Annette C. Cremer / Anette Baumann / Eva Bender (Hgg.): Prinzessinen unterwegs. Reisen fürstlicher Frauen in der Frühen Neuzeit (= bibliothek altes Reich (baR); Bd. 22), Berlin / Boston: De Gruyter Oldenbourg 2018, VIII + 301 S., 20 s/w-Abb., ISBN 978-3-11-047371-1, EUR 59,95
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Annette C. Cremer / Matthias Müller / Klaus Pietschmann (Hgg.): Fürst und Fürstin als Künstler. Herrschaftliches Künstlertum zwischen Habitus, Norm und Neigung, Berlin: Lukas Verlag 2018
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Reisen wurde lange Zeit als vorwiegend männlich besetztes Phänomen betrachtet. Dass innerhalb des frühneuzeitlichen Adels jedoch auch Frauen von Mobilität als eines ihrer Standesprivilegien Gebrauch machten, galt in der Forschung bisher als Randerscheinung. [1] Der vorliegende Band, der die Ergebnisse einer gleichnamigen Tagung versammelt, beleuchtet die Eigenständigkeit, Alltäglichkeit und Autonomie weiblich-fürstlicher Reiseaktivitäten und zeigt die Handlungsräume, die sich den Frauen dabei eröffneten und die manchmal auch erkämpft werden mussten. Im Vordergrund stehen Fragen nach den spezifischen Formen, Motiven und Modalitäten, die den weiblichen Reiseerfahrungen zugrunde lagen, wobei diese nicht mit dem Reiseverhalten ihrer männlichen Standesgenossen kontrastiert werden. Nach einer ausführlichen Einordnung und Charakterisierung des Untersuchungsgegenstands sowie einer präzisen inhaltlichen Darstellung der einzelnen Beiträge durch die Herausgeberinnen folgen 13 Fallbeispiele, die die Reisen hochadliger Frauen vom beginnenden 16. bis 19. Jahrhundert aus verschiedenen Perspektiven beleuchten.
In ihrer Skizzierung der Reisen Katharina von Medicis (1519-1589) im Zeitraum von 1533 bis 1589 verweist Caroline zum Kolk auf die mehrfach erwähnte Problematik der Quellengenerierung bei der Bearbeitung des Themenfeldes der weiblichen Mobilität und führt das aus der Auswertung von Briefen, Urkunden und Rechnungen rekonstruierte Itinerar als wertvollen Quellentypus an. Da das Itinerar der französischen Königin fünf Phasen ihrer Regierung umfasst, können strukturelle Besonderheiten und Veränderungen im Reiseverhalten über einen längeren Zeitraum und mehrere Lebensabschnitte hinweg nachvollzogen werden. Obgleich Paris zum bevorzugten Aufenthaltsort der Königin avancierte, verdeutlicht die rege Reisetätigkeit Katharina von Medicis nicht nur die Selbstverständlichkeit einer von häufigen Ortswechseln geprägten Lebensweise für eine französische Herrscherin des 16. Jahrhunderts, sondern lässt auch kaum Unterschiede zum Itinerar ihres Gatten Heinrich II. erkennen.
Während Katharina nahezu alle Provinzen des Königreichs bereiste, fanden die allsommerlichen Rundreisen Königin Elisabeths I. (1533-1603) von England nur in etwa die Hälfte aller Grafschaften ihres Reichs statt. Jutta Schwarzkopf (†) schildert, wie die Einhaltung eines spezifischen Zeremoniells bei den Besuchen Elisabeths I. in den Städten der Stabilisierung ihrer Herrschaft diente sowie zur Inszenierung der Königin als zugängliche Herrscherin beitrug. Das Aufeinandertreffen der Königin und ihrer Untertanen kann dabei als Dialog bezeichnet werden, in dem es sogar möglich war, Kritik an der Krone zu üben, solange der zeremonielle Rahmen sowie die in diesem zulässigen symbolischen Kommunikationsformen nicht verletzt wurden. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Königin ihre Reiseziele in Gegenden wählte, in denen ihr Königtum den größten Rückhalt hatte und wo es ihr möglich war, ihre religionspolitischen Interessen zu verfolgen.
