Rezension über:

Daniel Stedman Jones: Masters of the Universe. Hayek, Friedman, and the Birth of Neoliberal Politics, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2012, XV + 418 S., ISBN 978-0-691-15157-1, GBP 24,95
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Rezension von:
Werner Bührer
Fachgebiet Politikwissenschaft, Technische Universität München
Redaktionelle Betreuung:
Peter Helmberger
Empfohlene Zitierweise:
Werner Bührer: Rezension von: Daniel Stedman Jones: Masters of the Universe. Hayek, Friedman, and the Birth of Neoliberal Politics, Princeton / Oxford: Princeton University Press 2012, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 4 [15.04.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/04/22450.html


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Daniel Stedman Jones: Masters of the Universe

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Kritische Arbeiten über den Mitte der 1970er Jahre beginnenden Siegeszug des Neoliberalismus kranken oft daran, dass sie dahinter eine Art großangelegter Verschwörung finsterer Gestalten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft sehen und die Ideen neoliberaler Vordenker deshalb von vornherein unter Ideologieverdacht stellen. Daniel Stedman Jones hält mit seiner Kritik am quasi-religiösen Glauben an die Vorzüge des Marktes am Ende zwar keineswegs hinterm Berg, doch zuvor nimmt er die Ideen eines Friedrich Hayek oder Ludwig von Mises durchaus ernst, ja er verteidigt sie sogar gegen spätere Simplifizierer. Sein Ziel ist es zu zeigen, wie die neoliberale Marktgläubigkeit die politische Arena in Großbritannien und den Vereinigten Staaten eroberte. Und hier gelingt ihm der Nachweis, dass dieser Triumph weder zwangsläufig noch das Ergebnis einer ausgeklügelten Strategie war, sondern von mancherlei Zufällen abhing.

Der Sohn des renommierten britischen Historikers Gareth Stedman Jones, mittlerweile Rechtsanwalt in London, hat für sein Buch, das aus einer geschichtswissenschaftlichen Dissertation an der Universität von Pennsylvania hervorgegangen ist, zahlreiche unveröffentlichte Quellenbestände ausgewertet, darunter die einschlägigen Archivalien in der Ronald Reagan Presidential Library, in der Hoover Institution in Stanford (bes. die Nachlässe von Karl Popper, Hayek und Milton Friedman), im Archiv der Conservative Party in der Bodleian Library, im Thatcher Archive im Churchill College in Cambridge sowie in den British National Archives. Ferner hat er über 20 damalige Akteure interviewt. Auch diese mehr als solide Quellenbasis unterscheidet Stedman Jones' Studie positiv von der Mehrzahl der bisherigen Arbeiten zum Thema.

Der Verfasser unterteilt die Entwicklung des Neoliberalismus in drei Phasen. Die erste datiert er auf die Zeitspanne zwischen den 1920er Jahren und 1950. Dieser Periodisierungsvorschlag vermag allerdings nicht zu überzeugen, denn das Etikett "neoliberal" setzte sich erst mit dem berühmten Pariser Treffen von 1938 zu Ehren Walter Lippmanns durch. Die Teilnehmer, darunter spätere Wortführer des Neoliberalismus wie Hayek, Mises und Wilhelm Röpke, wollten mit dieser Wortschöpfung zum Ausdruck bringen, dass es ihnen um "more than a simple return to laissez-faire economics" (6) ging - was man gewiss nicht von allen ihren Epigonen behaupten kann. Die zweite Phase, von 1950 bis Anfang der 1980er Jahre, sieht Stedman Jones gekennzeichnet durch wachsende intellektuelle Kohärenz und politische Durchschlagskraft: "An increasingly confident group of thinkers, scholars, businessmen, and political entrepreneurs developed and refined a radical set of free market prescriptions and promoted their agenda" (7). Die dritte, nunmehr globale Phase mit den von internationalen Organisationen wie der Weltbank, der Welthandelsorganisation und sogar der Europäischen Union propagierten und forcierten Strukturanpassungsprogrammen in Richtung Privatisierung und Deregulierung dauert nach Ansicht des Verfassers trotz der seit 2007 anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise noch an.

Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt eindeutig auf dem zweiten Zeitabschnitt. Trotzdem liest man die unvoreingenommene Auseinandersetzung mit den Hauptwerken der "Vordenker" - Poppers "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde", von Mises' "Die Bürokratie" und Hayeks "Der Weg zur Knechtschaft" - und mit den Konzepten und Stellungnahmen Milton Friedmans, George Stiglers oder James Buchanans in den ersten Kapiteln durchaus mit Gewinn, ebenso die Verteidigung Adam Smiths gegen dessen allzu selektive Vereinnahmung durch "marktradikale" Ideologen. Allenfalls der Abschnitt über die Soziale Marktwirtschaft in der Bundesrepublik enttäuscht - und zwar nicht nur, weil Ludwig Erhard als "Finanzminister" (87, 121) vorgestellt wird.

Die Stärke des Buches besteht indes in der Rekonstruktion jenes transatlantischen Netzwerks aus wohlwollenden "businessmen and fundraisers, journalists and politicians, policy experts and academics" (134), welches das neoliberale Gedankengut nicht zuletzt mit Hilfe von think tanks wie dem American Enterprise Institute, dem Institute of Economic Affairs, dem Centre for Policy Studies oder dem Cato Institute verbreitete und popularisierte. Mit vereinten Kräften gelang es, die Keynesianer unter den Ökonomen und Politikberatern zu diskreditieren: "their ideas, it appeared had proved incapable of adjustment to the flaws in the system" (214). Zum Durchbruch verhalfen dem neoliberalen Paradigma schließlich die Wirtschaftskrise 1973/74 in Verbindung mit der politisch-moralischen Krise in den Vereinigten Staaten im Gefolge des Vietnamkriegs und des Watergate-Skandals: Die 1970er Jahre, so Stedman Jones, "were a rare moment when the pieces of the political and economic jigsaw were strewn all over the place, in need of painstaking rearrangement" (216). Im Gegensatz zur gängigen "heroic story of the power of ideas and the force of individual personalities" deutet er den Sieg der neoliberalen Bewegung deshalb wesentlich nüchterner: "much in the end was the result of historical accident and a particular alignment of circumstances" (179). Mit anderen Worten: "Supporters and foes alike assume in retrospect an ideologically consistent agenda that never was" (271).

Stedman Jones gelingt mit seiner über weite Strecken ausgewogen und fundiert argumentierenden, Politik- und Ideengeschichte überzeugend kombinierenden Arbeit eine Entzauberung des neoliberalen Narrativs. Erst im Schlusskapitel geht er mit dieser Art von "faith-based policy" (329) schärfer ins Gericht. Manches - etwa die Kritik an den Lobeshymnen auf die segensreichen Wirkungen individueller "Gier" oder an dem Gerede über "explodierende Kosten" staatlicher Sozialpolitik - wirkt deshalb etwas aufgesetzt. Falsch wird diese Kritik dadurch freilich nicht.

Werner Bührer