Bruno Cabanes / Anne Duménil (Hgg.): Der Erste Weltkrieg. Eine europäische Katastrophe, Stuttgart: Theiss 2013, 480 S., ca. 500 Abb., ISBN 978-3-8062-2764-2, EUR 49,95
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Elisabeth Haid: Im Blickfeld zweier Imperien. Galizien in der österreichischen und russischen Presseberichterstattung während des Ersten Weltkriegs (1914-1917), Marburg: Herder-Institut 2019
Erik-Jan Zürcher (ed.): Jihad and Islam in World War I. Studies on the Ottoman Jihad on the Centenary of Snouck Hurgronje's "Holy War Made in Germany", Leiden: Leiden University Press 2016
Gundula Bavendamm: Spionage und Verrat. Konspirative Kriegserzählungen und französische Innenpolitik, 1914-1917, Essen: Klartext 2003
Wolfgang U. Eckart: Medizin und Krieg. Deutschland 1914-1924, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2014
Olaf Farschid / Manfred Kropp / Stephan Dähne (eds.): The First World War as Remembered in the Countries of the Eastern Mediterranean, Würzburg: Ergon 2006
Gregor Schöllgen: Gerhard Schröder. Die Biographie, München: DVA 2015
Dominik Geppert: Ein Europa, das es nicht gibt. Die fatale Sprengkraft des Euro, Hamburg: Europa Verlag 2013
Anne Schmidt: Belehrung - Propaganda - Vertrauensarbeit. Zum Wandel amtlicher Kommunikationspolitik in Deutschland 1914-1918, Essen: Klartext 2006
Der opulente Bildband zum Ersten Weltkrieg wurde 2007 in französischer Sprache publiziert und liegt nun pünktlich zum Zentenarium des Kriegsbeginns in deutscher Übersetzung vor. Die einzelnen Beiträge zu vorwiegend kulturgeschichtlichen Themen sind an Stichtagen chronologisch aufgehängt. Dies ist oft problematisch, wenn etwa der Kulturkrieg der Intellektuellen am 4. Oktober 1914 lokalisiert wird, dem Tag der Publikation des deutschen Aufrufes "An die Kulturwelt!". Damit wird die Chronologie des "Kriegs der Geister" durcheinandergebracht, der mit dem Leserbrief an die Times von Henry Stuart Jones vom 4. August 1914, der Treitschke, Bernhardi und Bülow für den Krieg verantwortlich machte, und der Akademierede Henri Bergsons am 8. August 1914, Zivilisation stünde gegen Barbarei, eröffnet wurde.
Die gesamte Italienfront wird anhand der Schlacht von Caporetto, der zwölften und letzten Isonzoschlacht, behandelt und diese wiederum auf ihren Beginn am 24. Oktober 1917 fixiert. Noch willkürlicher wirkt die Terminierung der Luftangriffe auf den 7. Juli 1917, als deutsche Gotha-Bomber London angriffen. Wie die Autorin dieses Beitrages, Heather Jones, selbst ausführt, waren bereits 1914 Paris und Freiburg als zivile Ziele aus der Luft angegriffen worden. Im Juni 1915 war Karlsruhe von französischen Flugzeugen "wahllos mit einem Bombenteppich überzogen" (288) worden und 1916 fanden sich unter den Opfern dort zahlreiche Kinder, die im Zirkus saßen. Was nun das Stichtaghafte am ausgewählten Datum sein soll, bleibt offen. Die meisten anderen konstruierten Stichtage überzeugen ebenso wenig.
Die Bildauswahl ist dagegen sehr gelungen. Es finden sich zahlreiche unbekanntere Fotografien. Sehr eindrucksvoll ist etwa die Großaufnahme der britischen 136. Brigade bei ihrer von Pioniereinheiten vorbereiteten Überquerung des Kanals von Saint-Quentin am 2. Oktober 1918 (345). Grauenhaft, aber auch würdevoll sind die Aufnahmen der durch den Krieg Entstellten und Verstümmelten (428-433), die an das Schockbuch von Ernst Friedrich aus den zwanziger Jahren erinnern. [1] Die Schauseite der verschiedenen Hauben und Stahlhelme (174f.) zeigt sinnfällig die Transformation eines Krieges, der im 19. Jahrhundert begonnen und im 20. Jahrhundert geendet hat. Allerdings wird das große Potential der Bilder teilweise verschenkt, da sie selten in den Mittelpunkt einer quellenkritischen Betrachtung gerückt, sondern eher illustrativ eingesetzt werden. Sie entfalten durchaus Ihre Wirkung auf den heutigen Leser, aber wie wurden sie zeitgenössisch wahrgenommen und eingesetzt?
Wie auch Gerd Krumeich in seinem Vorwort anklingen lässt, haben sich nicht alle Beiträge von der Perspektive der Entente-Mächte lösen können. So folgt Laurence von Ypersele unkritisch dem problematischen Buch von John Horne und Alan Kramer über die deutschen Kriegsgräuel in Belgien, dem es an quellenkritischer Sorgfalt und völkerrechtlichem Verständnis erheblich mangelt. [2] Schmerzlich vermisst man hier wie in den anderen Beiträgen einen Anmerkungsapparat.
Im eigenartigen Kontrast zu diesem Beitrag versucht Vejas Gabriel Liulevicius die "Russengreuel" in Ostpreußen mit folgenden Sätzen zu verharmlosen: "Zwar waren in der Tat vereinzelte Übergriffe nachweisbar, doch verhielten sich viele russische Einheiten diszipliniert und korrekt; immerhin töteten sie 1500 Zivilisten, verschleppten 13 600 nach Russland, 29 Städte und 1900 Dörfer wurden geschleift oder niedergebrannt." (54)
Insgesamt liegt also ein eindrucksvoller Bildband vor, dem es bisweilen an der wissenschaftlichen Präzision fehlt und der die französische Perspektive nur ansatzweise überwinden kann.
Anmerkungen:
[1] Vgl. Ernst Friedrich: Krieg dem Kriege! Guerre à la Guerre! War against War! Oorlog aan den Oorlog!, Berlin 1924.
[2] Vgl. meine Rezension von: John Horne / Alan Kramer: Deutsche Kriegsgreuel 1914. Die umstrittene Wahrheit. Aus dem Englischen von Udo Rennert, Hamburg: Hamburger Edition 2004, in: sehepunkte 4 (2004), Nr. 7/8 [15.07.2004], URL: http://www.sehepunkte.de/2004/07/6108.html sowie die ebenfalls in Teilen kritischen Rezensionen von Markus Pöhlmann, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 64 (2002), 564-565, Christian Hartmann, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 135, 14.6.2004, 12, und Martin Moll, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 65 (2006), 256-259. Wesentlich differenzierter wurde die Problematik der Heckenschützen und der Nicht-Uniformierung der Guarde civique zuletzt bei Herfried Münkler: Der Große Krieg. Die Welt 1914 bis 1918, Berlin 2013, 117-123, behandelt.
Peter Hoeres