Bertram Resmini (Bearb.): Germania Sacra. Dritte Folge 11: Die Bistümer der Kirchenprovinz Trier. Das Erzbistum Trier 13. Die Benediktinerabtei St. Maximin vor Trier, Berlin: De Gruyter 2016, 2 Bde., XXVI + 1479 S., 20 s/w-Abb., ISBN 978-3-11-040944-4, EUR 239,95
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Bianca Else: Wettinische Klöster im 12. und 13. Jahrhundert. Die Gründungen Dietrichs des Bedrängten († 1221) und Heinrichs des Erlauchten († 1288), Bruxelles [u.a.]: Peter Lang 2016
Verena Bestle-Hofmann: Unus Liber de sancto Benedicto. Das Benediktskompendium des Jean de Stavelot und die Klosterreform des 15. Jahrhunderts, St. Ottilien: EOS Verlag 2016
Mathias Miedreich: Die Benediktinerabtei St. Jakob bei Mainz. Ein Kloster der Bursfelder Kongregation zwischen Westfälischem Frieden und Siebenjährigem Krieg (1648-1746), Münster: Aschendorff 2020
Es dürfte sich dabei um die wohl exklusivste Turnhalle nördlich der Alpen handeln: die Kirche der alten Reichsabtei St. Maximin in Trier. Sportlicher Ertüchtigung dient sie erst seit wenigen Jahrzehnten. Zuvor hatte sie bis 1802 als spirituelles Zentrum eines Benediktinerklosters fungiert, das zumindest im hohen Mittelalter zu den einflussreichsten des Reiches zählte. Bertram Resmini, Mitarbeiter bei der Göttinger Akademie der Wissenschaften, hat dieser monastischen Institution im Rahmen der Germania Sacra nun eine schwergewichtige Monographie gewidmet, die zwei Bände mit insgesamt 1461 Seiten umfasst. Gegliedert ist sie in insgesamt sieben große Abschnitte (I. Quellen, Literatur, Denkmäler; II. Archiv und Bibliothek; III. Historischer Überblick; IV. Verfassung und Verwaltung; V. Religiöses und geistiges Leben; VI. Besitz; VII. Personallisten), die wiederum 37 Unterkapitel umfassen. Ein umfangreiches, sorgfältig gearbeitetes Register der Personen- und Ortsnamen erschließt die Untersuchung zuverlässig.
Zusammen mit St. Eucharius/St. Matthias, St. Maria ad martyres und St. Martin gehörte St. Maximin im Mittelalter zum Kreis der Männerabteien der Stadt Trier. Die Abtei liegt rund 500 Meter östlich der Porta Nigra, einem Ort an dem sich bereits in frühchristlicher Zeit die Keimzelle einer religiösen Gemeinschaft angesiedelt hatte. Im Laufe der Jahrhunderte wechselten sich großdimensionierte Kirchenbauten ab: der aktuell noch bestehende Kirchenraum wurde 1683 geweiht. Von immenser Bedeutung war eine im Jahr 934 durchgesetzte Reform, die auf eine Auflösung des Laienabbatiats abzielte und eine Periode einleitete, die für die Abtei wegen ihrer Bedeutung für eine Vielzahl anderer Klöster im Reich als Höhepunkt ihrer Geschichte bezeichnet werden kann. Ein Vergleich mit Cluny liegt nahe, doch unterschieden sich die Äbte in Trier von denjenigen in Cluny "durch den unübersehbaren Einfluss des Königtums auf ihr Kloster" (231): wahrer gubernator monachorum war der König, der die Abtei, die in diesem Zeitraum rund 70 Mönche umfasste, zu einem wichtigen Glied innerhalb der ottonischen Kirchenpolitik machte.
Mit Blick auf diese Blütezeit ist es vor allem die Maximiner Buchmalerei des 10. Jahrhunderts, die bisher einiges an Forschungsaktivität freigesetzt hat. Resmini räumt hier jedoch mit verklärenden Tendenzen auf und relativiert: "Wahrscheinlich nahm in ottonischer Zeit das Skriptorium innerhalb der Abtei keine besondere Stellung ein." (250) Doch bilden die 15 erhaltenen Codices (bzw. Reste davon) der sogenannten Egbertschule aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts zweifellos den Gipfelpunkt der Buchmalerei im Reich.
Bereits im 11. Jahrhundert endete die materielle und geistige Blüte. Erst mit Einführung der jungcluniazensischen Reform im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert konnte St. Maximin wieder nennenswerten Einfluss im Westen des Reichs ausüben und zum Mittelpunkt eines Fraternitätsbundes westdeutscher, lothringischer und Brabanter Klöster aufsteigen.
Die rund 250 Jahre von 1411-1670 waren einerseits von den Auseinandersetzungen um die Stellung der Abtei in Kurtrier, andererseits von steten Konflikten mit der Kurie über Ernennungsrechte bei der Abtswahl geprägt. Und auch nach der Anerkennung der kurtrierischen Landeshoheit 1670 nahmen die Auseinandersetzungen über den Status des Klosters in einer Vielzahl von Prozessen ihren Fortgang: Um 1780 wurde nicht weniger als ein Viertel der Nettoeinnahmen für Gerichts- und Anwaltskosten aufgebracht - was jedoch bei der günstigen Finanzlage nicht weiter ins Gewicht fiel.
