Guido Berndt / Roland Steinacher (eds.): Arianism: Roman Heresy and Barbarian Creed, Aldershot: Ashgate 2014, XVIII + 381 S., ISBN 978-1-4094-4659-0, GBP 80,00
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Der Sammelband hat es sich zur Aufgabe gemacht, die historischen Erscheinungsweisen der 'arianischen' Theologie und Kirchen seit der römischen Spätantike und ihre Ausformung wie politische Bedeutung in den Königreichen der germanischen gentes nachzuzeichnen. Der Titel des Sammelbandes macht sich dabei den eigentlich polemischen Begriff Arianismus zu eigen, der immer noch als Sammelbegriff für eine ganze Bandbreite an unterschiedlichen theologischen und doktrinalen Zugriffsweisen auf die Frage nach dem Verhältnis zwischen Gott und Christus verwendet wird.
Dieser Perspektivierung folgend enthält der Band mehrere Aufsätze, die sich mit den theologischen Diskussionen der Spätantike beschäftigen. So führt Hanns Christoph Brennecke in die theologischen Problemstellungen des 4. Jahrhunderts um die Subordination Christi ein. Er zeichnet die theologischen Grundgedanken des Arius sowie die Entwicklungen nach der Verurteilung seiner Lehre durch das Konzil von Nicäa 325 nach und verfolgt, wie in den 350er Jahren durchaus Glaubensgrundsätze, die als homöisch zu bezeichnen sind, d.h. solche, die Wesensgleichheit und nicht die Wesenseinheit Gottes und Christi betonen, akzeptiert waren. Erst 381 erklärte dann Theodosius auf dem Konzil von Konstantinopel das nicänische Glaubensbekenntnis per Edikt als das gültige. Seitdem fand der Begriff Arianismus, der eigentlich nur auf die Lehre des Arius und seiner Anhänger bezogen war, Anwendung zur Brandmarkung als häretisch verstandener Gruppen, die vom Nicaenum abweichende trinitarische Vorstellungen hatten. An seine Ausführungen schließt sich ein Kapitel von Kurt Schäferdiek an, in dem er, ausgehend von Ulfilas Theologie und seinem historischen Kontext, die Verbreitung des homöische Glaubens bei den Goten und die Ausbildung einer gotisch-homöischen Kirche bis zu deren Ende beschreibt. Sara Parvis analysiert Ulfilas theologische Position genauer und sieht seine Bezeichnung als Homöer als wenig weiterführend an, da sich in seiner Theologie stärkere Anverwandlungen an die Lehren des Arius als an die Glaubensbekenntnisse der Konzile von 359 und 360 finden lassen. Paul Parvis setzt sich mit einem Text über das Martyrium des im Jahr 372 gestorbenen Märtyrers Sabas auseinander. Er glaubt, dass Sabas ein "Arianer" war und seine Orthodoxie nur eine Interpretation der hagiographischen Quellen ist, die von der Forschung jedoch häufig als historische Tatsache angesehen werde. Uta Heil beleuchtet die Unterschiede der dogmatischen Vorstellungen der Homöer gegenüber anderen "arianischen" Denkmodellen seit den 350er Jahren und stellt die Auseinandersetzung orthodoxer Denker mit den homöischen Standpunkten unter anderem am Beispiel von Ambrosius von Mailand und Augustinus dar. Hanns Christof Brennecke wendet sich der im 19. Jahrhundert etablierte These zu, es habe mit dem homöischen Christentum in den barbarischen Königreichen einen "germanischen Arianismus" gegeben. Die These ist zu verwerfen, da der Begriff "germanischer Arianismus" eine national-ideologische Prägung ist, die beweisen sollte, dass der Arianismus dem germanischen Wesen entsprang. Sie ist nicht nur nationalistisch gefärbt, sondern basiert auch auf einer Fehleinschätzung, da das homöische Christentum in einer typisch lateinischen homöischen Theologie verwurzelt war.