Dass Reiseformen und -anlässe teils sehr unterschiedlich motiviert waren und der ihnen zugrunde liegende Grad an Freiwilligkeit nicht außer Acht gelassen werden darf, verdeutlicht der Aufsatz von Teresa Schröder-Stapper über Reisen von Äbtissinnen und Stiftsdamen. Am Beispiel der Herforder Äbtissin Charlotte Sophie von Kurland (1651-1728) zeigt sie, dass neben Erziehung und Ausbildung, Amtsverpflichtungen und Wallfahrten auch Flucht vor äußeren Bedrohungen oder durch eine unzureichende Versorgung ausgelösten Missständen die Ursachen für eine Reise sein konnten. Waren die Reisen hochadliger Frauen damit auch ähnlich begründet wie die ihrer männlichen Verwandten und entfalteten sie durch ihre repräsentative Ausgestaltung eine vergleichbare Wirkung nach außen, so blieben die Aktionsräume weiblicher Reisender, wie im Fall von Charlotte Sophie und anderer fürstlicher Frauen deutlich wird, häufig doch limitierter.
Das Beispiel der Herzogin Marie Friederike von Anhalt-Bernburg (1768-1839) weist auf die Probleme hin, die sich ergeben konnten, wenn der weibliche Wunsch nach Selbstbestimmung auf die Konventionen des sozialen Umfelds stieß. Katrin Gäde beschreibt das bewegte Leben einer Herzogin, deren nonkonformes Verhalten als Geisteskrankheit eingestuft wurde. Anhand erhaltener Korrespondenzen, Reiseberichte und medizinischer Gutachten können die Reisen Marie Friederikes, die sie unter anderem nach Italien und in die Schweiz führten, nachvollzogen werden. Zwar hatten diese Reisen vornehmlich das Ziel, zur Verbesserung des Gesundheitszustands der Herzogin beizutragen, jedoch nutzte diese die Genesungsfahrten auch als Möglichkeit, sich gewisse Freiräume zu verschaffen, worauf nicht nur ihre Reisegesellschaften mit Ablehnung und Unverständnis reagierten.
Eine in erster Linie geschlechtsspezifisch begründete Absicht der Reisevorhaben von Frauen führt Christina Vanja in ihrem Beitrag über die Badereisen von Fürstinnen im 18. und 19. Jahrhundert an. Die Bubenquelle in Bad Ems lockte etliche adlige sowie bürgerliche Frauen mit dem Versprechen, die Chancen auf eine Schwangerschaft zu erhöhen, an die Lahn. Neben der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth (1709-1758) und der Kurfürstin Maria Anna Sophie von Bayern (1728-1797) machten sich einige Jahrzehnte später auch die griechische Königin Amalie (1818-1875) sowie die Erbgroßherzogin Mathilde von Hessen-Darmstadt (1813-1862) auf den Weg in den Kurort, um sich den vermeintlich fruchtbarkeitssteigernden Anwendungen zu unterziehen. Obgleich sich bei keiner der Damen in der Folge das erhoffte Reiseergebnis einstellte, erfüllten die Kuraufenthalte andere Zwecke und eröffneten andere Handlungsräume. Die Fürstinnen vertraten und repräsentierten ihre Häuser vor Ort, suchten den Kontakt zu lokalen Würdenträgern und erweiterten ihren Wissenshorizont über die eigenen Landesgrenzen hinaus.
Die kurzweilige Lektüre auch der anderen Beiträge des Bandes, die an dieser Stelle leider nicht erwähnt werden können, wird durch eine Reihe sorgfältig ausgewählter und gut platzierter Abbildungen zusätzlich veranschaulicht. Zudem wurden die Routen der einzelnen Reiseunternehmen - wenn möglich - mithilfe von Karten visuell aufbereitet. Die jeweils zurückgelegten Distanzen und verschiedenen Reiseformen können somit auf einen Blick erfasst und einander gegenübergestellt werden. Auch wenn aufgrund der Fokussierung auf einen bestimmten Personenstand nur ein Teil der Reiseaktivitäten von Frauen in der Frühen Neuzeit abgedeckt werden kann, so wird der Band seiner Intention, "die breite Reisetätigkeit des weiblichen Hochadels in ihren vielfältigen Erscheinungsformen als Teil einer adlig-weiblichen Alltagskulturgeschichte" zu zeigen (33), in jeder Hinsicht gerecht.
Anmerkung:
[1] Vgl. Eva Bender: Die Prinzenreise. Bildungsaufenthalt und Kavalierstour im höfischen Kontext gegen Ende des 17. Jahrhunderts, Berlin 2011.
Sarah Zeitler