Stefania Salvadori: Inventar des Briefwechsels von Johann Valentin Andreae (1586 -1654) (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung; Bd. 55), Wiesbaden: Harrassowitz 2018, 573 S., ISBN 978-3-4471-0718-1, EUR 82,00
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Quellen sind der unersetzliche Ausgangspunkt für solide historische Forschungen. Selbst die beste Fragestellung kann nichts ausrichten, wenn es keine Quellen gibt, die eine Antwort geben können. Insofern ist jedes Hilfsmittel, das substanziell zur Quellenerschließung beiträgt, zu begrüßen. In der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel befindet sich der größte Teil des Nachlasses des vielseitig interessierten und engagierten Theologen Johann Valentin Andreae (1586-1654). Dazu zählen auch weit über 4000 Briefe, die nun erstmals in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt vollständig in einem Katalog von Stefania Salvadori bibliographisch erfasst wurden. Dadurch ist nun eine bessere Möglichkeit gegeben, sich dem Leben und Werk eines exponierten Vertreters des frühneuzeitlichen Luthertums anzunähern.
Das Werk des im württembergischen Herrenberg geborenen Andreae kann allgemein als gut erforscht gelten. Es wird nicht nur von der Kirchengeschichte beachtet, sondern auch von der Literaturwissenschaft oder anderen historisch arbeitenden Disziplinen. Andreae verfasste Andachtstexte und verfolgte den Plan einer universalen Reform, wofür er mit vielen Gelehrten seiner Zeit in brieflichem Austausch stand. Andreae war wohl der Autor der Rosenkreuzermanifeste, die die Bildung einer reformerischen Bruderschaft propagierten. Später distanzierte er sich allerdings von diesen Gedanken. Trotzdem blieb er an aktuellen Entdeckungen seiner Zeit interessiert, zu denen vor allem die Aufbrüche in den Naturwissenschaften gehörten. Dies alles macht ihn sowohl für die Pietismus- als auch die Aufklärungsforschung interessant.
Das Inventar wird durch eine kurze Einleitung der Bearbeiterin eröffnet (7-14). Der Katalog (17-522) erschließt 5152 Briefe von und an Andreae, von denen die meisten in der Herzog August Bibliothek verwahrt werden, mit über 300 identifizierten Korrespondenzpartnern. Etwa 500 Briefe stammen aus 16 anderen Archiven oder Sammlungen wie dem Stadtarchiv Ulm oder der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, die durch gründliche Recherchen ermittelt werden konnten. Die meisten Briefe wurden in lateinischer Sprache verfasst. Leider blieben aus den 1620er Jahren wegen eines Brandes in Calw im Jahr 1634, dem Andreaes Bibliothek zum Opfer fiel, nur 58 Briefe erhalten. Das Inventar der zwischen 1614 und 1654 entstandenen Briefe ist chronologisch geordnet. Als weitere Metadaten neben der Datierung erscheinen Absender, Empfänger, Absendeort, Empfängerort, Überlieferungsart, Präsentationsvermerke, Beilagen und Hinweise auf Editionen. Wenn Skizzen oder Zeichnungen einem Brief beilagen, vermerkt dies die Bearbeiterin. Darüber hinaus werden alle in den Briefen erwähnten Personen, insofern sie identifiziert werden konnten, aufgeführt. Allein diese Personendaten erhellen das umfassende Korrespondenznetzwerk Andreaes, wobei die Mehrheit seiner Korrespondenzpartner aus Württemberg stammte. Die meisten Briefe wechselte er mit Herzog August von Braunschweig und Lüneburg (614 von ihm und 664 an ihn). Durch diesen Kontakt gelangte der größte Teil von Andreaes Nachlass nach Wolfenbüttel. Daneben bestanden Korrespondenzen beispielsweise mit den Theologen Christoph Meelführer in Ansbach, Johannes Saubert in Nürnberg, Johann Schmidt in Straßburg oder Tobias Wagner in Esslingen. Neben Adligen und Theologen zählten auch Patrizier oder Mathematiker zu Andreaes Korrespondenzpartnern. Das Buch wird durch eine "Liste der im Katalog nicht erschlossenen Materialien" (523-530) - dazu zählen auch Notizzettel -, ein Personen- (531-559) und ein Ortsregister (560-573) abgerundet.
Dieses Inventar eines so umfassenden Theologenbriefwechsels der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts stellt zweifelsohne ein wichtiges Hilfsmittel für die Erforschung des frühneuzeitlichen Luthertums dar. Da eine Edition dieses Materials wohl nicht zu finanzieren ist, hilft der Katalog beim Einstieg in seine Erforschung. Alle Briefe sind inzwischen gescannt und online einsehbar. Eine weitere Beschäftigung mit Andreaes biographischer Entwicklung, seinen Kontakten und seinem gelehrten Austausch ist auf diese Weise möglich. Der Württemberger wird sich darin nicht nur als Kriegsberichterstatter, sondern auch als Multiplikator einer Frömmigkeitstheologie im Sinne Johann Arndts, als enzyklopädisch gebildeter Gesprächspartner, der offen für Musik, Literatur und naturwissenschaftliche Erkenntnisse war, zeigen. Salvadoris Buch ist eine Einladung zur vertieften Beschäftigung mit einem Gelehrten, der in seiner Zeit bekannt und gut vernetzt war.
Anmerkung:
[1] Vgl. http://opac.lbs-braunschweig.gbv.de/DB=2/CMD?ACT=SRCHA&IKT=1016&TRM=abr+Andreae-Korrespondenz.
Stefan Michel