Christian Seebacher: Zwischen Augustus und Antinoos. Tradition und Innovation im Prinzipat Hadrians (= Studies in Ancient Monarchies; Vol. 6), Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2020, 443 S., ISBN 978-3-515-12586-4, EUR 72,00
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Das Buch ist die überarbeitete Fassung einer unter dem Patronat von Ulrich Gotter entstandenen Konstanzer Dissertation. Christian Seebacher hat sich darin die schwierige Aufgabe gestellt, das Gesamtkonzept des hadrianischen Prinzipats in kritischen Punkten neu zu interpretieren. Seine sehr interessanten Hauptthesen dürften etwa so zusammengefasst werden: Hadrians Position als Kaiser wird hier analysiert besonders vom Blickwinkel ihrer Prekarität sowohl gegenüber seinem allseits gepriesenen Vorgänger und umstrittenen testamentarischen Adoptionsvater, dem optimus princeps Trajan, als auch gegenüber einer sehr zurückhaltenden Senatsaristokratie, die die anfänglichen Säuberungen wegen der sog. Verschwörung der Konsulare nie ganz verdrängen konnte, des weiteren gegenüber einem Heer, das sich mit der Idee und der Wirklichkeit einer weitgehend defensiven Politik vor der barbarischen Umwelt des Reiches erst anfreunden sollte und musste, und schließlich in Bezug auf eine bessere Berücksichtigung des griechischen Ostens, ohne dass dies der römischen Tradition und dem Kaiser als ihrem ideellen Garanten sehr problematisch würde. Wie der Untertitel des Werkes schon andeutet, sieht Seebacher Hadrians systematischen und organischen Verweis auf Augustus als seine fundamentale Bindung mit der römischen Tradition und dem Prinzipatsgründer als Legitimationsquelle an, während seine Beziehung mit und die Vergöttlichung des Antinoos einen erneuernden Wertinhalt kaiserlicher Politik gegenüber dem Osten und eine entschiedene Autoritätsgeste gegenüber dem Senat symbolisierte.
In einem ersten Teil ('Einleitung', 9-37) untersucht Seebacher die Zeugnisse zur Verschwörung der vier Konsulare, die ein Attentat gegen Hadrian geplant haben sollen, und kommt zum Schluss, dass sie keine Art 'Systemwechsel' bezweckte, sondern sich im Rahmen der häufigen Konkurrenzsituation zwischen Senatoren und Kaiser bewegte, darum aber auch eine schwere Hypothek für die Beziehungen Hadrians mit dem Senatorenstand bedeutete. Die Grundweichen von Seebachers Erklärungsdenken werden dann besonders in Zusammenhang mit den Thesen Egon Flaigs zur Prinzipatsstruktur und dem soziologischen Interpretationsschema von Pierre Bourdieu (Hauptidee des sozialen Kapitals) und im Dialog mit der älteren Hadrian-Bibliographie gestellt.
Der zweite Teil ('Hadrian und Augustus', 38-187) gilt der detaillierten Verdeutlichung der feinen Anlehnung Hadrians an die Gestalt des Augustus, nicht als eine regelrechte Imitation, sondern in der Art einer tieferen - und auf die propagandistische Überholung von Trajans Leistung abzielende - Rückkehr zum Gründungsmodell der Prinzipatsideologie im Sinne einer restitutio. In diesem Sinne geht Seebacher ausführlich auf das Münz- und Bauprogramm (v.a. Pantheon, Doppeltempel von Venus und Roma, Erweiterung des Pomeriums) Hadrians ein und erkennt daran seine Absicht, sich als 'Neugründer' Roms (bes. 173-175) darzustellen.
Der dritte Teil ('Hadrian und Griechenland', 188-393) widmet sich den 'griechischen' Aspekten hadrianischer Herrschaft. Sich stützend auf Analysen der literarischen Quellen (Cassius Dio, Aurelius Victor, Epitome de Caesaribus und Historia-Augusta-Vita), aber auch die archäologischen und epigraphischen Zeugnisse in akribischem Detail auswertend, bespricht Seebacher insbesondere die Funktionen des stadtrömischen Athenaeum, der Villa Hadriana und des Kultes von Antinoos und seiner Formen - nicht nur im Osten, sondern (beschränkter aber doch auch) in Italien. Damit integriert er eine vergleichende Untersuchung der offiziellen Vergöttlichung der Sabina und ihres Sinngehalts im Rahmen der hadrianischen Politik (282-381). Seine primären Schlussfolgerungen sind dann, dass der Kaiser durch die Vergöttlichung des bithynischen Jünglings und sein weiteres philhellenisches Verhalten nicht nur seine Griechenlandnähe bezeugte, sondern auch seine selbstbewusste Independenz gegenüber dem Senat andeutete (so bes. 381). Auch Hadrians Barttracht entgeht Seebachers Interpretationseifer nicht (382-393), mit dem Schluss, dass auch hier der Kaiser nicht in der Rolle 'eines selbstvergessenen Graeculus, sondern jene eines in seiner Selbstbeschreibung für die Zeitgenossen klar und (wie all seine Vorgänger) different konturierten römischen Princeps!' (393) erscheint.
In einem vierten Teil ('Schlußbetrachtung und Ausblick: Die Prekarität des hadrianischen Prinzipats', 394-409) fasst Seebacher seine Forschungsergebnisse zusammen und geht auch auf die heikle Beziehung des Kaisers zu seinem weitgehend und klug sowohl 'pazifizierten' wie auch kriegsbereiten Heer ein (mit interessanten Gedanken zum Hadrianswall und zur bekannten Inschrift von Lambaesis). Mit einem Appendix zu Sabinas Heirat als eben keinem Zeugnis einer Designationsstrategie in der Prinzipatsnachfolge (410-412) und einer reichlichen Bibliographie (413-437) [1] und den Registern (438-443, leider ohne Quellenregister) wird die Arbeit gekonnt abgerundet.
Dies ist ein wichtiges, weder leicht geschriebenes noch stets leicht lesbares Werk. Seebachers Argumentation ist immer intelligent und raffiniert, manchmal kann aber auch der sorgfältige Mitdenker das Gefühl eines geistigen - und wortreichen - Seiltanzes nicht unterdrücken, welcher eine Synthese gegenteiliger Thesen unbedingt anstrebt. Besonders scheint hier die - freilich schwer fassbare - persönliche Dimension (gegenüber der reinen Politik) bei einem Kaiser eben dieser Art vernachlässigt worden zu sein. Der ironisierte Graeculus mit der selbstzugestandenen animula vagula blandula bleibt wohl noch zu suchen, aber Seebachers wertvolle Arbeit wird bestimmt ein sehr nützlicher Wegweiser bei diesem Dauerunternehmen sein.
Anmerkung:
[1] Die Arbeiten von Keith Bradley: Recovering Hadrian, Klio 94 (2012), 130-55, und des Rez.: Zum hadrianischen Regierungsstil im griechischen Osten oder vom kaiserlichen Agieren und Reagieren, in: Staatlichkeit und politisches Handeln in der römischen Kaiserzeit, hg. von Hans-Ulrich Wiemer, Berlin 2006, 41-54, hätten zum Gedankenreichtum des Buches auch beitragen können.
Kostas Buraselis