Josef Leinweber (1940-1992), die vor circa 40 Jahren von seinem akademischer Lehrer Walter Brandmüller angeregt und betreut wurde.
In einem ersten, umfangreichen Teil werden in den Kapiteln I bis V die einzelnen bekannten Provinzialsynoden in zeitlichen Blöcken dokumentiert und in ihren Besonderheiten charakterisiert. In Kapitel VI folgt dann die thematische Analyse nach folgenden Kriterien: Konvokation, Versammlungsort, Teilnehmer, Ablauf und Ritus, Geschäftsordnung, Aufgabe bzw. Materie, Frequenz, Provinzialsynode und allgemeines Konzil, Provinzialsynode und König sowie Provinzialsynode und Statuten. Die Ergebnisse schließen sich an, in denen die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hohe Zahl der Zusammenkünfte betont wird. Eine Karte vermittelt einen geographischen Eindruck von der Diözesanstruktur in Frankreich und verzeichnet zudem die wenigen Synodalorte, die weder Metropolitan- noch Bischofssitz waren.
Mit drei weiteren Anhängen werden die Leser unterstützt: das Provinciale der französischen Bistümer dient vor allem denjenigen, die mit den französischen Verhältnissen weniger vertraut sind. Die tabellarische Übersicht der Provinzialsynoden bietet die nachgewiesenen Versammlungsorte geordnet nach Zeit und Kirchenprovinz auf einen Blick. In Anhang 4 werden die Materien der Synoden nach verschiedenen Kriterien systematisch aufgelistet. Eine erste Abteilung des umfangreichen vierten Anhangs bilden die in den Überlieferungen thematisierten Pflichten der Bischöfe und des hohen Klerus, die nächste die Pflichten des Pfarrklerus und der Kanoniker, eine weitere die Regelungen für Mendikanten und Quästoren, die nächste für die Alten Orden und Regularkanoniker, die fünfte Beschlüsse im Komplex der Heiligkeit, die sechste Fragen der Sakramente und des übrigen Ritualvollzugs, die siebte die kirchliche Rechtsprechung, die achte den Schutz der Kirche, am Ende steht schließlich das Verhältnis von Christen und Juden und die Häresiebekämpfung.
Die Materialdokumentation in den ersten fünf Kapiteln erfolgt chronologisch nach Pontifikaten der römischen Päpste, was sich aufgrund der in der Studie erzielten Ergebnisse als ein reines Hilfsmittel erweist, denn die französische Königsfolge und der Wechsel in den einzelnen Metropolitansitzen waren für die Einberufung der Provinzialsynoden in der Francia offenbar von größerer Bedeutung als die Vorgaben der Päpste. Das Oberhaupt der Christenheit spielte vor allem deshalb eine Rolle, weil es den französischen Königen nach entsprechenden Petitionen immer wieder Subsidienprivilegien erteilte, die eine Besteuerung des Klerus prinzipiell erlaubten. Die grundsätzliche päpstliche Zustimmung musste dann vor Ort auf den Synoden in die Praxis der Lebenswelt eingebracht werden. Die Regelung von Finanzfragen war nämlich ein zentraler Punkt der innerkirchlichen Selbständigkeit und bedurfte einer im Konsens der Kirchenvertreter beschlossenen Nutzungsregelung. Die Leistungen wurden nicht als Abgabe, sondern als don gratuit deklariert (25). Unter diesen Umständen darf man die Vermeidung von Synoden etwa im Languedoc nicht als Regelversäumnis im kirchlichen Reformprozess, sondern als Strategie zur Vermeidung von anders unabwendbaren Vermögensumverteilungen zu Gunsten des Königs bewerten. Diesbezüglich ist Leinwebers Beobachtung interessant, dass Philip V. sich zur Einberufung von Synoden in den Provinzen seines Königreichs befugt sah (16). Die Provinzen kamen dieser Aufforderung 1321 zwar nach, rückten aber das Datum so weit wie möglich nach hinten, weil die Steuerlast erst mit dem Beschluss einsetzte. Die synodalen Aktivitäten waren jedenfalls zu einem beachtlichen Grad eigentlich außerkirchlichen Erfordernissen geschuldet.
Die Klage über die Zustände, die dem Genre der Synodalstatuten eigen ist, richtete sich nicht so sehr auf innerkirchliche Belange, sondern auf den unbefriedigenden Stellenwert der Kirche innerhalb der Gesamtgesellschaft (35). Die großen Veränderungen der Kirchenorganisation in den Jahren 1317-18, die sich theoretisch auf die Provinzialsynoden hätten auswirken sollen, lassen sich an der Statutenüberlieferung in der Praxis noch nicht überall eindeutig nachweisen (29, Anm. 209). Die Versammlungsorte waren in der Regel die Sitze von Bischöfen. Insgesamt blieb die Zahl der Orte gering, wie die Übersicht 242-245 belegt. Saint-Ruf bildet gegenüber den übrigen Orten eine Ausnahme, weil es mehrfach der Versammlungsort für die Provinzen von Aix, Arles und Embrun war. Nur selten luden die Metropoliten in ihre eigene Stadt ein. Ob dafür, wie Leinweber mutmaßt (200), die fehlende Voraussetzung der Zentralität der Grund war oder eher die bewusste Vermeidung von Kosten bzw. von übermäßiger repräsentativer Demonstration des Erzbischofs, bedarf weiterer Prüfung.
Immer wieder befasst sich die Synodalforschung mit der Frage, ob Regelungen der Statuten auf die zeitgenössische soziale Umwelt zurückverweisen oder nur verfestigte Normenkataloge bieten, egal welche Missstände herrschten. Leinwebers Studie zeigt, dass darüber kein Pauschalurteil zu fällen ist. Einiges, wie die Simonie der Würdenträger, wurde zum häufig aufgenommenen Standard, während die Vorschrift für Bischöfe, in ihrer Umgebung stets einige Theologen zu haben, auf die Kirchenprovinz Sens beschränkt blieb und vor dem Hintergrund der Ansprüche der Universität Paris zu bewerten ist.
Der Herausgeber hat sich bemüht, die heutige Aktualität der Synodalforschung in einer knappen und mit Literaturverzeichnis seit 1975 versehenen Einleitung zu demonstrieren, was als Akt der Wertschätzung einzuordnen ist. Die deutschen und französischen Studien, die herangezogen wurden, können die noch immer aktuelle Bedeutung des von Leinweber bearbeiteten Forschungsgegenstands vor Augen führen. Es wäre löblich und der künftigen Forschung dienlich gewesen, wenn zumindest ein Personenregister beigefügt worden wäre, denn die Akteure der synodalen Politik, zu denen etwa auch Pierre d'Ailly zu rechnen ist, verdienten diese Aufmerksamkeit.
Die Publikation der aus intensiven Handschriftenstudien gespeisten Arbeit ist keineswegs nur aus wissenschaftshistorischen Gründen zu begrüßen. Auch wenn die Forschung seit der Erarbeitung der Studie in manchen Punkten vorangeschritten ist, darf man dem Buch eine Rezeption gerade auch in Frankreich wünschen. Schade bleibt, dass die Entstehungszeit offenbar kein intellektuelles Umfeld bot, das eine sofortige Bereitstellung von Leinwebers Werk für den Forschungsdiskurs gewährleistet hätte.
Heike Johanna Mierau