Bettina Baumgärtel / Jan Nicolaisen (Hgg.): Caspar David Friedrich und die Düsseldorfer Romantiker, Dresden: Sandstein Verlag 2020, 208 S., Ill., ISBN 978-3-95498-581-4, EUR 38,00
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Jan Nicolaisen: Niederländische Malerei 1430-1800. Museum der bildenden Künste Leipzig. Unter Mitarbeit von Rüdiger Beck bei den gemäldetechnologischen Untersuchungen. Hrsg. von der Maximilian Speck von Sternburg Stiftung im Museum der Bildenden Künste Leipzig, Leipzig: E. A. Seemann Verlag 2013
Caspar David Friedrich gilt heute als eine der bekanntesten Persönlichkeiten der europäischen Kunstgeschichte. Dass er in der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als ein "Kleinmeister" angesehen wurde, ist meist nur Spezialisten bekannt. Eine neue Publikation, die anlässlich der Ausstellung "Caspar David Friedrich und die Düsseldorfer Romantiker" erschien, versucht zu ergründen, wie es dazu kam, dass dieser bedeutende Künstler schon gegen Ende seines Lebens in Vergessenheit geriet.
Die Ausstellung selbst war von Oktober 2020 bis Januar 2022 in Leipzig und in Düsseldorf zu sehen und präsentierte den Besuchern knapp 150 Werke von Caspar David Friedrich und anderen deutschen Landschaftsmalern aus den 1830er und 1840er-Jahren, die den sogenannten Düsseldorfer Romantikern zugeordnet werden. Die eigentliche Sensation an der Schau war jedoch, dass ungefähr die Hälfte der Exponate von Caspar David Friedrich selbst stammte. Der begleitende Ausstellungskatalog ist gut 200 Seiten stark und enthält neben zahlreichen hervorragenden Reproduktionen drei kürzere Essays.
In der Einleitung weisen Bettina Baumgärtel und Jan Nicolaisen zunächst darauf hin, dass unsere heutige Vorstellung von der romantischen Epoche sehr von Persönlichkeiten wie Caspar David Friedrich geprägt ist (13). Friedrich war jedoch nur einer von vielen Romantikern und "romantisch" war für die Zeitgenossen ein Synonym für "modern" oder "unklassisch". Daher wäre es korrekter, von mehreren, teilweise national oder regional geprägten Romantiken zu sprechen. Im Anschluss daran kommen die Autoren darauf zu sprechen, dass Johann Wolfgang von Goethe schon um 1810 herum Friedrichs Kunst als einen "Irrweg" bezeichnete und in seinen Werken den Ausdruck seiner psychischen Erkrankung sah (15). Goethes Ideen wurden von den späteren Kritikern Friedrichs aufgegriffen, wobei noch hinzukam, dass man die Arbeiten des Dresdners als unrealistisch empfand. Hingegen entsprachen die Werke des jüngeren Carl Friedrich Lessing, der von der Kritik gefeiert wurde, viel eher dem Zeitgeschmack. Schließlich machen Baumgärtel und Nicolaisen auch auf einige Umstände aufmerksam, die das Verhältnis zwischen Ost und West bis heute prägen (21-22): So konnten die Düsseldorfer ihre Werke gut vermarkten, während Friedrich in Armut verstarb. Erstere waren außerdem auch international hervorragend vernetzt, weshalb ihre Kunstakademie viele ausländische Studenten anzog. Hingegen war die Dresdner Akademie eher national ausgerichtet.
Johannes Grave versucht, anhand eines Vergleichs von Louis Ammy Blanc's Kirchgängerin mit Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer Gemeinsamkeiten zwischen Friedrich und den Düsseldorfer Romantikern herauszuarbeiten (25-31). Hierbei kann er aber nur auf sehr allgemeine stilistische Eigenschaften verweisen. Eine Parallele ortet er etwa darin, dass bei beiden Gemälden die Gattungsgrenzen verwischt werden, da wir es mit Porträts zu tun hätten, die zugleich auch Genre- beziehungsweise Landschaftsbilder seien (26-27). Allerdings ist eher zu bezweifeln, dass der Wanderer als ein Porträt konzipiert ist, da es sich bei diesem um eine nicht identifizierbare Rückenfigur handelt. Außerdem sieht Grave unter anderem auch darin eine Gemeinsamkeit, dass bei beiden Gemälden keine eindeutige Interpretation möglich sei (29). Doch gerade in dieser Hinsicht unterschieden sich die Werke sehr deutlich voneinander: Blanc's Kirchgängerin besitzt nämlich eine viel einfachere inhaltliche Struktur als der Wanderer und wurde schon früh als Personifikation der Frömmigkeit interpretiert. Man hätte ohne Zweifel Gemeinsamkeiten zwischen Friedrich und den Düsseldorfer Romantikern aufzeigen können, doch dafür wären Vergleiche von ähnlicheren Werken nötig gewesen.
Florian Illies will gerade auf die Unterschiede zwischen Friedrich und den Düsseldorfern hinweisen. Durch eine vergleichende Analyse von Himmelsdarstellungen versucht er zu zeigen, dass die Künstler auf die "metaphysische Obdachlosigkeit", die durch den "Schock der Aufklärung" ausgelöst wurde, sehr unterschiedlich reagierten (33-34). Zwar sind in dieser Hinsicht tatsächlich große Unterschiede feststellbar, jedoch ist Illies Beweisführung nicht überzeugend. So vergleicht er etwa den Untergang der President von Andreas Achenbach mit Friedrichs Mönch am Meer - zwei Werke, die eigentlich nichts miteinander verbindet, außer der Tatsache, dass auf beiden das Meer zu sehen ist.
