Rezension über:

Jörg Sonntag (Hg.): Die Gesetzgebung der Cauliten im 13. Jahrhundert. Ausgewählte Zeugnisse ihrer Verfassung. Edition und Übersetzung (= Klöster als Innovationslabore. Studien und Texte; Bd. 10), Regensburg: Schnell & Steiner 2022, 352 S., 11 Farb, 4 s/w-Abb., 5 Tbl., ISBN 978-3-7954-3731-2, EUR 39,95
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Rezension von:
Thomas Richter
Institut für Katholische Theologie, RWTH Aachen
Redaktionelle Betreuung:
Ralf Lützelschwab
Empfohlene Zitierweise:
Thomas Richter: Rezension von: Jörg Sonntag (Hg.): Die Gesetzgebung der Cauliten im 13. Jahrhundert. Ausgewählte Zeugnisse ihrer Verfassung. Edition und Übersetzung, Regensburg: Schnell & Steiner 2022, in: sehepunkte 22 (2022), Nr. 12 [15.12.2022], URL: https://www.sehepunkte.de
/2022/12/37465.html


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Jörg Sonntag (Hg.): Die Gesetzgebung der Cauliten im 13. Jahrhundert

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Die Cauliten gehören zu den wenig bekannten kleineren Ordensverbänden, die sich im Hochmittelalter herausbildeten. Aus der wiedererstarkenden Eremitenbewegung heraus versuchten sie eine explizite Betonung strenger Askese, strenger Beachtung der Klausur und schroffer Abkehr von der Welt. Zudem legten sie Wert auf kleine Konvente mit einer überschaubaren Anzahl von Mönchen und Konversen. Darin haben die Cauliten - wie auch die Grandmontenser - Ähnlichkeiten mit der kartäusischen Lebensweise, die sich ebenfalls vom Konzept des Großklosters benediktinisch-zisterziensischer Prägung abgrenzte. Mit anderen kleinen Ordensgemeinschaften wie den Wilhelmiten, den Grandmontensern oder auch den Camaldulensern teilen die Cauliten das Schicksal, durch die Dominanz von Cluny und Cîteaux von der (deutschsprachigen) Forschung an den Rand gedrängt worden zu sein. [1]

In jüngerer Zeit erschien in englischer Sprache eine Gesamtdarstellung zur caulitischen Geschichte von Phillip C. Adamo, der zum vorliegenden Band ein Geleitwort beigesteuert hat. [2] Darauf aufbauend, hat Jörg Sonntag es sich zur Aufgabe gemacht, die Überlieferung zur caulitischen Gesetzgebung erstmals kritisch zu edieren. Diese Überlieferung ist zwar dünn, die Zahl der Handschriften insgesamt übersichtlich (zwei Codices und ein Druck des 18. Jahrhunderts auf der Basis einer heute verlorenen Handschrift). Die Handschriften weisen zum Teil nicht unerhebliche Varianten auf, die die Arbeit mit früheren, teils schwer greifbaren Textausgaben erschweren. [3]

Das Stammkloster in Val-des-Choux (Vallis Caulium) in Burgund wurde um das Jahr 1193 mit starker Unterstützung des burgundischen Herzogs als Eremitensiedlung gegründet. Guido, der erste Prior, hatte einen kartäusischen Hintergrund, stammte er doch aus der Kartause Lugny. Die Lebensweise in Val-des-Choux entwickelte sich zu einer Mischform aus kartäusischen und zisterziensischen Elementen, die der Regula Benedicti zunächst eher distanziert gegenüberstand und diese eher als spirituelle, nicht aber als institutionelle Grundlage ansah. Im Laufe des 13. Jahrhunderts entstanden etwa zwanzig Tochterklöster (die meisten unmittelbar vom Mutterkloster gegründet), vornehmlich in Frankreich, drei jedoch auch in Schottland. Der Orden blieb also stets klein. Wie so oft galt es, das zunächst nur praktische Lebensbeispiel des charismatischen Gründers über dessen Tod hinaus zu bewahren und durch Verschriftlichung zur Richtschnur des klösterlichen Lebenswandels zu machen - so auch in Val-des-Choux, wo alsbald constitutiones und statuta sowie Ordnungen für die Konversen und die Liturgie entstanden.