Der engen Verflechtung von politischen Gegebenheiten, der Ausbildung kirchlicher Strukturen sowie theologisch-religiöser Fragen widmet sich der zweite Teil des Buches. Herwig Wolfram zeichnet Vulfila als iudex provinciae und damit als säkularen Führer seines Volkes und hebt dessen Bedeutung für die Mission der Goten hervor. Ralph W. Mathiesen stellt in seinem Beitrag die jeweilige Kirchenorganisation in den einzelnen Königreichen vor und kann zeigen, dass die Besonderheiten der arianischen Kirchen vor allem auf deren Organisationsstruktur beruht, die keine Stadtbischöfe kannte und in der Priester wichtige seelsorgerische Aufgaben übernahmen. Wie viele der folgenden Beiträge geht er davon aus, dass im Alltagsleben die religiöse Spannungen zwischen "arianischen" Nichtrömern und nizänischen Römern kaum eine Rolle gespielt habe, allerdings habe die Identifikation mit dem Glaubensbekenntnis von Rimini dazu beigetragen, die ethnische Identität zu schärfen. Während Brennecke die These vom "arianischen Germanentum" ablehnt, nimmt Brendan Wolfe den Gedanken von der Affinität der Germanen zum homöischen Glauben auf; linguistisch ergebe homoousios in der gotischen Sprache keinen Sinn, während es für homoios eine einfache Übersetzung in galeiks gegeben habe. Ralf Bockmann untersucht archäologische Befunde aus Karthago, Haïdra und Ravenna, um zu zeigen, dass sich aus ihnen weder ikonographisch noch in der Architektur eine Unterscheidung zwischen Arianern und Nizäanern ableiten läßt. Es handele sich um einen theologisch-philosophischen Streit, der nicht über Bilder und Architektur ausgetragen wurde.
Die folgenden Aufsätze, die sich den einzelnen gentes und Regionen widmen, nehmen die Frage nach der Rolle der theologische Debatte und der Integration der verschiedenen Konfessionen im Alltagsleben wieder auf. Daneben beleuchten sie die jeweiligen Kirchenstrukturen, die Bedeutung des homöischen Glaubens für die ethnische Identität und die Aufgabe der homöischen Glaubensformen. Guido M. Berndt und Roland Steinacher leiten diesen Teil des Bandes mit einem Überblick zu den Ostgoten in Italien ein. Im Anschluss setzt sich Piero Majocchi mit dem Arianismus bei den Langobarden auseinander. Beide Aufsätze betonen die friedliche Koexistenz der Arianer mit den Katholiken. Einen Gegenpunkt setzt Robin Whelan mit seinen Ausführungen zu den Vandalen in Afrika, der die Spannungen betont und diese überzeugend auf die spezifische afrikanische Ausprägung des Christentums u.a. beeinflusst durch den Donatismus zurückzuführt. Manuel Koch beschäftigt sich mit der Bedeutung des Arianismus für die ethnische Identität im westgotischen Spanien und zeigt auf, dass die Vorannahme, Arianer wären Goten gewesen und Katholiken hingegen Hispano-Romanen, die komplexe historische Realität nicht erfasst. Uta Heil wirft einen Blick auf die wenigen Quellen mit theologischem Aussagewert zu den Westgoten und Burgundern in Gallien. Anhand Vicitricius' Text De Laude Sanctorum untersucht Meritxell Pérez Martínez welche Methoden - hier ist es die Heiligenverehrung - gewählt wurden, um die aus dem arianischen Streit entstandenen Spaltungen und die mit ihm einhergehende disziplinären Probleme in Britannien beizulegen. In seiner Zusammenfassung betont Yitzhak Hen, dass die Forschung, auf Grund der nahezu nur auf katholischen Quellen beruhenden Überlieferung den Arianismus nur durch das katholische Passepartout erkennen kann.
Der Band mag die Diskussionen um den Begriff des Arianismus nicht abschließend klären. So wird er in einigen Beiträgen als wenig differenzierend und polemisch verworfen, andere problematisieren ihn hingegen nicht einmal. Auch wird die im Band aufgefächerte Vielfalt nicht deutend zusammengeführt, was dem Leser die methodische und thematische Orientierung durchaus erleichtert hätte. Dessen ungeachtet präsentieren die Herausgeber eine gelungene Mixtur von theologischen und historischen Überblicksaufsätzen wie Spezialstudien, die zur Konturierung der diffizilen Bezüge zwischen "Arianismus", gentiler Identitäten und Orthodoxie beitragen und den lange postulierten, eindimensionalen Bildern ein Nuancierteres gegenüberstellt. Generell ist die Vielfalt also kein Nachteil, mit ihr spiegelt der Band die Pluralität der aktuellen Arianismusforschung.
Miriam Czock