Eberhard Holtz (Bearb.): Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440-1493). Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken der deutschen Bundesländer Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein sowie der skandinavischen Länder (= Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440-1493) nach Archiven und Bibliotheken geordnet; Heft 31), Wien: Böhlau 2016, 310 S., ISBN 978-3-205-79419-6, EUR 40,00
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Eberhard Holtz (Bearb.): Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken der Tschechischen Republik, Wien: Böhlau 2012
Der Norden des römisch-deutschen Reichs gehörte zur Zeit Friedrichs III. (1440-1493) zu den herrschaftsfernen Regionen, was zur Folge hat, dass die Urkundenproduktion (408 Regesten) vergleichsweise bescheiden ausfällt. Gleichwohl stellte das Reichsoberhaupt eine wichtige Legitimations- und Rechtsinstanz dar. Mit einer Gesamtzahl von 235 Regesten nimmt das Archiv der Hansestadt Lübeck eine Vorrangstellung ein, gefolgt vom Staatsarchiv Hamburg (57), der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg (4), der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen (50) und dem Staatsarchiv Bremen (12). Die auf der Überlieferung im Landesarchiv Schleswig (18), im Reichsarchiv Stockholm (10), im Reichsarchiv Kopenhagen (18) und in anderen kleineren Archiven (insgesamt 4) basierenden Regesten verdeutlichen die Präferenzen des Kaisers und die Reichweite seines Handelns, selbst wenn Überlieferungszufälle wie die Vernichtung des Großteils der mittelalterlichen Aktenbestände des Hamburger Archivs während des großen Stadtbrandes vom Jahr 1842 oder die Auslagerung des Lübecker Archivs im Zweiten Weltkrieg den Blick auf die Streuung der Quellen etwas verzerren.
Dass zu Norwegen, Finnland und Island trotz guter Erschließung keine Friedrichurkunden zu existieren scheinen, verwundert kaum, lagen diese Räume doch gänzlich außerhalb des Horizonts kaiserlicher Interessen. Diese beschränkten sich hauptsächlich auf das Königreich Dänemark, welches die oben genannten Länder in Personalunion vereinte (Kalmarer Union). Von mangelnder Quantität auf eine untergeordnete Bedeutung diplomatischer Aktivitäten zu schließen, wäre freilich verfehlt: Vor allem die Konfrontation mit dem Herzog von Burgund (Neußer Krieg) und der Wunsch des dänischen Königs, die eigene Machtposition im Norden des Reiches auszubauen, führten in den 70er Jahren zu einer beträchtlichen Ausweitung der Kontakte zwischen Kaiser- und Königshof, bei der Albrecht Achilles von Brandenburg keine geringe Rolle spielte. Aufgrund enger verwandtschaftlicher Beziehungen zu den Wettinern ergab sich für Friedrich III. eine natürliche Distanz zu den Herzögen von Sachsen-Lauenburg. Vergleichbares gilt auch für die Bischöfe von Lübeck, Ratzeburg und Schleswig, die lediglich regionale Bedeutung hatten.
Als Nachrichtendistributoren und Parteigänger des Kaisers sind vor allem Lübeck, Hamburg und Bremen zu nennen. Waren die Grafen von Holstein und die Bremer Erzbischöfe rein äußerlich die Stadtherren von Hamburg beziehungsweise Bremen, galt Lübeck als "echte" Reichsstadt. Betrachtete Friedrich III. die erstgenannten Städte als dem Reiche zugehörig, beriefen sich diese auf die Unterstellung unter ihre formalen Stadtherren, um Reichshilfen und Reichstagsbesuche - schon wegen der Kosten für die Anreise - zu vermeiden. Die relative politische Ferne zum Kaiser erklärt, wieso Bremen und Hamburg hinter Lübeck rangierten, dem eindeutig der Vorrang gewährt wurde.
