Franz Schön / Dietrich Scholze (Hgg.): Sorbisches Kulturlexikon, Bautzen: Domowina-Verlag 2014, 579 S., ISBN 978-3-7420-2229-5, EUR 49,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Mit dem Sorbischen Kulturlexikon liegt zum ersten Mal in der Geschichte der fach- und populärwissenschaftlichen Literatur über die sorbische Kultur im weitesten Sinne nun ein interdisziplinäres Nachschlagewerk vor. "Interdisziplinär" ist dieses Lexikon, da es mit seinen 230 Stichpunkten Beiträge zur Geschichte, Sprache und Kultur (unter anderem zur Literatur, Musik und bildenden Kunst, aber auch zur Religion und zum Brauchtum) der einzigen autochthonen slawischen Minderheit in Deutschland vereint. Es soll, so einleitend seine Herausgeber, "den gegenwärtigen Wissensstand zur Kultur, Geschichte und Sprache der Lausitzer Sorben (Wenden) systematisch" (7) darstellen. In dieser Hinsicht übertrifft es auch bei Weitem die bisherigen Versuche zusammenhängender Darstellungen zu Aspekten der sorbischen Kultur. So ist das 1989 von einem Autorenkollektiv um Manfred Thiemann herausgegebene Handbuch Sorben/Serbja [1] stark DDR-staatssozialistisch eingefärbt und bietet nur eine sehr geringe Anzahl an Stichworten. Andere spezifische Lexika hingegen richten sich lediglich an ein fachlich vorgebildetes und sorbischsprachiges Publikum. [2]
Unter den 83 Autorinnen und Autoren des neu erschienenen Kompendiums finden sich namhafte Sorabist/inn/en und Slawist/inn/en, aber auch Wissenschaftler/innen anderer Disziplinen, Journalist/inn/en und Personen des öffentlichen sorbischen Lebens. Insgesamt nahm die Arbeit an dem Werk ein Jahrzehnt in Anspruch. Entstanden ist ein sehr ansprechendes, einladendes und informatives Lexikon, das nicht zu Unrecht in sorbischen und regionalen deutschen Medien lobende Erwähnung fand. Zu fast jedem Stichwort findet der Leser Abbildungen, darunter neben Fotografien auch solche von historischen oder eigens für das Lexikon erstellten Landkarten. Zudem sind Schriftstücke unterschiedlicher Art, Plakate und auch Titelseiten oder Einbände von Büchern dargestellt.
Die Artikel sind leicht verständlich geschrieben. Wenn Fachterminologie verwendet wird, geschieht dies für gewöhnlich unter Verweis auf einen den entsprechenden Terminus erklärenden Eintrag. Zudem schließen sich den einzelnen Einträgen Verweise auf vertiefende Literatur an. Dies korreliert ganz offensichtlich mit der Maßgabe der Herausgeber, dass "das in unzähligen Fachpublikationen verstreute Wissen über die Sorben den Lesern auf anschauliche und verständliche Art [dargeboten] und zur weiteren Beschäftigung" angeregt werden soll (7).
Den Lexikonartikeln schließen sich ein Personenregister, ein Ortsregister und ein Stichwortverzeichnis an. Dies ermöglicht eine Suche nach entsprechenden Kriterien. So wird beispielsweise ein mit der sorbischen Geschichte nur wenig vertrauter Nutzer des Lexikons, der vom Texas Wendish Heritage Museum in der Gemeinde Serbin gehört hat und im Ortsregister nach eben diesem Ort sucht, auf einen Artikel zur Auswanderung verwiesen und kann sich in diesem über die ihn interessierenden Hintergründe informieren. Außerdem findet er Hinweise auf vertiefende Literatur. Das Ortsregister zeichnet sich zudem dadurch aus, dass es bei sorbischen Ortsnamen konsequent zweisprachig gehalten ist, wobei der deutsche Name dem sorbischen vorangeht. Dies ist für den deutschen Nutzer, an den sich das Lexikon vorrangig richtet, vorteilhaft. Eine Suche anhand sorbischer Ortsnamen ist hingegen nicht vorgesehen.
Anders verhält es sich mit dem Personenregister. Dort ist bei fast allen Personen mit sorbischem Hintergrund die sorbische Namenvariante der deutschen vorangestellt. Dies könnte dem des Sorbischen unkundigen Leser in Fällen, wo der deutsche Name lautlich und orthografisch erheblich vom sorbischen abweicht, zusätzlichen Aufwand bereiten.
Das Stichwortverzeichnis schließlich ist im Wesentlichen eine Auflistung der im Lexikon ohnehin in alphabetischer Reihenfolge erscheinenden Lemmata. Nur 17 zusätzliche Stichwörter sind verzeichnet, bei denen auf die relevanten Einträge verwiesen wird. Hier hätte man sicher noch mehr auf die Bedürfnisse der "interessierten deutschsprachigen Öffentlichkeit" (8) eingehen können, der ja durch das Lexikon überhaupt erst fehlende Kenntnisse vermittelt werden sollen. So wäre es sicher nützlich, wenn man im Stichwortverzeichnis einen Eintrag "Zampern" mit Verweis auf den Artikel "Fastnacht" (119) hätte. Auch könnte ein Leser an traditionellen Bauweisen wie dem Blockbau oder Umgebindebau interessiert sein, hätte aber möglicherweise Schwierigkeiten, das zugehörige Lemma "Volksbauweise" zu finden. Die Kenntnis entsprechender Zusammenhänge wird somit bisweilen beim Leser vorausgesetzt.
Das Sorbische Kulturlexikon kann zum einen als Nachschlagewerk genutzt werden, konkurriert hierbei aber auch mit den Möglichkeiten, die das Internet der Öffentlichkeit bietet. Allerdings sind die Informationen im Buch wissenschaftlich qualifiziert und auch komprimiert sowie in wohl proportionierter Weise übersichtsartig dargestellt. Zum anderen kann das Lexikon als themenbezogene Lektüre dienen, das heißt ein beispielsweise an Literaturgeschichte interessierter Leser kann sich einen Eindruck von der historischen Entwicklung der sorbischen Literatur machen und dabei auch Einblick nehmen in angrenzende Themengebiete, wie das sorbische "Verlagswesen", die "Jungsorbische Bewegung" oder die "Zweisprachigkeit". Sogar Sorabist/inn/en kann es, wie der Rezensent im Laufe seiner Beschäftigung mit dem Lexikon feststellen durfte, als praktisches Handbuch und als anregende Lektüre dienen.
Anmerkungen:
[1] Manfred Thiemann (Hg.): Sorben/Serbja. Ein kleines Lexikon, Bautzen 1989.
[2] So Jan Šolta u.a. (Hg.): Nowy biografiski słownik k stawiznam a kulturje Serbow, Budyšin 1984, eine umfangreiche Sammlung von Biografien für die sorbische Kultur relevanter Persönlichkeiten.
Till Vogt