Maciej Dorna: Die Brüder des Deutschen Ordens in Preußen 1228-1309. Eine prosopographische Studie. Aus dem Polnischen übersetzt von Martin Faber, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2012, 473 S., ISBN 978-3-412-20958-2, EUR 69,90
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
Roman Czaja / Andrzej Radzimiński (eds.): The Teutonic Order in Prussia and Livonia. The Political and Ecclesiastical Structures 13th-16th Century, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2015
Stephan Lauper: Das 'Briefbuch' der Strassburger Johanniterkommende Zum Grünen Wörth. Untersuchungen und Edition, Wiesbaden: Reichert Verlag 2021
Sam Zeno Conedera, SJ: Ecclesiastical Knights. The Military Orders in Castile, 1150-1330, New York: Fordham University Press 2015
Hans Hettler: Preußen als Kreuzzugsregion. Untersuchungen zu Peter von Dusburgs Chronica terre Prussie in Zeit und Umfeld, Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2014
Dan Jones: Die Templer. Aufstieg und Untergang von Gottes heiligen Kriegern, München: C.H.Beck 2019
Agnieszka Pufelska: Der bessere Nachbar? Das polnische Preußenbild zwischen Politik und Kulturtransfer (1765-1795), Berlin: De Gruyter 2017
Alan V. Murray (ed.): The Clash of Cultures on the Medieval Baltic Frontier, Aldershot: Ashgate 2009
Miroslawa Czarnecka / Thomas Borgstedt / Tomasz Jablecki (Hgg.): Frühneuzeitliche Stereotype. Zur Produktivität und Restriktivität sozialer Vorstellungsmuster, Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2010
Fragen nach einzelnen Amtsträgern, Informationen zu ihren jeweiligen Biografien oder der Nachweis der Tätigkeit von Personen in bestimmten Funktionen finden sich schon in der frühen Forschung zur Geschichte des Deutschen Ordens. Inspiriert durch Fragestellungen der historischen Sozialwissenschaften nahmen Forscherinnen und Forscher in den vergangenen Jahren die soziale Herkunft der Ordensangehörigen sowie deren personale Netzwerke stärker in den Blick. Der Korpus der untersuchten Personen wurde dabei häufig durch die Herkunftsregionen definiert. Gewissermaßen die entgegengesetzte Perspektive hat Maciej Dorna in seiner Posener Dissertation (auf Polnisch erschienen 2004 [1]) gewählt, die nun in deutscher Übersetzung vorliegt: Als Kriterium zur Abgrenzung der zu untersuchenden Personengruppe dient ihm ein Aufenthalt bzw. dauerhafter Einsatz in der Zielregion Preußen. Dabei geht es ihm zunächst um die Frage nach der sozialen und geografischen Herkunft sämtlicher in Preußen nachzuweisender Brüder des Deutschen Ordens, die gleichzeitig an die Ergebnisse der vielfältigen Arbeiten zu Herkunftsregionen, das heißt vor allem der Studien über die Balleien im Reich, anschließt. Darüber hinaus interessiert er sich für Karriereverläufe und -chancen innerhalb der verschiedenen Personalkategorien sowie die Bedeutung eines Aufenthaltes in Preußen für die Laufbahnen der betroffenen Brüder. Als Untersuchungszeitraum hat Dorna die Frühzeit des Deutschen Ordens in Preußen gewählt, deren Beginn die Ankunft der ersten Brüder in den 1220er-Jahren und deren Ende die Verlegung des ursprünglich in Palästina, später in Venedig gelegenen Hochmeistersitzes aus dem Mittelmeerraum nach Preußen im Jahr 1309 markierte. Diese Verlegung an die Peripherie rückte umgekehrt die Region Preußen in das Zentrum des Ordens und bietet sich daher als Zäsur in der Tat an.
