Matthias Steinhart (Hg.): Griechische Inschriften als Zeugnisse der Kulturgeschichte. Griechisch-deutsch (= Sammlung Tusculum), Berlin: De Gruyter 2017, 188 S., 67 s/w-Abb., ISBN 978-3-11-055324-6, EUR 29,95
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65 antike griechische Inschriften aus der Zeit vom 8. Jahrhundert v. Chr. bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. und eine aus der Renaissance hat der Würzburger Archäologe Matthias Steinhart in dem 188 Seiten starken Bändchen versammelt, das in der Sammlung Tusculum eine Sonderstellung einnimmt: Nicht etwa literarische, nur dank der mittelalterlichen Textüberlieferung erhaltene Werke, die sonst im Zentrum der Buchreihe stehen, werden hier präsentiert, sondern authentische epigraphische Dokumente aus der Antike.
Auf eine klug auf das Wesentliche reduzierte, gut lesbare Einleitung folgen 65 Abschnitte zu einzelnen Inschriften. Nach einer modernen, bewusst neugierig machenden Überschrift (etwa "Der philosophische Schuster", "Herr und Hund") folgen eine kurze Beschreibung des Schriftträgers (Material, Datierung, Maße, Fundort, wo möglich Bewahrort), fast immer eine Umzeichnung, der griechische Text (der oft nur wenige Worte umfasst), eine deutsche Übersetzung und ein Kommentar, der das Besondere der Inschrift erläutert. Den Band beschließen eine ausführliche, nicht besonders übersichtliche Bibliographie, Abbildungsnachweise und ein "Register", das allerdings ausschließlich Bewahrorte verzeichnet. Auf eine Konkordanz zu anderen Publikationen und auf ein Sachregister, wie es zur Erschließung von Inschriften als Zeugnissen für die Kulturgeschichte besonders hilfreich gewesen wäre, wurde trotz reichlich Leerseiten am Schluss des Buches leider verzichtet.
Die Anordnung der 65 präsentierten Inschriften ist grob chronologisch: Drei Zeugnisse stehen für die Anfänge der Schriftkultur, jeweils mehrere sodann aus der Archaischen Zeit für Lebenswelten, Kunst und Handwerk, die Kultur des Jenseits, Weihgeschenke und Text im Bild. Dieselben Rubriken werden anschließend auch in den Abschnitten zur Klassik, zum Hellenismus und (bis auf Text im Bild) für Kaiserzeit und Spätantike zur Gliederung verwendet und ermöglichen so, den Band auch gezielt zum Finden von Beispielen für die genannten Rubriken von der Archaik bis zur Spätantike zu nutzen. Nicht nur viel beachtete Inschriften wie die Dipylon-Kanne (bei der sich im griechischen Text ein Fehler findet) und der sog. Nestor-Becher aus dem 8. Jahrhundert v. Chr., die Schulszene auf der Duris-Schale aus dem frühen 5. Jahrhundert, die Graffiti aus dem Gymnasium von Priene (die in Umzeichnung präsentiert, aber in nachvollziehbarer Weise nicht transkribiert und nicht übersetzt werden) oder die Bibliotheksvorschriften aus dem Athen des 1. Jahrhunderts v. Chr. werden in dem Band präsentiert, sondern auch Inschriften auf Bleitäfelchen, einem Löffel oder einem Mosaik, Künstlersignaturen auf Keramik und Marmor und zuletzt eine um 1480 geprägte Medaille eines Künstlers, der sich Lysippos der Jüngere nannte und exemplarisch belegt, wie antike Kunst und Kultur in der Neuzeit aufgenommen wurden.
Der Band ist eine wunderbare Fundgrube für die Kulturgeschichte der griechischsprachigen Antike. Gerade weil er nicht nur oft diskutierte Texte behandelt, sondern mit einem besonderen Blick auf die Kultur- und Kunstgeschichte auch selten beachtete Zeugnisse präsentiert, sei er allen, die sich für Zeugnisse der antiken Kultur interessieren, nachdrücklich empfohlen.
Kai Brodersen