Brigitte Galbrun / Véronique Gazeau: L'abbaye de Savigny (1112-2012). Un chef d'ordre anglo-normand (= Collection Art et Société), Rennes: Presses Universitaires de Rennes 2019, 360 S., 13 Farb-, 28 s/w-Abb., 7 Kt., 3 Tbl., ISBN 978-2-7535-7595-0, EUR 35,00
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"Aujourd'hui, l'abbaye de Savigny ne laisse pas deviner ce qu'elle fut." (9) Mit diesen Worten wird ein 17 Aufsätze umfassender und in fünf große Abschnitte gegliederter Sammelband eröffnet, der sich der Geschichte der Abtei von Savigny und des daraus hervorgegangenen Klosterverbands annimmt (I. Lecture et relecture des sources; II. Savigny et les élites laïques; III. De la Normandie aux îles Britanniques: l'expansion de l'ordre savignien du XIIe au XVIIe siècle; IV. De terre, de pierre et de bois: les traces de Savigny; V. Figures abbatiales et sainteté savignienne). In der Tat: Steht man heute vor den Trümmern von Kirche und Abteigebäuden ist es schwer vorstellbar, wofür Savigny einst stand. Gegründet im Jahre 1112 durch Vitalis (um 1050-1122), Kaplan des Grafen von Mortain, Kanoniker an der dortigen Kollegiatskirche Saint-Évroult, Eremit und schließlich Klostergründer, stand Savigny nicht nur zahlreichen Abteien im normannisch-bretonischen Raum vor, sondern verfügte auch über Niederlassungen auf den Britischen Inseln. Dieser geographische Spagat machte den Ordensverband für Historiker ebenso interessant wie der 1147 ergangene Beschluss, sich den Zisterziensern anzuschließen und somit zur fünften Tochter des Ordens aufzusteigen - ein Prozess, der nicht ohne Auseinandersetzungen vonstatten ging, mussten dazu doch die zisterziensischen Filiationsketten geändert werden. Die monastische Existenz kam mit der Französischen Revolution zu einem Ende. Nach ersten Plünderungen 1790 erwarb ein Privatmann das Gelände. Die Gebäude wurden auf Abbruch verkauft. Nur einige wenige Ausstattungsstücke haben an anderen Orten die Zeitläufte überdauert - am prominentesten wohl die von den Zeitgenossen hochgerühmte Orgel, die heute in der Kathedrale von Coutances steht.
Alles Nötige zur Historiographiegeschichte sagt Alexis Grélois in seinem profunden Abriss, der aber leider nur die Geschichte Savignys bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts umfasst (Savigny et l'ordre cistercien. Un bilan historiographique critique, 27-54.). Völlig zu Recht wird dabei darauf hingewiesen, dass sich bei Vergleichen Savignys mit anderen zeitgenössischen Ordensgemeinschaften der Blick weniger auf die Zisterzienser als auf die Kongregation von Tiron richten sollte. Zwar folgte man in Savigny schon vor 1147 den Prinzipien von Visitation und Generalkapitel, anders als die Zisterzienser akzeptierte man freilich auch Zehnte und Renten. Von diesen wirtschaftlichen Aspekten zeugen auch mehr als 1.300 Originalurkunden aus Savigny (vom Gründungsjahr bis ins 14. Jahrhundert), die sich in den Pariser Archives nationales erhalten haben. Über sie handelt Richard Allen in seinem der Urkundendiplomatie gewidmeten Beitrag (Les chartes originales de Savigny. Des origines jusqu'au XIIIe siècle (1112-1202), 55-82). Die Analyse der Urkunden erlaubt Rückschlüsse auf die geographische und soziale Herkunft der Mönche und gestattet so "une reconstruction de la communauté pendant les cent premières années de son existence" (56).
Savigny steht für eine monastische Erfolgsgeschichte - zwar nicht ganz so spektakulär wie im Falle von Cîteaux, aber noch immer eindrucksvoll genug, um den Gründen für diesen Erfolg nachzuspüren. Von eminenter Bedeutung waren die Stifter und Wohltäter der Abtei. Einige Beiträge beleuchten diesen Aspekt von unterschiedlichen Seiten aus. Während sich Claude Groud-Cordray vor allem mit den Wohltätern der Abtei in den ersten 35 Jahren ihres Bestehens, d. h. vor allem mit der Familie de Fougères, befasst (L'abbaye de Savigny et ses premiers bienfaiteurs. Les enjeux d'une fondation (1112-1147), 85-101), richtet Daniel Pichot seinen Blick auf die Etablierung von Netzwerken, die das Kloster mit verschiedenen Adelsfamilien in den Diözesen Avranches, Le Mans und Rennes verbanden (L'abbaye de Savigny et l'aristocratie (XIIe-XIIIe siècles), 103-117). Der Rolle der Grafen von Mortain spürt Christophe Mauduit in einem eigenen Aufsatz nach (Les comtes de Mortain et l'abbaye de Savigny (1112-1214), 119-145).
