Ina Mittelstädt: Wörlitz, Weimar, Muskau. Der Landschaftsgarten als Medium des Hochadels (1760-1840), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2015, 470 S., 16 Farb-, 40 s/w-Abb., ISBN 978-3-412-22481-3, EUR 69,90
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Gegenstand der Dresdener Dissertation ist es, den "Sinn historischer Gärten" bzw. Landschaftsgärten zu ergründen. (17) Weit über kunsthistorische Ansätze zu Ikonografie, Ikonologie und dem "Bedeutungssinn" (Panofsky) des Kunstwerks (Landschaftsgarten) hinaus, wird den betreffenden Anlagen hier eine Rolle in einem als final verstandenen Geschichtsprozess zugewiesen. So erkennt die Autorin in ihnen verblüffenderweise ein erheblich retardierendes Moment für den Fortschritt hin zu einer demokratischen und gerechten Gesellschaft. Diese Pointe des Buches, welche als erkenntnisleitende Grundhaltung die ganze Argumentation durchzieht, soll hiermit vorweggenommen werden. Im Zuge dieser Grundannahme lautet die Hauptthese der Arbeit, dass die Landschaftsgärten von ihren hochadeligen Schöpfern im Kern dazu gedacht waren, als Medium der Wahl die von ihnen vertretenen Herrschaftsentwürfe mehr oder weniger subtil zu propagieren und dadurch ihre jeweiligen Privilegien und ihren sozialen Rang zu sichern.
Die drei Abschnitte des Hauptteils behandeln, in der Reihenfolge der Entstehungszeit der Parks, den ausgewählten Fürsten und den von ihm angelegten Landschaftsgarten: Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau und den Wörlitzer Park, Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und den Ilmpark in Weimar sowie zuletzt Hermann von Pückler-Muskau und dessen Muskauer Park. Damit nimmt die Autorin drei der heute bekanntesten Landschaftsgärten in Deutschland in den Blick. Sie widmet jeweils ein biografisches Eingangskapitel der Erziehung und "Sozialisierung" der Protagonisten. Der große Wert, den sie auf die Schilderung der pädagogischen Behandlung legt, die den jungen Adeligen zuteilwurde, gründet im Versuch, die Ausformung ihres jeweiligen Selbst- und Herrschaftsverständnisses zu erklären. So habe etwa im Falle Pücklers die ihm schon als Kind erwiesene Ehrerbietung "eine Erziehung zu einem bescheidenen und höflichen Menschen behindert" (296). Hierauf folgt in jedem Hauptkapitel die Auseinandersetzung mit den Landschaftsgärten und ihrer spezifischen Gestaltung. Es soll eine "Sinngeschichte" (220) der drei Anlagen geliefert werden: Im Sinne der Autorin ist damit die Aufdeckung der ihnen vermeintlich zugrundeliegenden Intentionen und die Art und Weise ihrer Einschreibung in die Parks gemeint. Gezeigt werden soll, auf welche Weise die Fürsten versuchten, gewisse sie selbst, ihre Herrschaft bzw. ihren Stand legitimierende Botschaften gärtnerisch darzustellen. Schließlich wird jeweils in einem dritten Schritt auf die Gärten betreffende "Rezeptionslinien" eingegangen.
Gartenkünstlerische Elemente und Ensembles werden jedoch leider nur beiläufig und oberflächlich thematisiert, die 56 im Buch enthaltenen Abbildungen spielen innerhalb der Argumentation kaum eine Rolle. Spezifische Entstehungsgeschichte und beteiligte Landschaftsgärtner werden, wenn überhaupt, nur kursorisch abgehandelt. Dies mag auch an methodischen Ungenauigkeiten liegen. Die Autorin gibt an, "Zugang und Erkenntnisziel" seien "literaturwissenschaftlich geprägt. Im Zentrum steht die Interpretation von Texten bzw. von bildsprachlichen Dokumenten" (31). Eine derartige Vorgabe muss allerdings verwundern, möchte die Studie doch Aussagen zu den Gärten und den mit ihnen verbundenen Intentionen ihrer adeligen Schöpfer treffen und nicht etwa die literarische Verarbeitung oder Repräsentation der Gartenlandschaften untersuchen.
