Martijn Icks: The Crimes of Elagabalus. The Life and Legacy of Rome's Decadent Boy Emperor, London / New York: I.B.Tauris 2011, XI + 276 S., ISBN 978-1-84885-362-1, GBP 22,50
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Sophie Röder: Kaiserliches Handeln im 3. Jahrhundert als situatives Gestalten. Studien zur Regierungspraxis und zu Funktionen der Herrschaftsrepräsentation des Gallienus, Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2019
Christian Seebacher: Zwischen Augustus und Antinoos. Tradition und Innovation im Prinzipat Hadrians, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2020
Toni Glas: Valerian. Kaisertum und Reformansätze in der Krisenphase des Römischen Reiches, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2014
Michael Geiger: Gallienus, Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2013
John S. McHugh: Emperor Alexander Severus. Rome's Age of Insurrection, AD 222-235, Barnsley: Pen & Sword Military 2017
Julia Wilker: Für Rom und Jerusalem. Die herodianische Dynastie im 1. Jahrhundert n.Chr., Berlin: Verlag Antike 2007
Gustav Adolf Lehmann: Perikles. Staatsmann und Stratege im klassischen Athen. Eine Biographie, München: C.H.Beck 2008
Elke Stein-Hölkeskamp: Das Römische Gastmahl. Eine Kulturgeschichte, München: C.H.Beck 2005
Mit The Crimes of Elagabalus widmet Martijn Icks einem Kaiser eine Monographie, der nur knapp vier Jahre (von 218-222 n.Chr.) herrschte. Allerdings beschäftigen sich die letzten 100 der 220 Seiten Text mit der Rezeptionsgeschichte seit ca. 1350 n.Chr. Der 'harte' althistorische Kern Elagabal wird zudem durch 'Rahmenhandlungen' weiter beschnitten. Der ereignisgeschichtliche Abschnitt über die Herrschaft Elagabals (The Boy on the Throne) beschränkt sich dann auch auf 34 Seiten.
Die ersten 120 Seiten des Buches sollte man aber, ganz abgesehen von der Elagabal-Thematik, Studierenden - nicht nur - der Alten Geschichte durchaus ans Herz legen. Icks vermittelt die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens auf gut lesbare Art und Weise: Die Verbindung von Quellen und moderner Forschung, wobei die kritische Distanz zu beiden nicht zu kurz kommt. Die Beschränkung auf die allernotwendigsten Belege und dies als Endnoten fördert den Lesefluss und gibt Studierenden eine Ahnung davon, welcher Gewinn hinter einem wissenschaftlichen Text steckt, wenn man ihn sich erarbeitet. [1]
Für den Forscher ist der Nutzen des Buches dadurch zwar etwas eingeschränkt, das Potential aber vielfach erkennbar. Zentral für die Herrschaft Elagabals sind zum Beispiel die Religionspolitik und speziell die Erhebung des Gottes Elagabal an die Spitze des römischen Pantheons oder die Frage, ob das frühe Scheitern Elagabals auf einen Konflikt zwischen Westen und Orient zurückzuführen ist.
Elagabals Religionspolitik sieht Icks einerseits vom eigenen Willen Elagabals befeuert: "a man with strong religious convictions" (27) und "[...] the religious zeal which the emperor showed in honouring the deity cannot be interpreted as anything other than genuine" (60). Dass dem Kaiser bei der Durchsetzung seiner religiösen Überzeugungen Ende 220 n.Chr. sein nun 'fortgeschrittenes' Alter von 16 oder 17 Jahren geholfen habe (27), überzeugt nicht wirklich. Sein Umfeld wird eine nicht geringe Rolle gespielt haben: "[...] his assistants and advisers, whose position depended on his survival, had more mundane interests in mind. [...] the emperor's position as sacerdos amplissimus of Elagabal was used in an attempt to grant him the prestige which could noch derived from his alleged ancestry, personality and worldly achievements." (89) Ob aber wirklich niemand die zu erwartende Ablehnung dieser Vorgehensweise hatte kommen sehen?
Im Kapitel "The Invincible Priest-Emperor" geht Icks der Frage nach, wie sich Elagabal als unbesiegbarer Priesterkaiser der Öffentlichkeit präsentierte und ob seine religionspolitischen Reformen auch außerhalb Roms Auswirkungen hatten. Bei der vor allem numismatischen Untersuchung zur Selbstdarstellung des Kaisers hakt es etwas an aussagekräftigen Überlegungen zur quantitativen Bedeutung der Emissionen.
Die Verunglimpfung Elagabals als 'Orientale', als neuer Sardanapal, findet sich in den literarischen Quellen, die Icks in einem ausführlichen Kapitel (The Rejected Ruler, 92-122) behandelt. Die Betonung des Rom-Orient-Unterschiedes durch die antiken Autoren sieht Icks nur in Bezug auf die Förderung des Gottes Elagabal tatsächlich gerechtfertigt. Der Kaiser "[...], at least to some extent, must have been aware of Roman thought and customs[...]." (60)
Wie nicht anders zu erwarten, finden sich bei Cassius Dio, Herodian und in der Historia Augusta zahlreiche weitere Versatzstücke der sogenannten Tyrannentopik. Schon zu Beginn seines Buches widerlegt Icks mittels prospographischer Untersuchungen den Vorwurf der Vetternwirtschaft gegen Elagabal (20-23), wodurch die 'crimes' im Buchtitel deutlich relativiert werden.
Auf den 'historischen' Elagabal folgt die Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte. Zwar bemüht sich Icks redlich, Ordnung und Struktur in den Marsch durch die Jahrhunderte zu bekommen, kann aber nicht ganz vermeiden, dass man manchmal etwas den Überblick verliert. Insgesamt bietet Icks' Buch aber einen mehr als gelungenen Einstieg, um die Herrschaft und vor allem das Nachleben Elagabals zu verstehen.
Anmerkung:
[1] http://www.faz.net/-gyl-8dqzk
Stefan Priwitzer-Greiner