Zur Erfolgsgeschichte gehört freilich nicht nur die Unterstützung durch lokale Adelsnetzwerke, sondern auch die rasche Expansion über den Ärmelkanal hinaus. Janet Burton widmet sich diesem Aspekt, betont dabei die politische Rückendeckung durch die Herzöge der Normandie, die in dieser Zeit in Personalunion als Könige Englands fungierten, und hebt ansonsten auf die geographischen und sozialen Implikationen der Expansion, insbesondere auch vor dem Hintergrund wachsender Spannungen der englischen Klöster mit dem Mutterhaus in Savigny, ab (L'arrivée de l'ordre savignien en Angleterre et au pays de Galle, 149-162). Daniel Power exemplifiziert Burtons Bemerkungen am Beispiel der 1129 von Richard of Granville gegründeten walisischen Abtei von Neath (L'abbaye de Neath, fille galloise de l'ordre de Savigny, 177-191). Die Abtei, deren Archivbestand zu großen Teilen verloren ist, wurde von den Vertretern der pura Wallia als Fremdkörper, als Vorposten der normannischen "Eroberer", empfunden - und dies nicht ganz zu Unrecht.
Wohl kein Abt von Savigny hat einen höheren Bekanntheitsgrad erreicht als Stephen Lexington, der dem Kloster seit 1229 vorstand. Mit ihm beschäftigt sich Lindy Grant (Étienne de Lexington et l'abbaye de Savigny au XIIIe siècle, 193-202). Nach dem Abtsamt hatte sich Stephen offensichtlich nicht gesehnt: als an den Pariser Schulen ausgebildeter Gelehrter fürchtete er die Abgeschiedenheit und vermeintliche Unkultur des Klosters. Sein Amt versah er jedoch so gut, dass er 1243 zum Abt von Clairvaux gewählt wurde. Rückschlüsse auf sein Tun erlaubt ein bis 1240 reichendes Register seiner Briefe und Visitationsreisen, das überzeugend ausgewertet wird.
Der einzige historische Beitrag, der sich mit der Geschichte Savignys in der Neuzeit befasst, stammt aus der Feder des bestens ausgewiesenen Bertrand Marceau (La réforme de Savigny au XVIIe siècle, 203-216). Seit 1501 stand ein Kommendatarabt an der Spitze von Savigny, der nicht vor Ort residierte und der Abtei erhebliche Mittel entzog. Erstaunlich ist, dass die Einkünfte trotz stärkerer Besteuerung, sporadischer Plünderungen und der Kommende vergleichsweise stabil blieben. Der Konvent selbst war im 17. Jahrhundert zwischen den einzelnen Observanzen zerrissen: Erst ab 1676 setzte sich die strenge Observanz durch.
Mit den fünf überlieferten normannischen "Totenrollen" (die später im bayerisch-österreichischen Raum "Rotelbücher" genannt wurden) beschäftigt sich der beste Kenner dieser Quellengattung, Jean Dufour (Les roulaux des morts "normands" (1066-1130), 289-303). Er richtet dabei seinen Blick vor allem auf diejenige Rolle, durch die das Ableben des Vitalis, des ersten Abtes von Savigny, bekannt gegeben wurde und analysiert die 208 auf ihr verzeichneten Kirchen, in denen man Gebete für den Verstorbenen versprach.
Mit den in der Pfarrkirche von Savigny-le-Vieux verwahrten, aus der zerstörten Abteikirche stammenden Reliquien beschäftigen sich Véronique Gazeau und Cécile Chapelain de Seréville-Niel (Le dossier des reliques de Savigny. Étude historique et anthropologique, 321-344). Die anthropologisch ausgerichtete Untersuchung demonstriert, welche Aussagen durch die Verwendung modernster Untersuchungstechniken an den Reliquien möglich werden, zeigt aber auch die Grenzen dieser Methode auf. Osteologische Untersuchungen offenbaren, dass es sich bei einem Großteil der Reliquien zumindest um (innerhalb der Skelettstruktur genau lokalisierbare) Menschenknochen handelt - nur ein Reliquiar enthält Tierknochen. Die Reliquien sind mindestens sieben Individuen zuzuordnen, was kirchliche Autoritäten angesichts von lediglich fünf zu verehrenden Heiligen zukünftig vor gewisse Schwierigkeiten stellen dürfte.
16 Karten und farbige Photographien guter Qualität illustrieren eine Aufsatzsammlung, die den status quo der Forschungen zum Ordensverband von Savigny in seiner mittelalterlichen Blütezeit zuverlässig abbildet. Die Frage danach, weshalb man 1147 den Anschluss an die Zisterzienser suchte, wird vor allem vor dem Hintergrund der politischen Großwetterlage in England beantwortet. Savigny geriet nach dem Tod Heinrichs I. von England und angesichts eines in Bürgerkrieg ausartenden Nachfolgeproblems in schweres Fahrwasser. Diesen Aspekt gilt es zukünftig ebenso wie die Geschichte Savignys und seiner Klöster in der Frühen Neuzeit weiterzuverfolgen.
Ralf Lützelschwab