Alexander Emmerich / Philipp Gassert: Amerikas Kriege, Stuttgart: Theiss 2014, 264 S., zahlr. s/w-Abb., ISBN 978-3-8062-2675-1, EUR 24,95
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In seinem Spätwerk Zum Ewigen Frieden zeigte sich Immanuel Kant überzeugt, dass republikanisch verfasste Staaten dem, wie er es nannte, "schlimmen Spiel" Krieg fernbleiben würden, weil die Bürger schließlich "alle Drangsale des Krieges über sich selbst beschließen" müssten. [1] Der Verlauf der Geschichte hat diese Theorie, so vernünftig sie auch erschien, widerlegt. Trotzdem scheinen Demokratie und Krieg bis heute als Gegensätze wahrgenommen zu werden, während beispielsweise ein Zusammenhang von Diktatur und Krieg beinahe selbstverständlich angenommen wird. Wie Demokratie und Krieg zusammenpassen, ist für die Autoren jedenfalls eine brennende Frage, der sie im vorliegenden Band anhand der Geschichte der Vereinigten Staaten nachgehen wollen.
Dabei untersuchen sie chronologisch die wesentlichen Konflikte mit amerikanischer Beteiligung, beginnend mit dem Pequot-Krieg der Kolonialzeit bis zum zweiten Irakkrieg und richten ihren Blick auf historische Kontinuitäten und Parallelen. Während für gewöhnlich die Zeit vor 1898 zu wenig Beachtung in Darstellungen dieser Art findet, gewichten die Autoren ihren Band erfreulich ausgewogen. Angesichts des beschränkten Umfangs der Veröffentlichung ist die große Zahl der untersuchten Kriege allerdings gleichzeitig auch eine Schwäche des vorliegenden Buches, weil die Darstellung notgedrungen oberflächlich bleibt.
Amerikas Kriege richtet sich offensichtlich eher an ein interessiertes Publikum außerhalb der akademischen Fachwelt; entsprechend wird auf Anmerkungen ebenso verzichtet wie auf ein ausführliches Literaturverzeichnis. Es ist sicher vertretbar, dass dort weiterführend überwiegend auf deutschsprachige Veröffentlichungen verwiesen wird. Aus der englischsprachigen Literatur greifen die Autoren auf eine veraltete Auflage von Hogan / Paterson zur amerikanischen Diplomatiegeschichte zurück. Insbesondere ihre Kapitel zum 19. Jahrhundert hätten jedoch von einer breiteren Literaturbasis profitieren können. Es lohnt sich, etwa Gordon Woods Analyse der republikanischen Außenpolitik unter Jefferson und seine Darstellung des Krieges von 1812 mit den Ausführungen von Emmerich / Gassert zu vergleichen. [2]
Inhaltlich informiert der Band ohne intensiv auf den Stand der Forschung einzugehen im Großen und Ganzen solide über Vorgeschichte, Ursachen, Anlass, Verlauf und Konsequenzen des jeweiligen Betrachtungsgegenstandes. Eine Stärke der Darstellung ist die konsequente Berücksichtigung kriegskritischer Stimmen. Es wird deutlich, dass jeder Krieg auf zum Teil heftige Ablehnung stieß. Gerade dem fachfremden Publikum wird dadurch über die Epochen hinweg zumindest ansatzweise eine differenzierte Sicht auf die amerikanische Geschichte vermittelt.
Aufgelockert wird der Text durch Abbildungen und farblich abgesetzte Kästen, in denen u.a. George Washington, Thomas Jefferson, Abraham Lincoln und selbst George W. Bush kurz und knapp portraitiert werden. Dass Jefferson der Kopf der (Demokratischen) Republikaner war, erfährt der Leser dort nicht. Überhaupt ist von der Rolle der Parteien zu selten die Rede. Die an der politischen Entwicklung orientierte Darstellung wird durch kulturgeschichtliche Ausflüge ergänzt.
Leider wird der Gesamteindruck durch stilistische Ungenauigkeiten getrübt. So ist für die Autoren beispielsweise "der Imperialismus der USA [...] eine sehr ambivalente Geschichte" (14), die Gründungsväter zeichneten sich durch ihre "Öffentlichkeitswirksamkeit" aus (58) oder amerikanische Präsidenten versuchten, sich ein "Image einzuverleiben" (139). Durch diese sprachlichen Mängel gerät mitunter der Inhalt in Schieflage: Die USA eroberten den nordamerikanischen Kontinent (134) oder bauschten das, wohlgemerkt britische Bombardement von Fort McHenry zu einem großen Erfolg auf (67). An anderen Stellen kommt durch die - möglicherweise unabsichtliche - Verwendung des Präsens ein irritierendes Pathos zum Vorschein (58, 93).
Bei manchen Einschätzungen, die en passant mitschwingen, hätte man sich mehr Zurückhaltung gewünscht. Die Präsidentschaftswahl von 2000 ist für die beiden Verfasser nicht umstritten, sondern einfach dubios (238), und sie zählen es zu den amerikanischen Erfolgen, die Welt neben dem italienischen Faschismus, dem japanischen Imperialismus, dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus auch vom Deutschen Kaiserreich befreit zu haben (251).
Je näher die Autoren der Gegenwart kommen, desto journalistischer werden leider ihre Analysen. Dass George W. Bush sich für den Irakkrieg entschied, um "den innenpolitischen Aufruhr, den der 11. September ausgelöst hatte, zu besänftigen" und "seine eigene Machtbasis [zu] stärken" (241), erscheint als gewagte These.
Schließlich kommen die Autoren in ihrem Fazit zu ihrer Ausgangsfrage zurück, ohne zu sehr ins Grundsätzliche zu verfallen. Der "democratic way of war" könnte insgesamt noch stärker vom "American way of war" abgegrenzt werden. Einige Antworten, die im Laufe der Darstellung anklingen, etwa die Freiheit zum offenen Dissens, die Neigung der Gesellschaft zu Hysterie und einem manichäischen Weltbild, die militärisch-technische Überlegenheit oder die Notwendigkeit, machtpolitische Interessen mit ideologischen Motiven zu verbinden, weisen in unterschiedliche Richtungen. Möglicherweise sind diese Entwicklungen weder typisch demokratisch, noch spezifisch amerikanisch, sondern einfach modern - oder nicht einmal das.
Anmerkungen:
[1] Immanuel Kant: Zum Ewigen Frieden und Auszüge aus der Rechtslehre (= Suhrkamp Studienbibliothek, 14), Berlin 2011, 21f.
[2] Gordon S. Wood: Empire of Liberty. A History of the Early Republic, 1789-1815, Oxford u.a. 2009, 620-700.
Martin Hinzmann