Alexandra Schäfer-Griebel: Die Medialität der Französischen Religionskriege. Frankreich und das Heilige Römische Reich 1589 (= Beiträge zur Kommunikationsgeschichte; Bd. 30), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2018, 556 S., 9 s/w-Abb., ISBN 978-3-515-12014-2, EUR 84,00
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Die Geschichte der französischen Bürgerkriege des 16. Jahrhunderts ist lange Zeit aus einer genuin französischen Perspektive geschrieben worden. Nach den Pionierarbeiten von Cornel Zwierlein [1] widmet sich nun Alexandra Schäfer-Griebel vergleichend der medialen Repräsentation der französischen "Innenpolitik" vom Dezember 1588 bis zum September 1589 in Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich. Bezugspunkt ist jedoch nicht allein die inhaltliche Darstellung der Ereignisse, sondern auch ihre mediale Produktion, Vermittlung und Rezeption, die sie unter dem Begriff der "Medialität" subsummiert (17f.). Als Quellengrundlagen dienen ihr hierfür Flugblätter und Flugschriften (18, 23, 49f.), deren Zahl die Autorin auf insgesamt rund 925 Exemplare bemisst (43). In der Bibliografie finden knapp 350 Exemplare Erwähnung, die häufig mit Nachdrucken und Neuauflagen verzeichnet sind (434-482). Die Arbeit gliedert sich in 7 Hauptteile. Nach der Darlegung von Thema, Fragestellung, Quellen und Methodik (Kapitel 1) ordnet die Verfasserin die Religionskriegsnachrichten in Frankreich und Deutschland in den jeweiligen historischen Kontext ein (Kapitel 2, 4). Darauf folgt in sieben Schritten eine ebenfalls parallele Analyse der Religionskriegsnachrichten. 1. untersucht die Arbeit die medial-kommunikativen Rahmenbedingungen der Religionskriegsnachrichten, 2. das Verhältnis einzelner Medien untereinander, 3. die Akteure im Druckgewerbe, 4. die Praxis der Druckproduktion, 5. die Darstellungsweise der Schriften, 6. ihre Themen und 7. ihre Verbreitung (Kapitel 3, 5). Die Forschungsergebnisse werden anschließend in einem Vergleich der Medialität der Religionskriegsnachrichten in Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich und einem Fazit gebündelt (Kapitel 6, 7).
Thematisch standen drei Mordanschläge im Zentrum der Berichterstattung. Das gilt sowohl für Frankreich als auch für das Heilige Römische Reich (388). Am 23. und 24. Dezember 1588 beauftragte Heinrich III. die Ermordung Herzog Heinrichs I. von Guise und seines Bruders, des Kardinals Ludwig II. von Lothringen, in Blois. Am 1. August 1589 verübte seinerseits der katholische Mönch Jacques Clément ein Attentat auf Heinrich III. in Saint-Cloud, an dessen Folgen der König verstarb. Von nachgeordneter Bedeutung für die Berichterstattung war zunächst der Thronfolgeanspruch des Hugenottenführers Heinrich von Navarra.
In Frankreich und im Heiligen Römischen Reich standen die politischen Ereignisse im eigenen Land im Zentrum der Berichterstattung. Im deutschsprachigen Raum stellten die Berichte aus Frankreich deshalb nur ein kleines Segment des Nachrichtenmarktes dar (358). Für Frankreich ermittelt die Autorin eine starke Dominanz ligistischer Berichterstattung, wohingegen im Reich königsnahe und protestantische Positionen überwogen (278, 394-399). Entsprechend ist in der französischen Berichterstattung eine starke Diffamierung Heinrichs III. und Heinrichs von Navarra zu beobachten, während die ermordeten Brüder Guise als Märtyrer gefeiert wurden (171-185). Waren die ligistischen Schriften für breitere Bevölkerungsschichten bestimmt, so richtete sich die königliche Propaganda dagegen vor allem an die politischen Eliten in Frankreich und Deutschland (366).
Heinrich III. und Heinrich von Navarra erhofften sich ihrerseits im Reich vor allem Kredite und die Erlaubnis zu Truppenwerbungen (219-227). Es konnte eine übergreifende Solidarität zwischen deutschen und französischen Protestanten sowie dem französischen Königtum diagnostiziert werden, die so zwischen deutschen und französischen Katholiken nicht bestand (232). Französischen Immigranten kam dabei eine Mittlerrolle zwischen ihrer Heimat und dem Heiligen Römischen Reich zu (236f.). Die Drucker vermieden es dabei sowohl in Frankreich als auch im Heiligen Römischen Reich, sich politisch zu stark zu exponieren. Sie waren bei der Verbreitung von Nachrichten in erster Linie auf den Erhalt und die Ausweitung ihrer ökonomischen Erfolgsaussichten bedacht (373f.).