Auf der Grundlage vor allem gedruckter Urkunden und chronikalischer Überlieferung hat Dorna zunächst versucht, Brüder, in deren Biografie ein Aufenthalt in Preußen nachzuweisen ist, eindeutig zu identifizieren. Problematisch sind dabei die unterschiedliche Überlieferungsdichte und der Charakter der Befunde in den Quellen. Bisweilen werden Brüder namenlos oder auch in Varianten aufgeführt, die eine eindeutige Zuordnung erschwert oder unmöglich gemacht haben. Ergebnis der Mühen Dornas ist ein Katalog von knapp 600 Brüdern, der das Herzstück seiner Arbeit ausmacht und der als zweiter Hauptteil der Untersuchung präsentiert wird. Dabei gelingt es dem Verfasser dort, wo es die Quellenlage zulässt, recht ausführliche Biogramme über in Preußen nachweisbare Brüder zu erstellen. Idealiter umfassen sie einen genauen Namen, gegebenenfalls Varianten, Angaben zu Lebensdaten, geografischer und familiärer Herkunft sowie eine Skizze des Karriereverlaufs und Informationen, die die jeweilige Persönlichkeit innerhalb der Geschichte des Ordens verorten. Bisweilen lässt sich aber auch nur wenig Verlässliches über einzelne Personen in den Quellen nachweisen, sodass ein Eintrag im Katalog nur aus Namen, punktuellen Informationen, Funktion der Person und dem Quellenbeleg besteht.
Dorna hat sich nicht auf die Zusammenstellung eines Kataloges beschränkt, sondern diesen auch ausgewertet. Die Ergebnisse finden sich, teilweise in Tabellenform aufgearbeitet, im systematischen Teil seiner Untersuchung, der dem Katalog vorangestellt ist: Dort stellt der Verfasser zunächst allgemein die verschiedenen Personalkategorien und die mit ihnen verbundenen Funktionen vor, die es gemäß den Statuten des Ordens in der Korporation gab. Dabei arbeitet er knapp die Unterschiede zwischen Ritterbrüdern, Klerikern, Sarianten und gegebenenfalls Halbbrüdern heraus, beschreibt die Voraussetzungen für einen Eintritt in den Orden, das Aufnahmeritual und vermittelt einen Überblick über die Rekrutierung von Mitgliedern des Ordens, die in seiner Frühzeit vor allem aus den Reihen der nach Palästina gezogenen Kreuzfahrer stammten. Später traten interessierte Personen vielfach in den Balleien und Kommenden des Ordens im Reich ein, die sich so zu Rekrutierungspunkten entwickelten.
Für das Ordensgebiet Preußen bestätigt Dorna den nicht zuletzt dank der Arbeiten Dieter Wojteckis bekannten Befund, dass die Brüder im Untersuchungszeitraum überwiegend aus Thüringen, dem Vogt- sowie dem Pleißenland und dem östlichen Sachsen stammten, es allerdings auch einen bedeutenden Zustrom aus Franken gab. Weniger stark traten Personen aus den übrigen Regionen des Reiches in den Orden ein, auch wenn sich Brüder beispielsweise aus Schwaben oder dem Elsass nachweisen lassen. In ethnischer Hinsicht finden sich in seiner Frühzeit nicht nur Deutsche in den Reihen des Ordens, sondern auch einige Slawen. Bei den Ordensangehörigen, die aus Preußen selbst stammten, handelte es sich wohl eher nicht um Pruzzen. Diese tauchen laut Verfasser erst später in untergeordneter Stellung in den Quellen auf. Von den ungefähr 300 Brüdern, für die der Verfasser zweifelsfrei Namen ermitteln konnte, können nur etwa zwei Drittel hinsichtlich ihrer sozialen Herkunft sicher verortet werden. Die präsentierten Zahlen und Anteile des hohen oder niederen Adels sowie von Personen aus dem Bürgertum, die sich den Personalkategorien des Ordens zweifelsfrei zuordnen lassen, interpretiert der Verfasser vorsichtig allenfalls als Hinweise: Nachrichten über Mitglieder aus bedeutenden Familien hätten überproportionalen Niederschlag in den überlieferten Quellen gefunden, infolgedessen seien entsprechende Effekte in die Interpretation einzubeziehen. Aufgrund seines Materials kommt Dorna zu dem Schluss, dass Mitglieder des hohen Adels überproportional gute Chancen auf die Übertragung von Ämtern in Preußen hatten, sofern sie nur lang genug im Land (über)lebten. Eine sozial weniger privilegierte Herkunft habe aber kein zwingendes Hemmnis für eine Karriere innerhalb der Ordenshierarchie dargestellt.