Die ausgestellten Gemälde und Zeichnungen teilten die Kuratoren in sieben Gruppen, die sie in kurzen einleitenden Texten charakterisierten.
Die erste Gruppe widmeten sie dem Thema der Atelierszenen. Allerdings wurden nicht nur Atelierbilder, sondern auch einige (Selbst-)Porträts von Friedrich in diese Kategorie eingeordnet. Maria Zinser meint, dass die (Selbst-)Porträts Friedrich als das einsame romantische Genie zeigen, während in den Düsseldorfer Atelierszenen die freundschaftliche Arbeitsgemeinschaft als Quelle der Kreativität thematisiert werde (44).
Im Fokus der zweiten Gruppe stand die Natur als Andachtsort. Hier waren unter anderem Gemälde wie Friedrichs Riesengebirge (Vor Sonnenaufgang) aus Berlin oder Richters Abendandacht aus Leipzig ausgestellt. Baumgärtel zufolge geht es auf der einen Seite um den mystischen Zusammenhang zwischen äußerer und innerer Natur, während bei den erzählfreudigeren Düsseldorfern die Landschaft häufig im wörtlichen Sinn als Andachtsort dient (51-52).
In der nächsten Gruppe wurden Werke wie Friedrichs Kreuz im Gebirge aus Düsseldorf mit Gemälden von verschneiten Friedhöfen, gotischen Kirchenruinen und einsamen alten Kapellen zusammengestellt. Nicolaisen meint, Friedrich und seine Zeitgenossen wollten in derartigen Werken die Korrespondenz von Gott und Natur begreifbar machen (75).
Äußerst beeindruckende Arbeiten waren in der Gruppe "Bilder vom Meer als Grenzerfahrung" zu bewundern. Diese bestand hauptsächlich aus Gemälden und Zeichnungen Friedrichs, darunter den Lebensstufen, dem Seestück bei Mondschein und dem Felsenriff am Meeresstrand. Laut Nicolaisen wird in diesen Werken der in der Romantik zentrale Begriff der Unendlichkeit thematisiert (101).
Im Fokus der nächsten Sektion stand die Arbeitsweise der Künstler. Diese beschreibt Baumgärtel anhand von Zeichnungen und Gemälden von Landschaften und Landschaftsdetails (121-122). Sowohl Friedrich als auch die Düsseldorfer malten Phantasielandschaften, die sie aus einzelnen, in der Natur vorgefundenen Motiven zusammenstellten. Jedoch spielt das malerische Element bei Düsseldorfern wie Johann Wilhelm Schirmer schon bei den Studien eine wichtigere Rolle als bei Friedrich, der bis zu seinem 34. Lebensjahr nur Zeichnungen anfertigte und sich bei seinen Gemälden sehr genau an die Studien hielt.
In der vorletzten Gruppe waren Gemälde zu sehen, die Landschaften in Deutschland beziehungsweise benachbarten Gebieten darstellten, darunter Friedrichs Ziehende Wolken über dem Riesengebirge und Lessings Schlesische Landschaft. Zinser zeigt das verstärkte Interesse deutscher Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts für ihre Heimatregionen (145). So waren für die Düsseldorfer im Rahmen der sogenannten Ritterromantik vor allem Landschaften wie das Rheintal mit seinen zahlreichen Burgen wichtige Motive, während es Friedrich etwa in die Sächsische Schweiz zog.
Ein wichtiges Thema ist in der Romantik auch die Nacht, der die siebte Werkgruppe gewidmet war. Baumärtel zufolge glaubten die Frühromantiker, sie beflügle die kreative Phantasie (169). Auf der anderen Seite wurde sie aber auch mit Depression und Tod assoziiert. In diese Richtung tendieren Werke wie Friedrichs Küstenlandschaft im Mondschein aus dem Louvre und auch Johann Peter Hasenclevers Sentimentale gehört in diesen Kontext, bei der es sich um die ironische Darstellung einer Leserin romantischer Liebesromane handelt.
Insgesamt ist "Caspar David Friedrich und die Düsseldorfer Romantiker" ein hervorragend konzipiertes und in die Tat umgesetztes Projekt. Der Katalogtext ist zwar nicht allzu umfangreich, enthält aber dennoch wesentliche Informationen und zeugt vom tiefen Einblick der Autoren in die Epoche der Romantik beziehungsweise die deutsche Landschaftsmalerei der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Positiv hervorzuheben ist nicht zuletzt die Idee, die verhältnismäßig unbekannten Düsseldorfer Romantiker zusammen mit einem großen Namen wie Caspar David Friedrich auszustellen. Dadurch haben sicherlich mehr Besucher die Werke dieser Künstlergruppe kennengelernt, als wenn man eine Ausstellung nur über sie organisiert hätte. Zwar sind die Düsseldorfer in mehrerer Hinsicht nicht mit Friedrich vergleichbar, aber gerade im Vergleich mit Friedrich zeigt sich ihre ganz besondere Qualität.
Anna Simon