Marco Bogade (Hg.): Transregionalität in Kult und Kultur. Bayern, Böhmen und Schlesien zur Zeit der Gegenreformation (= Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands; Bd. 49), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2016, 301 S., ISBN 978-3-412-50132-7, EUR 45,00
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Diese Rezension erscheint auch in der Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung.
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Der vorliegende Band vereint die Beiträge der 50. Arbeitstagung des Instituts für ostdeutsche Kirchen- und Kulturgeschichte 2013 und mag als ein Beispiel der in jüngerer Zeit intensivierten transnationalen Forschung stehen. In seinem knappen Vorwort steckt der Herausgeber Marco Bogade den Rahmen ab, innerhalb dessen sich die insgesamt 16 Beiträge bewegen: "Kommunikation", "Transfer" und "Migration" (9) werden gleich zu Beginn ins Spiel gebracht, wobei deren Präzisierung sowie eine klare Bestimmung, was "Transregionalität" oder die erwähnte begriffliche Trias sein möge, leider nicht erfolgt. Gleichsam als Geleitwort mag der daran anschließende, zweite einführende Beitrag von Rainer Bendel stehen, der in erzählender Façon einen Abriss über die katholische "Reform als kulturelle Brücke" enthält und ein breites Panorama von der iberischen Halbinsel über das Tridentinum in die Untersuchungsräume skizziert (siehe insbesondere die Abschnitte zu Schlesien, Böhmen bzw. Bayern, 21-30).
Die übrigen Beiträge sind in vier ungleich umfangreichen Blöcken organisiert, deren Anfang die in dem ersten Teil zu "Tradition und Innovation" zusammengeführten Aufsätze zur Heiligenverehrung von Petr Kubín zum Kult des Sel. Hroznata, von Damien Tricoire zu den Münchener beziehungsweise Prager Mariensäulen im Vergleich sowie von Jan Kilián zu konfessionellem Wandel im Osterzgebirge im 17. Jahrhundert enthält. Darauf folgen in einem zweiten Abschnitt, der sich mit Aspekten der "Profan- und Sakralarchitektur" befasst, die Beiträge von Madleine Skarda zu der Klosterkirche von Sedletz (Sedlece), Daniela Štěrbová zur "böhmischen Wandpfeilerhalle", Jan Wrabec zur Klosterkirche in Wahlstatt (Legnickie Pole) sowie Aurelia Zduńczyk zu schlesischen Mariensäulen als Zeugnissen des transregionalen Charakters der schlesischen Gegenreformation. Der dritte Abschnitt fokussiert vorrangig Ikonografie und bildende Kunst zwischen dem Dreißigjährigen Krieg und der Mitte des 18. Jahrhunderts und enthält Abhandlungen von Jan Royt zu der Verbindung von Gnadenbildern und Legendenbildung am Beispiel des Palladiums von Altbunzlau (Stará Boleslav), Małgorzata Wyrzykowska zu der Verehrung der Heiligen Joseph, Leopold und Karl Borromäus in Schlesien, Julia Fischer zu den Fresken Cosmas Damian Asams, Lenka Stolárová zu den Jugend- und Wanderjahren des böhmischen Barockkünstlers Carlo Screta/Karel Škréta sowie von Dörte Wetzler zum Prager Loreto um 1700. Der vierte und letzte Abschnitt enthält die Skizzen dreier Projekte von Marco Feuerbach zu dem Zisterzienserkloster Ossegg (Osek) und dessen Wallfahrtsort Maria Ratschitz (Mariánské Radčice), von Matthias Donath zu den evangelischen "Grenz- und Zufluchtskirchen Schlesiens" und von Katharina Ute Mann zu der Allegorie der Polonia in der polnischen Malerei des 19. Jahrhunderts. Ein Orts- und Personenregister (wiewohl nur als "Personenregister" überschrieben) rundet den Band ab.
Wie in vielen anderen Sammelbänden sind auch diese Beiträge zum Teil sehr stark unterschiedlicher Natur und Qualität. So verbleibt das - im sprichwörtlichen Sinne - Vorwort des Herausgebers inhaltlich oberflächlich (Vgl. Seite 11, Anmerkung 9-12), und es erfolgt auch keine klare terminologische Auseinandersetzung mit den Untersuchungsgegenständen und -räumen. Ähnliches gilt für den Beitrag von Bendel, der offenkundig auf die Rezeption jüngerer, internationaler Literatur zu den europäischen Reformationen zum Beispiel von Diarmaid MacCulloch, Thomas Brady oder Harold Louthan verzichtet; dementsprechend einseitig und eingeschränkt verbleiben auch das allgemeine Niveau der Ausführungen und die äußerst knappen Bemerkungen zum Beispiel zu den vorgeblich besonders wichtigen "Netzwerken" (31); mit einer einzigen Ausnahme (Josef Hrdlička, Seite 28, Anmerkung 27) verzichtet Bogade auch auf die Rezeption nicht-deutschsprachiger Literatur.
