Toni Glas: Valerian. Kaisertum und Reformansätze in der Krisenphase des Römischen Reiches, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2014, 410 S., 12 s/w-Abb., ISBN 978-3-506-77888-8, EUR 49,90
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Die reichen Früchte der intensiven Beschäftigung mit dem dritten nachchristlichen Jahrhundert in den letzten Jahren haben nunmehr endlich dazu geführt, dass von zwei der wichtigsten Kaiser dieser Zeit, Valerian und Gallienus, die lang erwarteten biografisch ausgerichteten Studien vorliegen. Michael Geigers Augsburger Dissertation über Gallienus wurde vom Rezensenten bereits an anderer Stelle besprochen. [1] Objekt dieser Rezension ist die Valerianbiografie von Toni Glas, zugleich ihre von Klaus-Peter Johne betreute Berliner Dissertation, die sich das Ziel einer "Neubewertung der Politik" Valerians (18) gesetzt hat.
Das erste Kapitel (13-18) bietet eine gründliche und detaillierte Einführung in den Forschungsstand, der die entsprechenden Ausführungen von Geiger sehr gut ergänzt, da dieser auf eine ökonomische Auswahl, Glas dagegen auf Vollständigkeit (siehe etwa 15, Anm. 8) bedacht ist.
Ebenfalls für sich betrachtet sowie im Vergleich mit Geiger sehr ergiebig sind die Ausführungen zu den Quellen zur Herrschaft Valerians (19-61). Geiger nämlich bespricht jeden Autor einzeln und erweist sich bei den griechisch-römischen Autoren als etwas vollständiger. Glas hingegen ordnet die Werke nach den einzelnen Traditionssträngen und befasst sich zudem eingehend mit der orientalischen Überlieferung. Zustimmen kann der Rezensent zudem der Annahme, dass der Überlieferungszustand der Valerianvita der Historia Augusta auf eine unbeabsichtigte Lücke zurückgeht (32).
Die beiden folgenden Kapitel sind primär ereignisgeschichtlich orientiert. Das dritte Kapitel (63-113) untersucht die Herkunft und Karriere Valerians und führt in die Zeit der Soldatenkaiser bis zum Regierungsantritt Valerians ein. Das vierte Kapitel (115-186) bietet eine sehr gute Chronik der Ereignisse der Regierungszeit Valerians unter ausgiebiger Verwertung des vorhandenen Quellenbestandes.
Primär der Politikanalyse gewidmet sind die nächsten beiden Kapitel. Das fünfte Kapitel (187-240) über die Maßnahmen zum Schutz des Reiches behandelt zwar auch außenpolitische, aber vor allem innenpolitische Fragen wie die Aufteilung der kaiserlichen Kompetenzen zwischen Valerian und Gallienus, die Sonderkommanden und die militärischen Reformen. Glas kommt hierbei zu dem Ergebnis, dass die Außenpolitik Valerians keine rein defensive war.
Das sechste Kapitel (241-318) widmet sich den Maßnahmen zur inneren Sicherung des Reiches. Neben der Repräsentation des Kaiserhauses und der Politik gegenüber Senat und Ritterstand wird hier insbesondere (jedoch nicht im Übermaß) die valerianische Christenverfolgung analysiert. Glas konstatiert eine zielgerichtet gegen die Christen gerichtete Politik Valerians, die das Ziel gehabt habe, die innerkirchlichen Strukturen zu zerschlagen.
Vielleicht besser im Anschluss an den ereignisgeschichtlichen Teil wäre das Kapitel über das Krisenjahr 260 (319-341) zu platzieren gewesen. Glas betrachtet hierin die Darstellung der griechisch-römischen und der neupersischen Quellen sowie die Reaktionen im Reich in Form der kurz danach erfolgenden Usurpationen.
In ihrem Gesamturteil über die Politik Valerians (342-349) stellt Glas fest, dass es sich bei Valerian nicht um einen unfähigen und erfolglosen Herrscher gehandelt habe, sondern sein Scheitern in der konkreten unvorhersehbaren Situation seiner Gefangennahme bedingt sei.
Im Anschluss folgen die üblichen Anhänge (350-410): Zeittafel, Abkürzungsverzeichnis, Abbildungsverzeichnis, Literaturverzeichnis und Register, die alle, soweit sich dies nachprüfen ließ, zuverlässig und sorgfältig gearbeitet sind.
Auf eine Fehlstelle (die der Rezensent auch im Rahmen der Besprechung Geigers diskutiert hat) sei hier noch eingegangen: Glas behandelt die im Codex Iustinianus erhaltenen Gesetze nur kurz 260-261 als Elemente der kaiserlichen Repräsentation, geht aber ansonsten nicht näher auf sie ein. Christian Körner stellt hierzu in seiner Rezension (siehe Anm. 8) fest: "Sehr unbefriedigend ist die Behandlung der 89 im Codex Iustinianus überlieferten Reskripte des Valerian und Gallienus" und beklagt, dass deren Inhalte nicht systematisch analysiert werden. Der Rezensent kann diese Entscheidung dagegen nur befürworten. Angesichts der Schwierigkeiten, die mit der Interpretation antiker Gesetzestexte verbunden sind, hätten die beiden möglichen Optionen darin bestanden, entweder die Gesetzgebung in der notwendigen Ausführlichkeit zu analysieren, was angesichts der Menge des Materials im Endeffekt eine eigene Monografie bedeutet hätte, oder eine knappe Studie in einem eigenen Kapitel anzufügen, dessen Beitrag vermutlich trotz aller Kompetenz, die Glas beweist, ein wenig weiterführender wäre.
