Ann Crabb: The Merchant of Prato's Wife. Margherita Datini and Her World, 1360-1423, Ann Arbor: University of Michigan Press 2015, 285 S., ISBN 978-0-472-11949-3, USD 75,00
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Ann Crabb legt mit The Merchant of Prato's Wife. Margherita Datini and her World, 1360-1423 die erste wissenschaftliche Monographie über die Ehefrau des berühmten italienischen Kaufmanns Francesco di Marco Datini (ca. 1335-1410) vor. Dabei lehnt sie sich mit dem Titel ihrer Studie über Margherita Datini deutlich an das 1957 von Iris Origo verfasste populärwissenschaftliche Werk The Merchant of Prato. Francesco di Marco Datini an. [1] Sie sieht sich jedoch selbst nicht in dieser Forschungstradition und verfolgt einen weitaus differenzierteren Ansatz. Zudem problematisiert die Autorin selbst den ihr im Vorfeld der Erscheinung ihres Buches gemachten Vorwurf, der Titel The Merchant of Prato's Wife untergrabe die Individualität der im Fokus der Untersuchung stehenden Frau. Crabb selbst sieht darin eine Spiegelung von Margheritas eigenem Selbstverständnis als Ehefrau. Neben die unbestreitbare Individualität tritt hier so auch die Reflexion der traditionellen Ehefrauenrolle, der Margherita zu entsprechen suchte: Sie sah "wifehood as a profession" (1).
Dies stellt den Ausgangspunkt der Untersuchung dar, welche sich nach einer Einleitung in 13 Kapiteln und einer abschließenden Zusammenfassung mit den einzelnen Abschnitten der Vita Margheritas beschäftigt sowie einzelne Bereiche wie den Umgang mit unehelichen Kindern (Kapitel 3), die Beziehung zu ihrem Ehemann (Kapitel 4, 12), Familie und Freunde (Kapitel 7, 8, 11) und politische Äußerungen (Kapitel 9) betrachtet. Hierin zeigt sich die Themenbreite des Buches, welche auf den ersten Blick etwas unstrukturiert erscheinen mag, da erst bei der Lektüre der rote Faden, der sich innerhalb der Kapitel weitestgehend chronologisch präsentiert, sichtbar wird. Dabei wird deutlich, dass diese Monographie weit über ein rein biographisches Werk hinausgeht und auch allgemeingültige Ergebnisse über Kaufmannsfrauen, deren Handlungsspielräume sowie zeitgenössische Diskurse beispielsweise zur idealen Ehefrau und deren Pflichten bereithält.
Quellengrundlage für diese Studien ist die Briefkorrespondenz zwischen dem Ehepaar, die sich von 1384 bis 1410 erstreckt. Daneben stehen zahlreiche weitere Briefe an Freunde und Verwandte, die im umfangreichen Nachlass des Kaufmanns noch heute im Archivio di Stato di Prato in Italien aufbewahrt werden (1). Dieser Archivbestand wurde bisher nur von Wirtschaftshistorikern und mit Fokus auf den Kaufmann genutzt. Crabb sieht hingegen die Möglichkeit, auch sozialhistorische Fragestellungen zu verfolgen und formuliert selbst das Ziel, über diesen für die Frührenaissance außergewöhnlich reichen Quellenbestand die Stimme der Frau hörbar zu machen. Dies knüpft sie an theoretisch nicht weiter ausdifferenzierte Frage nach den Handlungsspielräumen von Ehefrauen der Kaufmannselite (1-2).
Kapitel 1 und 2 zeichnen die Herkunft und die ersten Ehejahre nach, in denen das Ehepaar noch zusammenlebte, bis Francesco 1386 beschloss, die Haushalte zu trennen (27). Mit zahlreichen Zitaten aus der Korrespondenz belegt Crabb die inhaltlich abwechslungsreiche Kommunikation zwischen dem Paar. Darin zeigt sich Margherita nicht nur als liebende, besorgte Ehefrau, die sich ihren Aufgaben entsprechend um den Haushalt in Prato kümmert. Sie offenbart in Konflikten auch ihre eigene Meinung und traut sich ebenso Francesco - den Sohn eines Schankwirts - in seine Schranken zu verweisen: "I have a little Gherardini blood in me, not that I attach much importance to it, but I don't know what your blood is" (32).
