Anne Bielman Sánchez (ed.): Power Couples in Antiquity. Transversal Perpsectives (= Routledge Monographs in Classical Studies), London / New York: Routledge 2019, XII + 214 S., 14 s/w-Abb., ISBN 978-1-138-57526-4, GBP 115,00
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Dem Sammelband liegt das moderne Konzept von "power couples" zugrunde: zwei sich gegenseitig stärkende Partner, die in den Medien als einflussreiches Paar auftreten und entsprechend vor allem in dieser Zweierkonstellation wahrgenommen werden (1). Ziel der Publikation ist es, anhand von neun Fallbeispielen vom argeadischen Makedonien bis in die julisch-claudische Dynastie zu überprüfen, ob das Konzept auch für Phänomene antiker Paarerscheinungen im politischen Führungsbereich anwendbar ist.
In einer detaillierten Einführung (1-15) definiert Anne Bielman Sánchez als Prämisse, was im Folgenden unter "power couple" zu verstehen sei: Erstens seien "power couples" von "ordinary couples" abzugrenzen. Letztere unterschieden sich in Bezug auf "qualities, activities, and behaviours" sowie Position und Attributen nicht von ihren anderen Statusangehörigen (1). Zweitens handle es sich bei "power couples" um Paare aus lebenden Erwachsenen, jeweils einem Mann und einer Frau, die in einer sexuellen Beziehung stünden, etwa ablesbar anhand gemeinsamer Kinder (2). Hinzu komme, dass mindestens einer der beiden in einer politischen Führungsposition sei. Zu erforschen sei die "real-life experience" dieser Paare (3) - gemeint sind die Hierarchien innerhalb der Partnerschaft und ihre öffentlichen Rollen.
Die Crux an solchen modernen, griffigen, klangvollen Konzepten und interessanten Ansätzen ist oft die Übertragbarkeit auf antike Strukturen. Es ist einzukalkulieren, dass antike Verfasser oder Auftraggeber keine vergleichbaren Vorstellungen von "power couples" oder "first ladies" hatten. Hinzu kommt die Quellenlage: Insbesondere bei den makedonischen Beispielen tritt das Problem einer kargen, bezüglich der literarischen Quellen oft tendenziösen, Überlieferung auf, die gesicherte Schlüsse per se erschwert, wie die Autorinnen der jeweiligen Kapitel auch betonen.
Besonders anschaulich und lehrreich hinsichtlich des Umgangs mit einer schwierigen Quellenlage sind die vier ausgezeichneten Beiträge zu argeadischen und hellenistischen Paaren, deren Auftreten jeweils sorgfältig in den historischen Kontext eingebettet wird. Elizabeth Carney zeigt fundiert und überzeugend auf, inwiefern Philipp II. und Olympias die argeadische Repräsentationspolitik prägten (16-31). Sie geht zudem auf die Vorreiterrolle Eurydikes ein, die Gattin Amyntas' III., die als erste Argeadin mit eigenem öffentlichen Profil sichtbar wurde. [1] Marie Widmer problematisiert anhand der Analyse epigraphischer Zeugnisse das Paarkonzept für das Seleukidenreich (32-41). Monica d'Agostini behandelt kenntnisreich die Rolle von Kleopatra Thea in ihren verschiedenen Ehen und betont bei der Analyse der numismatischen Quellen, dass ein Porträt auf Münzen nicht per se ein Indikator für politischen Einfluss sei (42-68). Anne Bielman Sánchez und Virginie Joliton vergleichen die Darstellung in primären und sekundären Quellen von Arsinoë III. und Ptolemaios IV. mit der von Ptolemaios VIII. und Kleopatra II. (69-98).
Der Schritt in die römische Welt wird von Marie Ferriès eingeleitet. Sie analysiert die jeweilige politische Agenda von Kleopatra VII. und Marcus Antonius (99-115) und spiegelt schlüssig weniger das Bild eines Paars als einer Allianz wider. Ann-Cathrin Harders widmet sich am Beispiel der Ehen von Marcus Antonius der Frage, wie er mit seiner jeweiligen Frau von der römischen Öffentlichkeit gesehen wurde (116-135). Francesca Cenerini beleuchtet anschaulich und überzeugend die politischen Hintergründe und repräsentativen Strategien, mit denen Augustus und Livia zum "exceptional and eternal couple" wurden (136-149). Zudem analysiert sie Livia als "an example of the need for reconciliation between the men, women, and ordines in a Roman society, that (...) had been torn asunder by a century of civil wars" (144), und betont, dass ohne das Zutun von Augustus nichts über Livia bekannt geworden wäre (144). Judith P. Hallett betrachtet die Darstellung der Cornelia als einer idealen augusteischen Matrone bei Propertius (4,11) (151-165). Im letzten Beispiel stellt Thomas Späth die in der Einleitung zugrunde gelegte Prämisse der Außergewöhnlichkeit der Paare in Frage. Anhand von Claudius und dessen Ehefrauen Messalina und Agrippina legt er dar, dass es sich um "ordinary couples in an extrardinary position" gehandelt habe (166-178). Die einzelnen Beiträge sind übersichtlich mit einer eigenen Bibliographie ausgestattet.
In einem ausführlichen Fazit der Herausgeberin (179-208) wird die Anwendbarkeit des Konzepts der "power couples" auf die Antike gerechtfertigt. In den überwiegend sehr differenzierten, quellenkritischen Kapiteln wurde diese Kompatibilität jedoch eher in Frage gestellt und der Eindruck vermittelt, dass der Gegenwartsbezug, etwa auch zu "supercouples" und "superfamilies" wie den Beckhams und Kardashians (7), stellenweise recht bemüht ist. [2] Diese Beobachtung stellt jedoch nicht in Abrede, dass es sich um einen sehr anregenden, informativen und lohnenden Band handelt. Er beinhaltet viele interessante und lehrreiche Einblicke über Aspekte von Dualität, vor allem im Bereich Repräsentation.
Anmerkungen:
[1] Zu Eurydike siehe E.D. Carney: Eurydice and the Birth of Macedonian Power, Oxford 2019.
[2] Auch ist etwas gewöhnungsbedürftig, dass etwa Rupert Murdoch oder Frank Sinatra im allgemeinen Index (209-214) neben Kynnane oder Tacitus auftauchen.
Sabine Müller