Renger de Bruin / Cornelis van der Haven / Lotte Jensen et al. (eds.): Performances of Peace. Utrecht 1713, Leiden / Boston: Brill 2015, XV + 288 S., 18 s/w-Abb., ISBN 978-90-04-30477-2, EUR 115,00
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Ulrich Nagel: Zwischen Dynastie und Staatsräson. Die habsburgischen Botschafter in Wien und Madrid am Beginn des Dreißigjährigen Krieges, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2018
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Friede wird nicht nur geschlossen, sondern auch inszeniert und vermittelt. Es ist darum nicht nur die konkrete politische und historische Bedeutung, die das Urteil von Zeitgenossen und späteren Generationen prägt, sondern auch die unmittelbare und langfristige Darstellung. In dieser Hinsicht haben die Friedensschlüsse des Spanischen Erbfolgekrieges einen schwierigen Stand. Obwohl sie mit der Beendigung eines langjährigen verlustreichen Krieges von globalen Ausmaßen, mit der Zerschlagung des spanischen Großreiches, der Durchsetzung politischer Balance und der bis heute bestehenden Etablierung der Bourbonen als spanischer Königsdynastie eine einschlägige europäische Bedeutung haben, sind sie im kollektiven Bewusstsein weniger präsent als zum Beispiel der Westfälische Frieden. Das mag auch daran liegen, dass der Spanische Erbfolgekrieg über zwei Jahre hinweg von 1713 bis 1714 an drei verschiedenen Orten, Utrecht, Rastatt und Baden im Aargau, beendet wurde. Das Gedenken ist regional, national und zeitlich zergliedert. Dem können sich Historiker nicht entziehen, auch wenn sie anlässlich der verschiedenen Veranstaltungen und Publikationen zum 300-jährigen Gedenken immer den ganzen Krieg und den Frieden als Gesamtwerk im Blick behalten wie eben die 15 englischsprachigen Beiträge niederländischer, britischer, französischer, deutscher und amerikanischer Wissenschaftler, die hier unter dem Leitmotiv des Utrechter Friedens versammelt sind. Dieser stellte nicht nur den Auftakt der Friedensschlüsse dar, sondern legte bereits die wesentlichen Punkte fest, denen der Kaiser und das Heilige Römische Reich dann in sukzessiven Nachverhandlungen zustimmten.
Das zergliederte Gedenken hat sich als Chance erwiesen, den Frieden unter unterschiedlichen Perspektiven und innovativen Fragestellungen - wie eben hier der nach den Darstellungsformen des Friedenschließens unter diplomatie-, literatur- und kulturhistorischen Aspekten - zu betrachten, die im gemeinsamen Gedenken kaum alle angemessen hätten berücksichtigt werden können. Die Beiträge sind in vier Teile gegliedert, welche die verschiedenen "Bühnen" der Darstellung exemplarisch in den Blick nehmen: die diplomatische Ebene, die Öffentlichkeit, die Schaubühne und schließlich das Gedenken. Der letzte Teil ist mit nur zwei Beiträgen knapp geraten, vielleicht gerade deshalb, weil dieser Friede im Gedächtnis der Nachwelt marginalisiert wurde. Jane O. Newman und Renger E. de Bruin thematisieren vor allem das Gedenken von 2013, und der Westfälische Friede ist dabei stets die Vergleichsfolie einer ganz anderen Erinnerungskultur, die Newman dezidiert untersucht. Dabei stellt sie fest, wie das 350-jährige Gedenken von 1998 diesen Frieden noch einmal auf eine neue Stufe des kollektiven Bewusstseins gehoben und ihn - mit allen damit verbundenen Chancen und Risiken - gleichsam neu erfunden hat. Die Möglichkeiten, des Friedens von Utrecht und seiner Folgefrieden zu gedenken, waren dagegen beschränkter. Bruin beleuchtet in einem bemerkenswerten Überblick das Gedenken zwischen 2013 und 2015, in das er in verschiedener Weise involviert war, und überschreitet die Grenze vom Historiker zum Zeitzeugen: In seiner persönlichen Erinnerung an das Erinnern des Friedens setzt Bruin die Vorbereitungen der Jubiläumsveranstaltungen in Beziehung zu aktuellen Ereignissen und liefert erhellende Einblicke, welchen äußeren und durchaus auch subjektiven Umständen der Historiker in der Ausgestaltung der Erinnerungskultur unterliegt.
Die zeitgenössische Darstellung des Friedens war, entsprechend der Bedeutung des Spanischen Erbfolgekrieges in dieser Epoche und der Vielzahl seiner Akteure, vielfältig. Die Diplomatie, welche Linda und Marsha Frey in ihren Grundzügen vorstellen, hatte sich im siebten Jahrzehnt nach dem Westfälischen Friedenskongress zu einem gemeinsamen kulturellen Rahmen ausgebildet, der durch die Prägekraft der höfischen Kultur unter Ludwig XIV. weiter homogenisiert worden war. Das erleichterte die Verhandlungen, die ganz unterschiedliche Interessen und Aktionsmuster zusammenbringen mussten, wie exemplarisch an der globalen Dimension der Verhandlungen (Lucien Bély), an der wechselhaften Politik und problematischen politischen Identität Savoyens (Phil McCluskey) und an der Bedeutung der Angst vor einer Universalmonarchie im niederländischen Diskurs (David Onnekink) deutlich wird. Die öffentliche und theatralische Darstellung des Friedens war aber nicht nur aufgrund der Vielfalt der Akteure und ihrer Interessen, sondern auch dank des Reichtums der Darstellungsformen und der Festkultur im frühen 18. Jahrhundert mannigfaltig. Flüchtige Formen, die mit dem Frieden die Akteure und ihre Herrschaft inszenierten und feierten und so einen eher kurzfristigen Eindruck hinterließen, standen neben jenen, die auf ein längerfristiges Erinnern hin angelegt waren. Angesichts der globalen Verflechtung des Krieges endete die Darstellung zudem nicht an den Grenzen Europas wie der Beitrag von Aaron Alejandro Olivas über Propaganda im spanischen Amerika zeigt. Die Beiträge bieten diverse Beispiele der Friedensdarstellungen, die neben der breit vertretenen literarischen Umsetzung ganz unterschiedliche Phänomene wie den Dankgottesdienst (Julie Farguson) oder Feuerwerk (Willem Frijhoff) umfassten. Die verschiedenen internen und öffentlichen Inszenierungen machten Europa als eine handelnde Gemeinschaft und einen Interessenraum in diesem Krieg und in seinen Friedensschlüssen sichtbar. Sie trugen zu einer Herausbildung und einem Bewusstsein von Europa bei, das über die Erinnerung an diesen Krieg und seine Friedensschlüsse andauerte und bis heute mit ihnen verbunden wird. Der Sammelband eröffnet so ein interessantes Spektrum zur Bedeutung von Inszenierung in der Geschichte, auch wenn nicht alle Beiträge dies in gleicher Weise auf der Basis neuer Forschungen tun.
Anuschka Tischer