Am Ende der Studie stehen elf Thesen zur Medialität der Ereignisse im Frankreich des Jahres 1589. 1. Die strukturellen Rahmenbedingungen blieben trotz einer Anpassung an tagespolitische Bedürfnisse die gleichen. 2. Die politische Einflussnahme auf den Druckmarkt war in Frankreich stärker ausgeprägt als im Heiligen Römischen Reich. 3. In beiden Ländern erlangten einzelne Druckereien eine monopolartige Stellung beim Nachrichtendruck. 4. Die Mediennutzung wurde von der politisch-religiösen Selbstverortung der Nutzer bestimmt. 5. Die Druckpraxis war im Wesentlichen von Wirtschaftlichkeit und Pragmatismus geprägt. 6. Flugschriften und Flugblätter prägten bestimmte Gattungskonventionen aus. 7. Die Herstellung von Glaubwürdigkeit war ein Prinzip der Darstellung von Nachrichten. 8. Thematisch waren die Attentate von Blois und Saint Cloud die zentralen Themen von Berichten in und aus Frankreich. 9. Die Religionskriegsnachrichten waren verbunden mit den zeitgenössischen Debatten um gerechte Herrschaft und das Widerstandsrecht. 10. Die Ereignisse wurden so in bestehende Diskurse eingeordnet. 11. Die Rezeption erfolgte nach den sozialen Gewohnheiten und der sozialen Verortung der Rezipienten (407-421).
Auch wenn der Titel der Arbeit suggeriert, die Medialität der französischen Bürgerkriege insgesamt für das Jahr 1589 zu untersuchen, stützt sich die Analyse aber weitgehend auf Quellen zu den drei Mordanschlägen von Blois und Saint Cloud. Diese sind zwar vielfach religiös konnotiert, weisen aber keinen direkten Bezug zu kriegerischen Auseinandersetzungen auf. Der Begriff "Religionskrieg" wird nicht problematisiert. Die Behauptung, das gewählte Quellencorpus sei in großen Teilen völlig unbearbeitet (18), revidiert die Autorin selbst kurz darauf und räumt ein, dass Studien zur Publizistik der französischen Bürgerkriege Legion sind (49f.). Viele der bearbeiteten Quellen wurden bereits von diesen Studien ausgewertet. Der hier gewählte mediengeschichtliche Ansatz ist zwar innovativ, doch fußt ein großer Teil der Arbeitsergebnisse auf einer, wenn auch sehr gelungenen, Synthese der umfangreichen bestehenden Forschungsliteratur (bspw. Kapitel 2, 3.2., 3.7., 4). Das ist sicher notwendig, um die komplexen Produktionsbedingungen und die Verbreitung einer großen Zahl publizistischer Quellen untersuchen zu können, hätte aber eingangs offengelegt werden können.
Das ändert nichts an der innovativen Fragestellung sowie der logischen und stringenten Vorgehensweise der Arbeit. Die Autorin berücksichtigt konsequent die Produktionsbedingungen und die Verbreitung von Flugschriften und Flugblättern. Es gelingt ihr durch den Vergleich zwischen Flugblättern, Flugschriften und anderen Medien wie handschriftlicher Kommunikation die untersuchten Medien im Rahmen einer allgemeinen Mediengeschichte zu verorten. Die konsequente Kontrastierung der Berichterstattung in Frankreich mit ihrer Rezeption im deutschsprachigen Raum ist ein besonderes Verdienst.
Auch wenn der in der Einleitung der Studie erhobene Anspruch an ihr Innovationspotential mitunter überzogen erscheint, ist sie in methodischer und inhaltlicher Weise anregend für die weitere Beschäftigung mit der Mediengeschichte der Frühen Neuzeit. Sie weist damit deutlich über ihren eigentlichen Betrachtungsgegenstand hinaus.
Anmerkung:
[1] Bspw. Cornel Zwierlein: Discorso et Lex Dei. Die Entstehung neuer Denkrahmen im 16. Jahrhundert und die Wahrnehmung der französischen Religionskriege in Italien und Deutschland (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; Bd. 74), Göttingen 2006.
Christian Mühling