Banafsheh Keynoush: Saudi Arabia and Iran. Friends or Foes?, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2016, xi + 277 S., ISBN 978-1-137-57627-9, EUR 96,29
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Ein Rückschluss aufgrund des Buchtitels könnte sein, dass es sich hier um eine Studie zum ideologisch-machtpolitisch aufgeladenen Konflikt zwischen den wohl einflussreichsten Akteuren im Nahen Osten handelt, Saudi-Arabien und Iran. Zwar ist unbestritten, dass beide Akteure den gegenwärtigen Syrienkonflikt nicht nur als militärischen Sieg im erbitterten Ringen um Vorherrschaft im Nahen Osten für sich entscheiden und die politische Neuausrichtung Syriens in der nach-Assad-Ära mitbestimmen möchten, sondern diese machtpolitischen Ambitionen auch von zwei konkurrierenden religiös-ideologischen Interpretationen mit Allgemeinvertretungsanspruch unterlegt und befeuert werden.
Allerdings ist Keynoushs Studie weniger eine Ausleuchtung und Analyse der ideologischen Hintergründe, sondern in erster Linie eine detaillierte historisch-deskriptive Darstellung prägender Faktoren des saudisch-iranischen Verhältnisses im 20. Jahrhundert. Keynoush bezieht dabei gleichermaßen Faktoren mit ein, die sich aus den geopolitischen Gegebenheiten und politischen Entwicklungen innerhalb der Region ergeben wie auch die Außenpolitik westlicher Staaten, die auf die Region nachhaltigen Einfluss ausübte.
Die Verfasserin griff für die Erarbeitung ihrer Darstellung nicht nur auf bereits veröffentlichte Monografien zur Golfregion zurück, sondern führte teils persönlich, teils per Telefon rund 50 Interviews mit hochrangigen Gesprächspartnern. Keynoush, die in den USA forscht und als Politikberaterin tätig ist und im Jahr 2001 in New York für den damaligen iranischen Präsidenten Mohammad Khatami als Übersetzerin fungierte, erhielt mehrmals Gelegenheit zu Gesprächen mit Mahmoud Ahmadinejad sowie Entscheidungsträgern innerhalb der iranischen Politik. Anlässlich ihres Aufenthaltes als Visiting Fellow am King Faisal Center for Islamic Studies and Research in Saudi-Arabien, das anlässlich ihrer ʿumrah in Mekka als gastgebende Institution fungierte, erhielt sie auch Zugang zu verschiedenen Mitgliedern der politischen Entscheidungsebene der königlichen Familie Saudi-Arabiens.
Dieser Umstand verleiht der Studie nicht nur eine persönliche Note, sondern verweist auch hinsichtlich ihrer Methodik, sich neben der Sekundärliteratur empirisch auf eine begrenzte Zahl an Interviewpartnern aus dem politischen und religiösen Establishment in beiden Ländern zu stützen, auf den angelsächsischen Bereich. In Bezug auf die Methodik fällt ebenso die Quellenauswahl ins Auge, da die Bibliografie außer Sekundärliteratur in englischer Sprache an Primärquellen ausschließlich Veröffentlichungen in Farsi aufführt, jedoch keine arabischen Publikationen berücksichtigt.
Die Studie besteht aus vier Teilen mit jeweils mehreren Unterkapiteln. Teil 1 stellt eine Hinführung zur Thematik mit einer Übersicht über die Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Iran in der jüngeren Vergangenheit dar. Teil 2 nimmt das saudisch-iranische Verhältnis im 20. Jahrhundert bis zum Ausbruch der Iranischen Revolution 1979 in den Blick und Teil 3 ist auf die saudisch-iranischen Beziehungen unmittelbar nach der Revolution ausgerichtet. In Teil 4 wird, ausgehend vom Jahr 2001 und der Zäsur der terroristischen Angriffe auf das World Trade Center in New York, die unmittelbare Gegenwart in der Beziehung beider Großmächte am Golf ins Auge gefasst.
Alles in allem präsentiert die Autorin vorrangig Ereignisgeschichte, die sie vor dem Hintergrund etlicher Zitate und Meinungsäußerungen ihrer hochrangigen Gesprächspartner beleuchtet. Sie streift hier und da die Frage der Bedeutung der religiös-politischen Systeme und der ihnen zugrunde liegenden Ideologien für das Verhältnis beider Länder zueinander, misst aber diesem Aspekt insgesamt nur recht geringe Bedeutung bei. Sie bezeichnet die religiös-ideologische Rivalität bzw. den sunnitisch-schiitischen Konflikt nicht als eigentliche Konfliktursache der Region, auch wenn sie einräumt, dass die von beiden Seiten behauptete Führerschaft der islamischen Gemeinschaft durch ihre Verfestigung in politischen Systemen einen Wettbewerb bedinge, der ein Zurückweichen auf beiden Seiten unmöglich mache.
Keynoushs zentrale These lautet vielmehr, dass die anhaltende Konfliktlage am Golf Ergebnis langanhaltender regionaler Instabilitäten sei, die zu Rivalitäten zwischen beiden Nationen führten, diese Instabilitäten aber erst durch das Einwirken ausländischer Mächte in der Region hervorgerufen wurden. Als eigentlichen Verantwortlichen für das Streben nach Sicherheit beider Staaten, das sie letztlich gegeneinander positioniere, bezeichnet sie vorrangig die Nahostpolitik der USA. Daher sei es auch die Verantwortung der USA, so Keynoush, nun wiederum ein Machtgleichgewicht zwischen Saudi-Arabien und dem Iran herbeizuführen, da hiervon der Frieden in der Golfregion und darüber hinaus im gesamten Nahen Osten abhänge. Dementsprechend beurteilt die Verfasserin die verstärkt wahrnehmbare Ausrichtung geopolitischer Interessen der USA auf den pazifischen Raum sehr kritisch.
Damit beurteilt Keynoush die beiden Kontrahenten Saudi-Arabien und Iran in ihrer Beziehung weitaus weniger in erbitterten eigenen Konflikten gefangen als gemeinhin international diskutiert und verlagert die Verantwortung für die heutige Situation, aber auch die Erwartung der Entschärfung der gegenwärtigen Krise auf auswärtige Akteure, vorrangig die USA. Allerdings räumt die Autorin ein, dass politische Entscheidungen in beiden Ländern letztlich aufgrund ideologischer Vorfestlegungen und unter wirkmächtiger Interessenwahrnehmung des religiösen Establishments auf der Bühne der Politik getroffen werden und weniger aufgrund rationaler politischer Erwägungen.
Wer Keynoushs Studie zu Rate zieht, erhält Zugang zu zahlreichen Details des regionalen Kräftespiels wie außenpolitischer Entwicklungen, die im 20. Jahrhundert auf Saudi-Arabien und den Iran einwirkten und nach Auffassung der Autorin zugleich deren Beziehung wesentlich mitbestimmte. So ist die Studie vor allem Narrativ politischer Ereignisgeschichte und des unter diesen Bedingungen schwierig zu gestaltenden Verhältnisses zwischen beiden Großmächten der Region - wer sein Verständnis in Bezug auf diese Thematik vertiefen möchte, wird hier reich belohnt.
Christine Schirrmacher