Das Buch bietet eine kritische Edition der lateinischen Texte und deren deutsche Übersetzung. Die Edition ist übersichtlich gestaltet (auch wenn dadurch manche Seite halb leer bleibt), die Einteilung der Kapitel und ihre Zählung handlich. Sie umfasst in zweisprachiger Ausgabe den Großteil des Buches (99-307). Darin enthalten sind die Konstitutionen, die Konversenordnung und zwanzig Statutensammlungen der Generalkapitel der Jahre ca. 1225 bis 1289. Daran schließen sich zwei Konkordanzen an (311-331). Ein Bildteil zeigt Fotografien der originalen Handschriften (87-96). Die Beschreibung der Textzeugen ist gründlich (76-84). Das gegliederte Register (Sachen, Orte, Quellen, Namen) dient der zügigen Orientierung (343-352). Die Quellen- und Literaturliste zeigt, wieviel Forschungspotential noch in den Cauliten steckt (333-340).

Die Ordnung der Liturgie und weiterer consuetudines bildet in der handschriftlichen Überlieferung zwar den umfangreichsten Text; auf ihre Edition verzichtet Sonntag jedoch aus gutem Grund, da sie zu etwa 80% mit den ecclesiastica officia der Zisterzienser übereinstimmen. Stattdessen zeigt eine Konkordanz die relevanten Abweichungen auf (321-331). Der ordo de conversis weist dagegen trotz zahlreicher Übereinstimmungen mit dem usus conversorum von Cîteaux deutlichere Abweichungen von diesem auf, sodass der caulitische usus in die Edition inkludiert wurde (161-175).

Das bereits andernorts angemahnte Manko der Edition mag man möglicherweise darin sehen, dass sie nicht einer einzigen Leithandschrift folgt. [4] Der Herausgeber begründet dies jedoch stichhaltig mit dem Mangel an 'Leitfähigkeit' eines der drei Überlieferungsstränge, die nicht voneinander abhängig sind (79-83). Im kritischen Apparat zu constitutiones, ordo de conversis und statuta sind alle Unterschiede zwischen den Handschriften akribisch und sorgfältig kenntlich gemacht. Die deutsche Übersetzung folgt präzise dem Originaltext und ist zugleich gut lesbar. Ein Anmerkungsapparat hilft bei Verständnis und Einordnung.

Keineswegs zuletzt sei die umfangreiche Einleitung besonders hervorgehoben (21-84). Darin bietet Sonntag einen konzisen Überblick zu Gründung und Ausbreitung des Caulitenordens (einschließlich einer Karte der Klöster und einem Filiationsstammbaum), zu seiner inneren Struktur und insbesondere zu seiner Gesetzgebung und deren Überlieferung. Damit gibt es erstmals einen nennenswerten deutschsprachigen Beitrag zur Geschichte der Cauliten. Die Edition setzt Maßstäbe für die weitere Erforschung des Ordens von Val-des-Choux, die durch Sonntags Ausgabe nun deutlich besser zu erschließen ist.


Anmerkungen:

[1] Vgl. aber zu Grandmont Carol Hutchison: The Hermit Monks of Grandmont, Kalamazoo 1989; zu den Wilhelmiten wegweisend Kaspar Elm: Beiträge zur Geschichte des Wilhelmitenordens (= Münstersche Forschungen; 14), Köln 1962, jüngst die Edition von Jörg Sonntag (Hg.): Die Statuten der Wilhelmiten (1251-1348). Zeugnisse der Verfassung eines europäischen Ordens. Edition und Übersetzung (= Klöster als Innovationslabore; 5), Regensburg 2019.

[2] Phillip C. Adamo: New Monks in Old Habits. The Formation of the Caulite Monastic Order, 1193-1267 (Pontifical Institute of Medieval Studies), Toronto 2014.

[3] Vgl. v.a. Walter de Gray Birch (Hg.): Ordinale conventus Vallis Caulium. The Rule of the Monastic Order of Val-des-Choux in Burgundy, London 1900.

[4] Vgl. Tillmann Lohse: Rezension zu: Jörg Sonntag (Hg.): Die Gesetzgebung der Cauliten im 13. Jahrhundert. Ausgewählte Zeugnisse ihrer Verfassung. Edition und Übersetzung. Regensburg 2022, in: H-Soz-Kult, 07.09.2022, https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-117178.

Thomas Richter