Die darauffolgenden Beiträge sind qualitativ vielfach besser, wobei auch Kubíns Aufsatz zum Sel. Hroznata einen überwiegend deskriptiven Charakter aufweist. Kiliáns Beitrag zum Osterzgebirge ist vor allem deswegen gesondert zu erwähnen, weil dieser die langjährigen Studien des Verfassers nun auch - hoffentlich vermehrt - einem deutschsprachigen Publikum bekannt machen möge, wobei an dieser Stelle ausdrücklich auf seine deutschsprachige Edition eines Tagebuchs aus Graupen (Krupka) hingewiesen sei.[1] Nicht klar ersichtlich ist hingegen, weswegen die auf laufenden Dissertationsvorhaben basierenden Vorstudien von Skarda zur Klosterkirche von Sedletz beziehungsweise von Štěrbová zur "Wandpfeilerhalle" nicht im letzten Abschnitt des Bandes untergebracht wurden. Hingewiesen sei an dieser Stelle zudem auf die als "goldenes Zeitalter" bezeichnete Herrschaft Karls IV., die der Relativierung zum Trotz dennoch einen anachronistisch wirkenden Nachgeschmack hinterlässt (98 ff.), auch, da der Untersuchungszeitraum beider Beiträge ein anderer ist. Dessen ungeachtet passen diese beiden Aufsätze thematisch gut zu den folgenden Beiträgen von Wrabec und Royt, hingegen sei erwähnt, dass die Darstellung von Fischer zu den Asam-Fresken auf einer sehr knappen, überwiegend älteren Literaturbasis ruht.
Ausgesprochen positiv sei die Abhandlung Stolárovás zu den Jugendjahren Karel Škrétas erwähnt, die nun die maßgeblichen Ergebnisse ihrer langjährigen Forschungen einem nicht des Tschechischen kundigen Publikum zugänglich macht (Vgl. die eindrücklichen kartografischen Vorher/Nachher-Darstellungen, 217-220). Wetzlers Beitrag zum Prager Loreto um 1700 wiederum mag gleichsam als Sinnbild der Ambivalenz des Bandes stehen: Trotz der interessanten Quellenbasis zweier "Wallfahrtsanleitungen" (234 ff.) führt die Verfasserin deren sich gegenwärtig großer Beliebtheit erfreuenden "Praktiken" (235) aus, ohne sich jedoch theoretisch damit (oder deren handlungstheoretischer Basis) beziehungsweise mit weiteren Quellen, die deren Überprüfung erlauben würden, auseinanderzusetzen; Ähnliches mag auch für Wetzlers Annäherung an den Innenhof als Teil des Ensembles bzw. die - unter Verweis auf den Herrschafts- und Verwaltungsalltag abwegig erscheinende - Diskussion über die Originalität des Gnadenbildes (258 ff.) gelten. Als ausgesprochen positiv sei, von dem erwähnten Vorbehalt abgesehen, der Abschnitt mit den Projektskizzen erwähnt.
Ähnlich unterschiedlich wie die einzelnen Beiträge muss denn auch eine Gesamteinschätzung verbleiben. Dem Band hätte eine klarere begrifflich-konzeptionelle Heranführung sicherlich gut getan, wodurch die gute Idee der Transregionalität in der Mehrheit der Beiträge stärker hervorgetreten wäre. Viele der Aufnahmen und Abbildungen sind leider von zweifelhaftem Sinne beziehungsweise schlechter Qualität; des Weiteren wären die österreichischen Länder auch eine thematische Option gewesen. Und wiewohl der Fokus des Bandes fast ausschließlich auf den höfischen und städtischen Eliten ruht (mit der erwähnenswerten Ausnahme des Beitrags zum Osterzgebirge), so ist anhand der zunehmenden jüngeren Studien zum Zeitraum zwischen böhmischem Ständeaufstand (1618/20) und dem späten 18. Jahrhundert ersichtlich, dass die lange Jahrzehnte währende, auch historiografische "Finsternis" (temno) alsbald einer neuen Morgenröte weichen mag.
Anmerkung:
[1] Jan Kilián (Hg.): Michel Stüelers Gedenkbuch (1629-1649). Alltagsleben in Böhmen zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Göttingen 2014.
Stephan Sander-Faes