Einige Kleinigkeiten wären noch zu verbessern: Entgegen der verbreiteten Annahme war der Historiker Eutropius nicht magister memoriae (21) [2]; Orosius hat nicht über Eutropius hinaus die Enmannsche Kaisergeschichte benutzt (23); das Mehrkaisertum Diokletians geht eher auf das seines direkten Vorgängers Carus als auf das Valerians zurück (210) [3]; die Aussage "Georgius Cedrenus und die Byzantiner" (226) verwundert in doppelter Hinsicht, da zum einen auch Kedrenos ein byzantinischer Autor ist und zum anderen in der zugehörigen Anmerkung (226, Anm. 5) neben ihm nur noch Leon Grammatikos zitiert wird; der soeben genannte (Pseudo-)Leon Grammatikos wäre nicht nach der veralteten Ausgabe Bekkers, sondern nach der neueren Wahlgrens (Symeonis magistri et Logothetae chronicon, Berlin 2006) zu zitieren gewesen; das 323 angeführte Zitat Drinkwaters bleibt unbelegt [4]; die Kurztitel "Pugliese Carratelli (1951)" (15) und "Gilliam 1986" (379) werden nicht aufgelöst. [5] Die Zahl der Druckfehler hält sich in engen Grenzen. [6] Auch im Literaturverzeichnis lässt sich nicht viel ergänzen. [7]
Zusammengefasst: Glas legt ein kompetentes, lesbares und sorgfältiges Buch vor, das als Standardwerk für Kaiser Valerian gelten kann und die ein Jahr zuvor erschienene Gallienusbiografie Geigers nicht (in Teilen) ersetzt, sondern vielmehr gewinnbringend ergänzt. Man merkt dem Werk auf jeder Seite an, dass hier neben den Fähigkeiten der Autorin auch die Unterstützung durch wichtige Erforscher des dritten Jahrhunderts (vor allem Erich Kettenhofen und Udo Hartmann) eingeflossen ist. [8]
Anmerkungen:
[1] Im voraussichtlich um die Jahreswende erscheinenden Band des Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte 64 (2014). Dort findet sich auch eine ausführlichere Einführung in den Forschungsstand und die Literatur der letzten Jahre.
[2] Dazu Richard W. Burgess: Eutropius v.c. magister memoriae?, in: Classical Philology 96 (2001), 76-81 (= Chronicles, consuls, and coins, Farnham 2011, Nr. VIII).
[3] Darüber handelt ausführlich Klaus Altmayer: Die Herrschaft des Carus, Carinus und Numerianus als Vorläufer der Tetrarchie, Stuttgart 2014, insbesondere 185-206. Dass natürlich das System des Carus im Endeffekt auf das Valerians zurückgehen dürfte, worauf auch Altmayer hinweist (205), ist aber natürlich nicht zu bestreiten.
[4] Hierbei handelt es sich um seinen (von Glas auch erfassten) Aufsatz The catastrophe of 260, in: Rivista storica dell'antichità 19 (1989), 123-135; das Zitat findet sich 124.
[5] Bei Gilliam handelt es sich um seinen Schriftenband Roman army papers, Amsterdam 1986; der andere Kurztitel meint wohl die Monografie Giovanni Pugliese Carratelli: L'età di Valeriano e di Gallieno, Pisa 1951, die in deutschen Bibliotheken nicht vorhanden zu sein scheint.
[6] Zu finden war lediglich: "Aemilanus" (104, kurz vor Anm. 69); "widerum" (169, erste Zeile); "Aghatias" (172, Überschrift des Unterkapitels und 175, neunte Zeile); "Tetrachenzeit" (173, kurz vor Anm. 44); "Diese, ... Strafmaßnahmen," (272, statt richtig "Diese ... Strafmaßnahmen"); "Kerseztes" (281, Anm. 76, statt richtig "Keresztes"); "Postums" (321, im Eutropiuszitat). Zudem wird im Literaturverzeichnis (376) ein Titel Drinkwaters doppelt angeführt.
[7] Am ehesten noch die Forschungen von Beatrice Girotti: Nota su Valeriano e la Kaisergeschichte di Enmann, in: Rivista storica dell'antichità 31 (2001), 261-272; Valeriano, ignobili servitute consenuit, in: Historiae Augustae Colloquium Barcinonense, hgg. v. Giorgio Bonamente / Marc Mayer, Bari 2005, 195-216. Für einige 2013 und 2014 erschienene (und somit von Glas nicht mehr verwendbare) Beiträge siehe die Anm. 1 genannte Rezension.
[8] Siehe auch bereits die Rezension von Christian Körner, in: H-Soz-Kult 5. Mai 2014 (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2014-2-087).
Raphael Brendel