Es war vielleicht der aus der Vermarktung großer Getreide- und Weinernten und dem Verkauf von Holz stammende Reichtum der Abtei (vgl. dazu die umfangreiche Darstellung auf S. 749-999), der den innermonastischen Verfallsprozess beschleunigte. Der päpstliche Nuntius kam anlässlich einer Visitation nicht umhin zu bemerken, dass in der Abtei täglich viermal (vor und während des Mittagessens, am Nachmittag und beim Abendessen) Wein getrunken würde. Sein Protest freilich änderte wenig. Seit März 1786 beschäftigten sich die kirchlichen Behörden des Kurstaats und die meisten Maximiner Mönche fast nur noch mit den Plänen zur Errichtung eines Stifts. Als Stiftsherren hätten die Mönche auf konsiderable persönliche Zuweisungen zurückgreifen können.
Nach dem Scheitern dieser Umwandlungspläne dämmerte St. Maximin dem endgültigen monastischen Tod entgegen. Ein Klosterleben im eigentlichen Sinn fand nicht mehr statt. Die Fassade hingegen verstand man zu wahren: Als Ende Oktober 1792 Goethe in der Abtei weilte, vermerkte er anerkennend den Luxus der Gästeappartements. Die Flucht der Mönche vor der französischen Revolutionsarmee im Juli 1794 brachte das monastische Leben endgültig zum Erliegen. Der Abt flüchtete sich unter Mitnahme großer Barmittel und anderer Preziosen in seine Luxemburger Residenz, während die Mönche andernorts auf bessere Zeiten hofften.
St. Maximin war eine der reichsten Abteien des Alten Reichs: liturgisches Gerät und Gewandung waren ebenso kostbar wie erlesen. Doch nur Weniges hat die Zeitläufte überdauert, darunter einige Reliquien, die nach 1803 in die Pfarrkirche von Pfalzel gelangten, so etwa Haupt und Stab des Hl. Maximin.
Das Archiv hat im Laufe seiner langen Geschichte zwar große Einbußen erlitten, dürfte für die Zeit nach 1220 jedoch besser erhalten sein als die Archive manch anderer größerer Klöster. Eine dichte Überlieferung liegt von 1220 bis ins 17. Jahrhundert vor: beste Voraussetzungen für Forschungen zur neueren Güter- und Wirtschaftsgeschichte und zur Verflechtung der Abtei im moselländisch-lothringischen Kräftefeld.
St. Maximin war für seine opulente Bibliothek mit einem großen Handschriftenbestand bekannt. Allerdings ist die Geschichte der Bibliothek noch nie als Gesamtkomplex bearbeitet worden, so dass man Resmini hier (wie an vielen anderen Stellen der Monographie auch) für die kompetente Zusammenfassung des Forschungsstandes dankbar sein muss. Schätzungen gehen von 1000 Handschriften am Ende des Mittelalters aus. Heute sind davon noch ca. 260 lokalisierbar (55 davon in Berlin, 7 in Brüssel, 29 in Gent, 83 in Trier). Interessanterweise führt Resmini die hohen Verluste weniger auf Besetzung und Säkularisierung (1794-1802), sondern auf das Interesse von Bibliophilen zurück, darunter so illustre Namen wie Johann Josef Görres, die ihre Raubzüge einigermaßen dreist zu "Rettungsaktionen" überhöhten. Görres war in der Lage, über 90 Maximiner Handschriften zu "erwerben" (und auch seine "Rettung" Himmeroder Handschriften hätte zukünftig einen genaueren Blick verdient). Zahlreiche Frühdrucke wurden bis 1522 der Abtei geschenkt bzw. angekauft. Als wertvollster Erwerb darf dabei wohl ein Exemplar des 42-zeiligen Bibeldrucks von Gutenberg (1456) gelten, das sich heute (zum größten Teil) in Bloomington/Indiana befindet. Von einst über 1000 Frühdrucken sind heute noch 138 in der Trierer Stadtbibliothek nachweisbar.
Die Quellen zur Maximiner Personengeschichte, vor allem die Nekrologe, werden im zweiten Band ausgewertet. Sie liefern eine Fülle personenbezogener Angaben, die von Resmini zumindest mit Blick auf die Äbte und die Inhaber der wichtigsten Klosterämter (Pröpste, Prioren, Subprioren, Kellerare, Hospitalare, Infirmare, Kantoren, Küster, Novizenmeister, Elemosinare, Refektionare) zu kleineren Biogrammen verdichtet werden. Deutlich wird dabei, dass seit Einführung der Reformen 1436 durch Johannes Rode jeder der neu aufgenommenen Novizen bürgerlicher oder bäuerlicher Herkunft war. Von ihnen wurde zwar kein Eintrittsgeld (dos) erhoben, freilich rechnete man mit einer Überweisung etwaiger Erbschaften in das allgemeine Klostervermögen. Für zukünftige Forschungen zur Zusammensetzung frühneuzeitlicher Mönchskommunitäten liefern die Personenlisten reiches Material.
Resmini füllt mit dieser Klostermonographie eine Forschungslücke. Angesichts der Quellenmassen konnten zwar nicht in allen Fällen eigene Forschungsleistungen vorgelegt werden (wohl dem Bearbeiter, der um seine eigenen Grenzen weiß!), doch leisten die Überblicksdarstellungen zum Forschungsstand gute Dienste. Kleinere Redundanzen und gelegentliche Wiederholungen stören den Gesamteindruck nicht. Das Werk wird seinen Wert auf lange Zeit hin behalten.
Ralf Lützelschwab