Intensiver diplomatischer Verkehr zwischen dem Kaiserhof und der Travestadt ist auch anderweitig belegt. [1] Als Reichsstadt unterstand sie einzig dem kaiserlichen Kammergericht, das im Norden sehr wohl eine präsente Größe war, was sich schon daran ablesen lässt, dass es in Vorgänge wie den Lüneburger Prälatenkrieg oder den sogenannten preußischen Prozess involviert wurde. Auch wenn die Verhältnisse vor Ort in der Regel aus habsburgischer Sicht eher sekundär einzustufen sind, zeigt der vorliegende Band dennoch, dass Lübeck für den Kaiser etwas Ähnliches wie das 'Nürnberg des Nordens' war: Hier ging es nicht nur darum, Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden und 'Reichstreue', sprich regelmäßige Steuerzahlungen (fast immer an Dritte), durch Privilegien und Rechte zu belohnen. Ebenso wichtig war es für ihn, Beziehungen zu unterhalten, die bei entsprechender Gelegenheit aktiviert werden konnten. Umgekehrt scheint auch Friedrich für Lübeck keine abstrakte Größe gewesen zu sein. Er konnte dort zwar keinen direkten Einfluss ausüben, aber durchaus seine Verbindungen zu anderen Reichsfürsten und Reichsständen zum Vorteil des Gemeinwesens spielen lassen. Für ihn allerdings dürfte weniger die machtpolitische Bedeutung der Reichsstadt im Vordergrund gestanden haben als die banale Tatsache, dass Lübeck - ähnlich wie andere Kommunen - als Kommunikationszentrum wirkte, das es sinnvoll zu nutzen galt. Es fungierte unter anderem als 'Tor' nach Skandinavien und ins Baltikum. Vor allem die Anbindung an den Ostseeraum scheint dadurch gewährleistet worden zu sein.
Die Feststellung, "dass das Interesse am Königtum dort am größten war, wo man am meisten auf den Herrscher angewiesen schien" (25), mag im Hinblick auf Lübeck gewiss richtig sein, greift aber zu kurz: Die Stadt stellte einen zweitrangigen, aber keineswegs unbedeutenden Faktor im politischen System Friedrichs dar, auf den im Bedarfsfall zurückgegriffen werden konnte. Betont der Herausgeber, dass die Hansestädte in ihrer Gesamtheit eine Einmischung des Herrschers in interne Belange nach Möglichkeit zu verhindern suchten, wird trotzdem erkennbar, dass diesem an einer Vernachlässigung des Nordens nicht gelegen war: Umfassende Informationen sowie ein dichtes Netz an Beziehungen bilden die unverzichtbare Grundlage für eine wirksame Diplomatie, besonders dann, wenn es an direkter Macht fehlt. Nicht eine größtmögliche Intensität der Kontakte, sondern die Abrufbarkeit von Loyalität war dabei das eigentliche Ziel des Reichsoberhaupts. Trotz großer räumlicher Distanz bestimmten Treue und Huld, Gabe und Gegengabe das Verhältnis - elementare Prinzipien mittelalterlicher Politik. Beides erklärt, wieso der Faden zu Lübeck in über 50 Jahren nicht abriss.
Friedrichs Vorgehensweise war weitsichtig: Mochten sich die entscheidenden Unternehmungen seiner Politik lange Zeit in Oberdeutschland und in den Erblanden abspielen, so dürften sich die Verbindungen zum Norden bei der Neutralisierung realer wie potenzieller politischer Gegner in dieser Region und dem Erwerb des burgundischen Erbes letztlich ausgezahlt haben. [2] Was Peripherie war oder nicht, kam letztlich auf die konkrete Situation im Machtspiel des Reiches an. Insofern ist dem Herausgeber zuzustimmen, wenn er das Heft als "außerordentliche Bereicherung" (25) betrachtet. Beachtet man, dass die für die Arbeit relevanten Archive und Bestände eine zum Teil recht wechselvolle Vorgeschichte haben, wird ein Werk vorgelegt, das durch gründliche Recherche, Hinweise auf Deperdita, hilfreiche Register und Verzeichnisse sowie durch eine nützliche Kommentierung besticht. Der Forschende, der sich mit den Beziehungen Friedrichs III. zum Norden des Reiches auseinandersetzt, wird den Band daher gerne zur Hand nehmen.
Anmerkungen:
[1] Gerhard Neumann: Simon Batz. Lübecker Syndikus und Humanist, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 58 (1978), S. 49-73; Ders: Erfahrungen und Erlebnisse Lübecker Syndici und Prokuratoren in Österreich zur Zeit Kaiser Friedrichs III. (1455-1470), in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 59 (1979), S. 29-62.
[2] Reg. F. III., 31, Nr. 297 (1474 Juli 1, Augsburg; Bündnis Friedrichs III. mit König Christian (I.) von Dänemark).
Konstantin Moritz Langmaier