Rezension über:

Katarzyna Kosior: Becoming a Queen in Early Modern Europe. East and West (= Queenship and Power), Basingstoke: Palgrave Macmillan 2019, XII + 256 S., ISBN 978-3-030-11847-1, EUR 74,89
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Rezension von:
Katrin Keller
Institut für Neuzeit- und Zeitgeschichtsforschung, Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien
Redaktionelle Betreuung:
Bettina Braun
Empfohlene Zitierweise:
Katrin Keller: Rezension von: Katarzyna Kosior: Becoming a Queen in Early Modern Europe. East and West, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2019, in: sehepunkte 19 (2019), Nr. 7/8 [15.07.2019], URL: https://www.sehepunkte.de
/2019/07/32941.html


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Katarzyna Kosior: Becoming a Queen in Early Modern Europe

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Die Studie stellt die Druckfassung einer Dissertation dar, die Katarzyna Kosior 2017 in Southampton abgeschlossen hat. Sie ist der Vielzahl von zeremoniellen und quasizeremoniellen Handlungen gewidmet, die den Weg einer königlichen Braut an den Hof ihres künftigen Gemahls, die Ankunft dort und ihre "Amtseinführung" bis hin zur Geburt der Kinder begleiteten. Diese faktisch chronologische Struktur des "becoming a queen" verbindet die Autorin mit verschiedenen methodisch-theoretischen Zugängen:

Sie möchte durch einen Vergleich zwischen Frankreich und Polen nach Differenzen zwischen West und Ost fragen und Polen zugleich ins Blickfeld der europäischen Forschung rücken (7, 13, 101, 173). Sie möchte Zeremoniell und Ritual als Weg nutzen, um die politische und kulturelle Dynamik im 16. Jahrhundert zu verstehen (7, 10), wobei sie sich auf Ansätze der "American ceremonial school" stützt. Und sie argumentiert immer wieder mit den Begriffen "Identität" (z.B. 41-43) in Bezug auf die Dynastie oder "Emotionen" (10, 46f., 158-162) für die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der beiden behandelten Dynastien, der Valois und der Jagiellonen.

Der Aufbau der Studie folgt dabei nach einer Einleitung wie angedeutet dem Weg der Königin von der Hochzeit per procurationem über die Brautreise, das Zusammentreffen der Eheleute und die Hochzeit zur Krönung. Dann widmet sie sich vor allem am polnischen Beispiel der "Rhetoric of Queenship", wobei sie insbesondere auf die tiefgreifenden Kontroversen um die zweite, unstandesgemäße Hochzeit Sigismund Augusts II. von Polen im Jahr 1548 eingeht. Im abschließenden Kapitel stehen Geburt und Mutterschaft im Zentrum, wobei Katarzyna Kosior hier auf verschiedene Aspekte von Mutterschaft, aber auch auf Unfruchtbarkeit und die Rolle familiärer Verbindungen in Netzwerken einzugehen ankündigt (142), wobei letzteres sehr kurz gefasst bleibt. Eine knappe Zusammenfassung und vier Quellenanhänge für Polen komplettieren das Buch.

Verdienstvoll ist Kosiors Studie nicht nur durch den sehr vehement vorgetragenen Versuch, verschiedene europäische Regionen miteinander zu vergleichen und vor allem die - nicht zuletzt aufgrund sprachlicher Voraussetzungen - international wenig beachteten Verhältnisse in Polen ins Licht der Forschung zu rücken. Begrüßenswert ist vor allem auch der überindividuelle Ansatz: Im Gegensatz zu vielen Einzelstudien ist es der Autorin dezidiert ein Anliegen, sozusagen die Institution "Königin" bzw. "Queenship" und deren zeremonielle Ausgestaltung für zwei große europäische Dynastien zu untersuchen, freilich nicht ohne auch auf individuelle Differenzen und Charakteristika einzugehen.

Damit betritt sie in mancherlei Hinsicht - nicht nur in Hinblick auf Polen - Neuland, und teilweise ist der Vergleich auch wirklich weiterführend, obwohl man sich etwa fragt, warum die Studie von Fanny Cosandey zu den Königinnen in Frankreich, die Kosior auch als Anregung für ihre Arbeit erwähnt (4f.), nicht intensiver in ihren Ergebnissen im Buch zum Tragen kommt. Anregend ist der Band etwa in seinem Vergleich der Königinnen-Krönungen in Frankreich und Polen (61-97) oder in der Diskussion um Mutterschaft der Königin als Faktum und als Ideal. Auch das Bemühen, das oft dominierende westeuropäische "Modell" durch den Vergleich mit Polen zu konterkarieren oder doch zu differenzieren (10, 176f.) ist zweifellos berechtigt und hat Potential.

Nicht immer kann die Autorin freilich ihren Anspruch auf neue Sichtweisen - ein im Klappentext zitierter Kollege spricht gar von einem "new model for royal culture" - wirklich einlösen; manche Annahme führt auch eher in die Irre. Dies gilt etwa für die postulierte Trennung von Dynastie und Familie (bes. 140f.), geht Kosior doch davon aus, dass Dynastien nur durch politische Interessen, Familien aber durch Emotionen konstituiert wurden. Selbst als analytische Trennung scheint dies jedoch kaum plausibel, und die folgende Argumentation zu Emotionalität innerhalb königlicher Familien (158-162) zeigt dies eigentlich auch, wenn die Autorin wiederholt gerade für das polnische Beispiel auf die Verflechtung dynastischer Perspektiven auf den Thronfolger und persönlicher Emotionalität hinweist. Auch die Annahme, dass es ein West-Ost-Gefälle in Europa in Hinblick auf die Notwendigkeit der Krönung einer Königin gegeben habe (62), steht argumentativ auf schwachen Füßen. Hier zeigt sich wie auch an anderer Stelle in der Darstellung, dass es Katarzyna Kosior nicht immer gelingt, ihre ambitionierte Analyse wirklich umzusetzen.

Vage bleibt schließlich auch die Begründung für ihre Vergleichsgegenstände (15f.) ebenso wie die zeitliche Eingrenzung: Behandelt werden am Ende für Polen nur Jagiellonen-Königinnen der Zeit zwischen etwa 1500 und 1572; für Frankreich im Wesentlichen königliche Eheschließungen des gleichen Zeitraumes. Warum die Wasa-Königinnen des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts nicht erwähnt werden, bleibt ebenso offen wie die Frage, warum keine Verbindung zu den Habsburgerinnen hergestellt wird, obwohl das Buch mit der Hochzeit einer Habsburgerin beginnt. Hier bleibt zudem anzumerken, dass Kosior kommentarlos auf die Einbeziehung der in Wien vorhandenen Überlieferung zu zwei der fünf polnischen und zu zwei der behandelten französischen Königinnen verzichtet und auch französisches Quellenmaterial im Wesentlichen nur über die Literatur rezipiert.

Auch wenn die Studie damit vom erwähnten neuen Modell doch einigermaßen entfernt bleibt, kommt ihr zweifellos das Verdienst zu, auf das Potential des Vergleiches auch und gerade in Bezug auf Forschungen zu europäischen Fürstinnen aufmerksam zu machen.

Katrin Keller