Tim Schanetzky: "Kanonen statt Butter". Wirtschaft und Konsum im Dritten Reich (= Die Deutschen und der Nationalsozialismus), München: C.H.Beck 2015, 272 S., 5 Abb., ISBN 978-3-406-67515-7, EUR 16,95
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Mit "Kanonen statt Butter", einem seit etwa Ende 1936, als gerade der Vierjahresplan beschlossen worden war, im 'Dritten Reich' gerne verwendetem Diktum, übertitelt Tim Schanetzky seine Darstellung zur Wirtschaft und zum Konsum im 'Dritten Reich'. Jedes seiner insgesamt sieben Kapitel leitet Schanetzky mit einer anekdotischen Beobachtung ein, um dann tiefer in die Materie zu gehen. Das Buch ist eine Darstellung, die sich an einen breiteren Leserkreis richtet, so dass er auf den Forschungsstand und ähnlichen Ballast, der üblicherweise in der Einleitung referiert wird, verzichtet. Der Leser wird nicht mehr mit längst erloschenen Forschungskontroversen konfrontiert, sondern direkt auf den Stand der Forschung gebracht. Schanetzky, der vor allem zur Unternehmensgeschichte und der Geschichte der Wirtschaftspolitik im 20. Jahrhundert gearbeitet hat, erweist sich hier als ungemein belesen und rezipiert die Forschung der letzten 20 Jahre. Dabei referiert er auch komplexere wirtschaftshistorische Argumente. [1] Diese Passagen wie auch das ganze Buch sind sprachlich außerordentlich gelungen und gut lesbar. Das Buch ist nicht so umfassend wie die 2007 (auf Deutsch) erschienene monumentale Darstellung von Adam Tooze [2], hat aber auch nicht diesen Anspruch. In viel stärkerem Maße konzentriert sich Schanetzky auf die materielle Seite des Alltags; es ist eben auch eine Konsumgeschichte und in dieser Hinsicht und Breite ein Novum für die Geschichte des 'Dritten Reichs'.
Die Lektüre hat beim Rezensenten nur an einigen Stellen Stirnrunzeln hervorgerufen; in allen Fällen waren es (zu) steile Thesen aus Götz Alys "Volksstaat" von 2005. [3] An dieser Stelle wäre vielleicht etwas mehr kritische Distanz geboten gewesen. Andere Fachvertreter wird vielleicht stören, dass Schanetzky im Schlusskapitel sich nicht ihre Sichtweise zu eigen macht, derzufolge die Unternehmen im 'Dritten Reich' weitgehend aller Handlungsspielräume beraubt und letztlich Getriebene eines allmächtigen Regimes gewesen seien, das seine totalitären Instrumente auch gegen Unternehmer und Manager eingesetzt habe oder zumindest glaubhaft damit drohte. [4] Ohne das Drohpotential des Regimes herunterzuspielen, verweist Schanetzky hier auf die Anreize, mit der die NS-Wirtschafts- und Rüstungspolitik die Eigeninteressen der Unternehmen in die gewünschte Richtung zu lenken verstand.
Insgesamt handelt es sich um eine ausgesprochen gelungene, ab- und ausgewogene Darstellung, die gute Lesbarkeit mit analytischem Tiefgang verbindet; ideal als Einstieg für Studierende und eine breitere Leserschaft. Schade nur, dass das Register lediglich Personen- und Firmennamen umfasst.
Anmerkungen:
[1] Wobei die Rezeption von Mark Spoerer / Jochen Streb: Guns and Butter - but no Margarine: The Impact of Nazi Economic Policies on German Food Consumption, 1933-38, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte (1), 2013, 75-88, nicht nur wegen des Titels gut ins Konzept gepasst hätte.
[2] Vgl. Adam J. Tooze: Ökonomie der Zerstörung. Die Wirtschaft im Nationalsozialismus, Berlin 2007.
[3] Vgl. Götz Aly: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Frankfurt a.M. 2005.
[4] Vgl. etwa die Kontroverse zwischen Peter Hayes und Christoph Buchheim / Jonas Scherner im Bulletin of the German Historical Institute (2009), H. 2.
Mark Spoerer