Dementsprechend problematisch fällt auch der Umgang mit den Quellen aus. Eine derart forsch vertretene These verlangt zwangsläufig nach starker Quellenfundierung und stringenter Beweiskette. Beides sucht man hier allerdings vergeblich. Mittelstädt beklagt ein "weitgehende[s] Fehlen unmittelbar aussagekräftiger Quellen" (27) für ihren Thesenkomplex. Sie greift auf die Korrespondenz ihrer Protagonisten zurück. Daneben bilden hauptsächlich literarische und publizistische Texte die Quellengrundlage für die Ausführungen zur Wirkungsgeschichte der Gärten. Ob die vorliegenden Quellen allerdings ausreichend ernst genommen werden, wenn Mittelstädt in ihrer Einleitung vorausschickt, die Gärten seien "nicht in dem hier umrissenen Sinn aufgefasst" worden (46), darf bezweifelt werden. So muss die Autorin konzedieren, dass sich keine Zeugnisse der Rezeption auffinden lassen, die sich auf den (von ihr herausgearbeiteten) ikonisch verschlüsselten Gehalt des Wörlitzer Parks beziehen. Der Ilmpark besäße "kaum noch eigene Botschaften" (261), hier sei der Verzicht auf traditionelle ikonografische Selbstinszenierung die Botschaft; Carl August sei mithilfe seines Parks als "guter Fürst" wahrgenommen worden. Die nötigen zeitgenössischen Belege bleibt Mittelstädt aber weitgehend schuldig. Pücklers Muskauer Park "funktionierte" demnach ähnlich wie Wörlitz und Weimar als "Medium" zum Zwecke der Privilegiensicherung. Auf eine genauere Betrachtung des Parks verzichtet die Studie allerdings, da diese "kaum Erkenntnisse über seinen Sinn erbringen" könne (287).
Angemerkt werden muss daneben noch die Frage der Vergleichbarkeit der drei untersuchten Akteure und ihre Subsumierung unter die Rubrik Hochadel. Waren Franz von Anhalt-Dessau und Carl August von Weimar Reichsfürsten aus bedeutenden Großdynastien (Askanier / Wettiner), so war Pückler ein politisch völlig unbedeutender Graf und "Standesherr", der erst 1822 den Fürstentitel erhielt.
Fraglos spekulierten die Initiatoren der Landschaftsgärten auf positive Rückkopplungseffekte und legitimatorische Wirkungen. So hat etwa Adrian von Buttlar die romantisch-konservativen Konzeptionen Pücklers im Zusammenhang mit dem Muskauer Park betont. [1] Maiken Umbach arbeitete die verschiedenen Bedeutungsebenen und (politischen) Deutungsangebote der Wörlitzer Anlagen heraus. [2] Doch wer sich, wie es in vorliegender Studie versucht wird, eine derart fundamentale Entschlüsselung oder gar Entlarvung des historischen Phänomens "Landschaftsgarten" vornimmt, sollte seinen Gegenstand auch von mehr als einer Seite beleuchten. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass bei einer Untersuchung des Mediums Landschaftsgarten zumindest erwogen werden könnte, dass auch hier zu einem gewissen Teil das Medium selbst die Botschaft zu sein vermochte. Dass die Medienmacher neben dem plumpen Machterhalt auch noch andere Motivationen mit der Anlage von Landschaftsgärten verbanden, man denke beispielsweise an die florierende Naturempfindsamkeit oder ästhetische Bildungskonzepte, scheint Mittelstädt keine größeren Erwägungen wert zu sein. Ob die Autorin dann letztendlich die Gärten nicht doch etwas überschätzt und sich ihnen mit einem ahistorischen und anachronistischen Blickwinkel zuwendet, wenn sie aus ihren Überlegungen schlussfolgert, sie hätten dazu beigetragen, "eine gerechte Gesellschaft mit Chancen für Menschen wie mich zu verhindern" (409), soll dementsprechend anheimgestellt werden.
Anmerkungen:
[1] Adrian von Buttlar: Der Landschaftsgarten, München 1980, 195-203.
[2] Maiken Umbach: Federalism and Enlightenment in Germany, 1740-1806, London 2000.
Martin Keßler