Kapitel 3 (Coping with Illegitimacy) richtet den Blick auf einen weiteren Konfliktherd in der kinderlosen Ehe und zeigt anhand vieler Aussagen von Margherita und ihren Verwandten, dass die unehelichen Kinder Francescos heftige Reaktionen hervorriefen. Die junge Ehefrau reagiert sogar mit Krankheit, als sie 1387 von der Geburt eines unehelichen Nachkommen erfuhr (36). So gewährt Crabbs Arbeit einen tiefen Einblick in das komplexe persönliche Schicksal Margheritas, welches nochmals deutlich wird, als die uneheliche Tochter Ginevra von Margherita aufgenommen und großgezogen wird (43-44). Verfolgt das Paar aber ein gemeinsames Ziel, ruhen alle Konflikte (121).
Privatheit, Individualität und persönlichem Schicksal werden jedoch in dieser Studie auch Bereiche des öffentlichen Lebens Margheritas gegenübergestellt, aus denen Crabb - viel stärker dem ursprünglichen Ziel des Buches entsprechend und abweichend von einer reinen Deskription - die Handlungsspielräume einer Frau der Frührenaissance herleitet. Hier ist beispielhaft Kapitel 9 (Political Maneuvers) hervorzuheben. Crabb verdeutlicht so zusätzlich, dass die Familie Datini auch in einen historisch breiteren Kontext einzuordnen ist. Den Rahmen bieten die ständigen politischen Konflikte der florentinischen Oberschicht (120-121), die mit finanziellen Konsequenzen für Bürger wie Francesco verbunden waren (119). Die Verfasserin zeigt dabei auf, dass Margherita zwar aktiv, jedoch mit Beistand von anderen handelt, um ihren Ehemann zu unterstützen und ihm als Beraterin dient, aber dem Problem gegenüber steht, dass andere Beteiligte sie ignorieren und damit ihre Handlungsspielräume eingeschränkt bzw. ihr nicht die entsprechenden Bedeutungen zugewiesen werden (123-124).
Leider konnte Crabb nicht mehr von der 2012 erschienen Quellenedition der Briefe Margheritas an ihren Ehemann, die von Carolyn James und Antonio Pagliaro ins Englische übersetzt wurden, profitieren. [2] Die Studie reiht sich ergänzend in eine Serie jüngerer Veröffentlichungen von James und Crabb selbst ein, die sich in den letzten Jahren verstärkt mit diesem Quellenbestand beschäftigt haben und so neue sozial- und geschlechtergeschichtliche Fragen an das Leben einer Frau im spätmittelalterlichen Italien richten konnten. Zudem zeigt Crabb im Appendix durch die paritätische Auflistung der Personen des Datinischen Umfelds (Cast of Characters, 209), dass auch netzwerkanalytische Fragestellungen an die Quellen gerichtet werden können.
Diese Monographie stellt somit einen weiteren Schritt zur Erschließung und Erforschung der enormen und leider weiterhin under-used [3] Archivbestände in Prato dar. Ergänzend zu der englischen Übersetzung der Briefe Margherita Datinis ermöglicht Crabb nun mit ihrem biographischen Werk ein vollständigeres Bild einer Kaufmannsfrau der Frührenaissance, welche entsprechend ihrer Profession als Ehefrau nicht nur den Haushalt führte, sondern ihrem Ehemann als Vertraute sowie Beraterin in geschäftlichen Dingen zur Seite stand.
Anmerkungen:
[1] Die Monographie von Origo ist 1985 auch in deutscher Übersetzung unter dem Titel "Im Namen Gottes und des Geschäfts. Lebensbilder eines toskanischen Kaufmanns der Frührenaissance: Francesco di Marco Datini, 1335-1410" erschienen.
[2] Margherita Datini: Letters to Francesco Datini, hg. und üb. von Carolyn James und Antonio Pagliaro, Toronto 2012.
[3] Carolyn James: A Woman's Work in a Man's World. The Letters of Margherita Datini (1384-1410), in: Francesco di Marco Datini. The man, the merchant, hg. v. Giampiero Nigro, Florenz 2010, 53-72, 53.
Katharina Tugend