Eberhard Holtz (Bearb.): Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken der Tschechischen Republik (= Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440-1493) nach Archiven und Bibliotheken geordnet; Heft 26), Wien: Böhlau 2012, 464 S., ISBN 978-3-205-78852-2, EUR 79,00
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Erneut wurde ein Regestenband zu Friedrich III. vorgelegt, der eine weitere Lücke in der Erfassung der äußerst umfangreichen Urkundenüberlieferung dieses Herrschers schließt. Der von Eberhard Holtz bearbeitete Band umfasst die stolze Zahl von 820 Regesten aus zwei Dutzend tschechischen Archiven, vornehmlich aus dem Mährischen Landesarchiv zu Brünn, dem Wittingauer Gebietsarchiv, dem Nationalarchiv Prag (Národní archiv), dem Prager Archiv des Nationalmuseums und dem Bezirksarchiv von Eger. Ergänzt wird der Regestenteil durch einen nützlichen Überblick über die komplizierte Archivlage, der nicht-tschechischen Forschern sicherlich willkommen ist. Auch das ausführliche Literatur- und Quellenverzeichnis bzw. das Orts- und Personenregister sei hervorgehoben ebenso wie die gründliche Beschreibung der äußeren Urkundenmerkmale.
Böhmen und Mähren bildeten als europäische Schlüssellandschaft eine wichtige Konstante in der Herrschaft Friedrichs III., dessen politisches Blickfeld sich keineswegs allein auf das Binnenreich oder die Erblande beschränkte. Nicht persönliche Inaktivität, sondern die Notwendigkeit, die eigene Herrschaftsbasis in der Steiermark gegen Feinde aus Ungarn, den Erblanden und Böhmen zu behaupten, war der Hauptgrund dafür, dass der Habsburger über Jahrzehnte hinweg nicht ins Reich zog. Innererbländische Rivalitäten mit den Grafen von Cilli, dynastieinterne Streitigkeiten, Auseinandersetzungen mit den Hunyaden und die Schachzüge Georgs von Podiebrad führten dazu, dass sich Friedrich III. in einem faktischen Belagerungszustand befand, der ihm eine lange Abwesenheit von Wiener Neustadt, seiner Hauptresidenz, nicht erlaubte. Das durch die Minderjährigkeit des Ladislaus Postumus verursachte Machtvakuum in den albertinisch-luxemburgischen Ländern zwang das Reichsoberhaupt, Partei im Streit zwischen den Utraquisten, die ab 1444 von Georg von Podiebrad angeführt wurden, und dem katholischen Lager, an dessen Spitze Ulrich von Rosenberg stand, zu nehmen. Um seine Stellung im Herzogtum Österreich und damit seine Position in den Erblanden zu sichern, suchte Friedrich in den 40er und am Anfang der 50er Jahre den ständigen Kontakt zu Ulrich und zu wichtigen katholischen Städten wie Znaim, später auch zur verpfändeten Reichsstadt Eger. Die Parteinahme erleichterte ihm die Fühlungnahme mit der Kurie, was sich indirekt günstig auf seine innerösterreichische Landeskirchenpolitik auswirkte.
Umgekehrt unterstrich sie den Wert des Habsburgers für die fürstlichen Anrainer Böhmens, welchen an einem übermächtigen böhmischen König nicht gelegen sein konnte. Georg von Podiebrad setzte nach dem Tod des Ladislaus Postumus alles daran, seine gefährdete Position dadurch zu überspielen, dass er sich in verschiedene Konfliktfelder (Kampf Albrechts VI. gegen Friedrich III., Krieg Ludwigs des Reichen gegen Albrecht Achilles) einmischte, ohne jedoch eindeutig Partei zu ergreifen. Dieses Gegeneinanderausspielen der Fürsten verschaffte ihm vorübergehend eine dominante Stellung im Reich, die ihn kurzfristig als Alternative zum absenten Reichsoberhaupt erscheinen ließ, dessen zeitweilige Machtlosigkeit sich im Regestenteil dieses Bands deutlich widerspiegelt. Erst die Beruhigung der Lage in Österreich ermöglichte es Friedrich III., gemeinsam mit der Kurie, Georg offen den Kampf anzusagen (Exkommunikation 1466). Dass Friedrich seinerseits Wladislaus II. unterstützte, damit nach dem Tod des Georg im Jahr 1471 ein Gegengewicht zu Matthias Corvinus aufgebaut werden konnte, zeugt von politischem Weitblick ebenso wie die Tatsache, dass er sich genau im selben Jahr - gleichsam wie in einer Flucht nach vorne - ins Binnenreich zur Mobilisierung seiner Anhänger in den Königslandschaften begab. Das Ziel dieses Vorhabens war, sich der übermächtig erscheinenden Feinde zu erwehren.
Der vorliegende Band bestätigt die sich erhärtende Sicht, dass der vielgescholtene "schlafende" Kaiser keineswegs im rein erbländischen, sondern stets auch im großen reichspolitisch-europäischen Rahmen handelte. Er ermuntert daher zu Forschungen in osteuropäischen Archiven, die weitere Aufschlüsse geben könnten.
Konstantin Moritz Langmaier