Tracey-Anne Cooper: Monk-Bishops and the English Benedictine Reform Movement. Reading London, BL, Cotton Tiberius A. iii in its Manuscript Context (= Studies and Texts; 193), Toronto: Pontifical Institute of Mediaeval Studies 2015, XVII + 368 S., ISBN 978-0-88844-193-5, USD 95,00
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Janet Burton / Karen Stöber (eds.): The Regular Canons in the Medieval British Isles, Turnhout: Brepols 2011
Das zentrale Anliegen dieser Arbeit liegt sowohl in der Vorstellung einer Handschrift (Cotton Tiberius A. iii) mit ihrem vielfältigen Inhalt, der sich einer generellen monokausalen Zuordnung scheinbar entzieht, als auch in der generellen Diskussion, inwieweit Mönch- und Klerikertum miteinander verbunden werden können. Als Exemplum wurde die benediktinische Reformbewegung des 10. und 11. Jahrhunderts in England gewählt, die u.a. beabsichtigte, die großen Bischofssitze zu Mönchssitzen mit einem Mönchsbischof an der Spitze umzuwandeln und die Mönche generell in die Seelsorge von Laien mit einzubinden. Der Mönchsepiskopat dürfte das besondere Zeichen der englischen Reformbemühungen gewesen sein. Deshalb haben sich zahlreiche Texte der vorliegenden Handschrift mit der Findung und Einsetzung neuer Bischöfe auseinandergesetzt, die mit einer Mönchsgemeinschaft nach den Regeln des Hl. Benedikts leben sollten.
Dieses Generalkonzept folgte der Absicht, eine heiligmäßige Kirche zu schaffen, die im Model einer Kathedral-Mönchskirche ihre besondere Ausprägung finden sollte. Beispielgebend waren die Mönchsbischöfe und Reformer Aethelwold von Winchester († 984), Oswald von Worchester († 992) und Erzbischof Dunstan von Canterbury († 988) und ihre Nachfolgegenerationen. Statt, wie bisher die Unterschiede unter den Reformanhängern zu betonen, werden in der Handschrift stärker die Gemeinsamkeiten in der Reformbewegung herausgearbeitet. Die Reform selbst erstreckte sich über drei Generationen, die dritte hat dann auch die Abfassung der Handschrift in Christ Church, Canterbury veranlasst. Die fünf Schreiber der lateinischen und altenglischen Texte stammen alle aus dem dortigen Skriptorium.
Die Reformanstrengungen und -ziele der dritten Generation, die in der Stärkung des Mönchtums auch eine solche des Weltklerus und damit eine bessere kirchliche Einbindung der Laien sah, spiegelt die wahrscheinlich um 1020-1023 entstandene Handschrift wider, die mehr ist als eine Kompilation verschiedener Texte, und, so die grundlegende These der Arbeit, aus einem Guss entstanden ist. Eine detaillierte und tiefsinnige Untersuchung des Manuskripts macht Zeitpunkt wie Ort nachvollziehbar. Besonders die Hervorhebung von Augustinus, Dunstan und Aelheah, aber auch Margarethas von Antiochia in der Liturgie machen den Entstehungsort Christ Church mehr als wahrscheinlich.
In der Handschrift spiegeln sich die Reformziele - ein uniformes Mönchsepiskopat, der Schutz des Kirchenbesitzes, liturgische Präferenzen, eine verstärkte Handschriftenproduktion mit entsprechenden Schmuck, besonders aber eine Intensivierung des Heiligenkultes (besonders Maria, Allerheiligen, Margareta von Antiochia) bzw. des Heiligen Kreuzes und, vor allem, eine verbesserte Seelsorge für die Laien. Schließlich nehmen Schriften zur damaligen Gelehrsamkeit einen breiten Raum ein. Diese Fragen werden mehrheitlich in der sogenannten Tiberius-Handschrift ausgebreitet. Sie enthält 94 Texte, u.a. die Benediktsregel, die Regula Concordia, aber auch erzählende Texte; sie hat ihren Schwerpunkt in monastischen, seelsorgerlichen und moralisch-theologischen Fragestellungen (u.a. Textauszüge von Alkuin) inklusive einer Auseinandersetzung mit der monastischen Zeichensprache. Damit sollte die traditionelle liturgische Praxis der englischen Kirche im Kern bewahrt, zugleich aber eine Öffnung zu einer monastischen Reform ermöglicht werden. Dabei spiegeln sich in der Textsammlung die unterschiedlichen Ansätze der drei Generationen von englischen Reformern wider. Daher ist es weniger ein Buch, das den Intentionen eines Einzelnen folgt, wie etwa des damals regierenden Erzbischofs von Canterbury Aethelnoth (1020-1038), sondern einer ganzen Gruppe, die wiederum Ideen ihrer Vorgänger (besonders Wulfstans von York † 1023) aufnehmen. Die Auswahl der Texte erfolgte aus 82 anderen, noch heute vorhanden Codices und zeigt damit, wie sehr die Summe der Texte von der intellektuell-religiösen Kultur der Zeit geprägt war.
Die Seelsorge der Laien sollte im Leben von Priestern wie von Mönchen einen hohen Stellenwert einnehmen. Sie seien für die Rettung der Seelen der ihnen Anvertrauten verantwortlich, sodass ein regelrechter Kontrakt zwischen Ausbildern und Ausgebildeten eingegangen wurde. Die Laien hätten ein Recht auf eine entsprechende Unterweisung, die letztlich am Jüngsten Gericht zur Abwägung kam - und zwar für beide Seiten! Heiligenerzählungen, Predigten wie Auslegungen der beiden Testamente sollten als Grundlegung für eine allumfassende Unterweisung gelten. Ein Beispiel mag zur Illustration des Gesagten genügen: Die Vita Margarethas zeigt den heroischen Kampf gegen das Böse (den Drachen), die Homilie für Palmsonntag sollte den Laien helfen, Christus als den wahren Messias zu erkennen, der für die Sündhaftigkeit der Menschen und deren Erlösung den Tod auf sich genommen hatte. Gründonnerstag demonstrierte dann das Wesen der Eucharistie. In einem sogenannten 'Sonntagsbrief' wurde die absolute Notwendigkeit eines arbeitsfreien Tages eingeschärft, während der 'Beitrag des Teufels' zu eben dieser Sündhaftigkeit und deren Konsequenzen in drastischen Beispielen, sozusagen als Illustration der Hoffnungslosigkeit in der Hölle, vorgeführt wurde.
Die Arbeit ist sowohl in ihrem methodischen Vorgehen als auch in der Argumentation überzeugend, die einzelnen Texte der Handschrift werden eindringlich vorgestellt und intensiv diskutiert. Ein sehr inspirierendes Buch! Nur am Rande sei darauf hingewiesen, dass die Trennung von Mönch- und Klerikertum und die Diskussion einer möglichen Superiorität des eines über den anderen das 12. Jahrhundert sehr ausgiebig beschäftigt hat. Die Trennung blieb aber nicht immer durchgängig gültig, angedeutet seien etwa prämonstratensisch besetzte Domkapitel in Ratzeburg (bis 1504), Havelberg und Brandenburg (beide bis 1506/07), in denen monastische Bestrebungen (wenn auch nur vereinzelt, dafür aber länger andauernd) in die Domkapitel vordrangen.
Helmut Flachenecker