Nicole Nyffenegger: Authorising History. Gestures of Authorship in Fourteenth-Century English Historiography, Newcastle upon Tyne: Cambridge Scholars Publishing 2013, XI + 218 S., 2 s/w-Abb., ISBN 978-1-4438-4819-0, EUR 59,95
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Christian D. Liddy: Contesting the City. The Politics of Citizenship in English Towns, 1250-1530, Oxford: Oxford University Press 2017
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Wie verschiedenartig Historiker und Literaturhistoriker sich mit der mittelalterlichen Historiographie auseinandersetzen, ist immer noch bemerkenswert. Die Autorin des vorliegenden Bandes schlägt sich, obwohl sie sowohl Mittelalterliche Geschichte als auch Mittelalterliche englische Sprache und Literatur studiert hat, auf die Seite der Literaturhistoriker. Ihr Anliegen ist es, die Strategien und rhetorischen Mittel zu untersuchen, mit denen im 14. Jahrhundert vier Autoren von in Versen geschriebenen historischen Texten ihren Werken, aber vor allem sich selbst, Autorität verschafften. Die Wahl der Werke erstaunt auf den ersten Blick. Die Chroniken von Robert Mannyng von Bourne (vollendet 1338) und Robert von Gloucester (um 1300, mit einer kürzeren Fortsetzung um 1325) sind auch Historikern als Historiographie verständlich, aber die beiden Fassungen des Cursor Mundi (die nördliche um 1340 und die südliche um 1400-1450) sind im wesentlichen Bibelparaphrasen und auch wenn es sein könnte, dass die Bibel als Geschichte verstanden wurde, so ist die Bibelparaphrase damit gleichwohl noch keine historiographische Gattung (vgl. 18). Zweitens ist bemerkenswert, dass literarische Quellen (wie Layamons Brut) ohne allzu viel kritische Bedenken Verwendung finden, wird dem Inhalt solcher Texte doch eine Schlüsselrolle beim Verständnis der eigenen Geschichte zugeschrieben, während den gelegentlich erwähnten Wundergeschichten eine ähnliche Funktion für das Verständnis zeitgenössischer Zusammenhänge nicht zugestanden wird. Und drittens wird die einschlägige historische Literatur zur mittelalterlichen Historiographie stiefmütterlich behandelt, findet man doch beispielsweise nur einen kurzen Aufsatz von Bernard Guenée erwähnt, nicht aber seine Histoire et Culture historique dans l'Occident médiéval von 1980 (in dem er Robert Mannyng und Robert von Gloucester aufführt).
Für Fachhistoriker ist eine Beschäftigung mit Nyffeneggers Arbeit durchaus lohnenswert. Bernard Guenée, um nur ein Beispiel zu nennen, hat zwar vieles über die mittelalterliche Historiographie zusammengestellt, sich aber zur Frage, wie sich die Autoren selbst in ihre Texte hineinschrieben, kaum geäußert. Diese Leerstelle füllt die vorliegende Arbeit. Sie geht von der Hypothese aus, dass die behandelten Autoren durch Anwendung von "schriftstellerischen Gesten" ihre "schriftstellerischen personae" zu konstruieren suchten. Aufgrund dieser Studie lässt sich eine aufschlussreiche Liste solcher Gesten erstellen und es würde sich lohnen, danach auch in anderen mittelalterlichen Texten zu fahnden.