Probleme der Überlieferung sind es auch, die Dorna den Verlauf der Karrieren in den unterschiedlichen Personalkategorien vorsichtig beurteilen lassen. Die Rotation der Brüder auf verschiedene Positionen innerhalb des Ordens sei ein äußerst komplexer Prozess gewesen. Anhand mehrerer Fallbeispiele zeigt Dorna einige Karriereverläufe auf, die Rückschlüsse auf bestimmte Muster erlauben. Besondere Aufmerksamkeit schenkt er dem Landmeisteramt, das erst nach 1280 überwiegend mit Ritterbrüdern besetzt wurde, die auch schon vorher ein Amt in Preußen ausgeübt hatten. Insbesondere in den ersten dreißig Jahren kamen ausschließlich Kandidaten von außen zum Zuge. Im Vergleich mit den Ritterbrüdern boten sich den Klerikern geringe Aufstiegschancen, überdies waren diese in den Reichsgebieten größer als in Grenzregionen wie Preußen. Als es dem Orden gelang, in Preußen durch Inkorporation die Kirchenorganisation zu dominieren, eröffneten sich hier neue Aufstiegsmöglichkeiten für Kleriker. Unterschiede in den einzelnen preußischen Diözesen werden vom Verfasser kurz skizziert.
Ist die Ermittlung gesicherter, genauer Zahlen der Mitglieder des Deutschen Ordens in Preußen aufgrund der Überlieferungslage kaum möglich, so bleibt ihre Diskussion interessant, und auch Dorna legt eigene Schätzungen vor. Auch die tatsächliche Größe der Konvente jenseits der in den Statuten postulierten Norm ist aufgrund der Quellenlage nicht immer eindeutig zu bestimmen. In Zeugenlisten seien Komture oft zusammen mit fünf bis neun Brüdern genannt, die Konvente in Preußen seien aber stärker besetzt gewesen als die im Kulmer Land. Weniger auf der Basis eines Rechtsaktes als vielmehr auf praktischer Grundlage seien Brüder für verschiedene Aufgaben auch in die Umgebung der preußischen Bischöfe abgeordnet worden.
Neben dem bereits oben vorgestellten Katalog der einzelnen namentlich bekannten Brüder und seiner systematischen Auswertung bietet der Band Amtsträgerlisten und Verzeichnisse der in den Konventen und Bistümern nachgewiesenen Ordensmitglieder. Inhaltlich noch tiefer erschlossen ist die Arbeit durch einen Personennamenindex.
Dorna hat in seiner umfassenden prosopografischen Studie das überlieferte Material mit der gebotenen Vorsicht verarbeitet und dabei bereits Bekanntes durch eine Variation der untersuchten Personengruppe bestätigt, aber auch differenziert. Auf manche Fragen kann er aufgrund der Quellensituation nur hypothetische Antworten geben, die jedoch im Wesentlichen nachvollziehbare Annahmen darstellen. Mit seiner Arbeit hat er das Bild der Forschung über das Personal des Deutschen Ordens in Preußen in dessen Frühzeit verfeinert.
Anmerkung:
[1] Maciej Dorna: Bracia Zakonu Krzyżackiego w Prusach w latach 1228-1309. Studium prozopograficzne, Poznań 2004.
Maike Sach