Im ersten Kapitel wird aufgezeigt, wie sich ein Historiograph als Mittler zwischen seinem Publikum und (nicht auf Englisch tradierten) Kenntnissen über die Vergangenheit präsentiert. Im zweiten Kapitel geht es darum zu zeigen, wie Historiographen Vergangenheit und Gegenwart aneinanderbinden. In den vier behandelten Fällen stehen Fragen nach Landgewinn und nach den Protagonisten der Geschichte (Eroberer und Könige, aber auch, im Cursor Mundi, Maria) im Zentrum. Für die Konstruktion der historiographischen personae sind sie von allergrößter Bedeutung. Im dritten Kapitel wird analysiert, wie Historiographen mit Verweisen auf geschriebene Texte umgehen. Bücher vermögen die Wahrheit über lange Perioden hinweg zu bewahren. Der Umgang mit Büchern - und deshalb mit Wahrheit - ist die Domäne von Spezialisten, zu denen eben auch die Historiographen gehören. Ein Historiograph ist also jemand, der sich aufgrund eines spezialisierten Umgangs mit Büchern und Briefen ein "schreibendes Ich" konstruiert. Das vierte Kapitel handelt über die Zuschreibung von Autorität an dieses "schreibende Ich", egal ob durch eine Bestätigung der Quellen oder durch das Untergraben ihrer Autorität (in beiden Fällen präsentiert sich der Historiograph als die Autorität der Quellen überragende Persönlichkeit). Der Historiograph ist der Inhaber nicht nur seines eigenen Textes, sondern auch der von ihm verwendeten Bücher und ihrer Inhalte. Sogar Äußerungen von Zweifel können seine eigene Autorität erhöhen. Im fünften und letzten Kapitel wird schließlich der Frage nachgegangen, wie der Historiograph für die eigene textuelle Präsenz innerhalb seines Werkes sorgt. So kann er beispielsweise schriftstellerische Gesten am Anfang und Ende eines Textes einfügen, um ihn so zu umrahmen. Er kann sich aber auch durch Exklamationen an jeder beliebigen Stelle im Text zu erkennen geben.
Es zeigen sich wichtige Unterschiede bei den behandelten Autoren. Ist die persona des Autors der südlichen Version des Cursor Mundi fast unsichtbar, gewinnt am anderen Ende des Spektrums die persona Robert Mannyngs klar erkennbare Züge: "Mannyngs schriftstellerische Persönlichkeit ist ein bewusst und gewandt konstruiertes, klar präzisiertes schriftstellerisches Selbst" (201). Solche Aussagen werden erst durch die subtile Beobachtung schriftstellerischer Gesten möglich. Man könnte die Aussagekraft dieser Gesten jetzt an anderen Autoren - nicht zwangsläufig an denen volkssprachlicher historiographischer Werke - überprüfen. Ein solches Instrument zur Verfügung gestellt zu haben ist meines Erachtens das wichtigste Verdienst des Buches.
Zu kritisieren findet man dennoch manches. Die Literatur zum Thema Schriftlichkeit hätte mehr Beachtung verdient gehabt (über die Frage, wer mit den litterati überhaupt gemeint war, bekommt der Leser Informationen lediglich aus zweiter Hand; dass Briefe meistens von Boten überbracht wurden, war folgenschwer für die Frage der Mündlichkeit / Schriftlichkeit / Auralität brieflicher Kommunikation etc. etc.). Wichtiger scheint mir aber die von Nyffenegger nicht behandelte Frage, ob manche schriftstellerischen Gesten nicht auch kontraproduktiv sein konnten. Wenn Robert Mannyng z.B. die Geschichte über einen gewissen Nennius, der das wunderbare Schwert Caesars erlangte, mit einigen unwichtigen Gedanken über die Gründe, weshalb Caesar das Schwert einst nicht gezogen hatte, unterbricht, wird die "Spannung der Erzählung" gebrochen (187). Es könnte dann doch immerhin sein, dass diese starke Präsenz des Historiographen beim Publikum eher Irritation als Verständnis auslöste. Wäre es also möglich, dass die Überbetonung der persona Robert Mannyngs mitverantwortlich dafür war, dass die Überlieferung dieser Chronik eher beschränkt geblieben ist? Von der Chronik des weit bescheideneren Robert von Gloucester besitzen wir viel mehr Handschriften - und er erscheint mit seinem Werk in der provisorischen Liste der historiographischen Bestseller, die Guenée aufgestellt hat.
Es ist klar, dass die Frage nach der schriftstellerischen persona die Forschung ungemein bereichert. Diese neue Frage sollte aber nur in Zusammenhang mit bereits bisher gestellten Fragen beantwortet werden. Damit wäre die Autorin des besprochenen Buches aber sicher einverstanden.
Marco Mostert