Thomas Zotz / Andreas Schnauder / Johannes Kuber (Hgg.): Von den Welfen zu den Staufern. Der Tod Welfs VII. 1167 und die Grundlegung Oberschwabens im Mittelalter (= Oberschwaben. Forschungen zu Landschaft,Geschichte und Kultur; Bd. 4), Stuttgart: W. Kohlhammer 2020, 304 S., zahlr. Farbabb., ISBN 978-3-17-037334-1, EUR 29,00
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Eine Epidemie im Norden Roms änderte im 12. Jahrhundert den Lauf der Geschichte Südwestdeutschlands: 1167 begleitete Welf VII., der Sohn des in Schwaben reich begüterten Herzogs Welf VI., den Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa auf dessen Romzug. Doch brach im kaiserlichen Heerlager die Ruhr aus und Welf VII. starb. Welfs Vater hatte nun keinen Erben mehr, genoss das höfische Leben und verkaufte seine Besitztümer an seinen Verwandten Barbarossa. So ging das süddeutsche Welfenerbe an die Staufer über. Dies hatte langfristige Folgen für die Landes- und Reichsgeschichte bis in die frühe Neuzeit: Der Raum zwischen Donau, Lech und Bodensee - später Oberschwaben genannt - wurde zu einer Zentrallandschaft des römisch-deutschen Königtums.
Diesem Übergang und seinen Nachwirkungen widmet sich der Band "Von den Welfen zu den Staufern. Der Tod Welfs VII. 1167 und die Grundlegung Oberschwabens im Mittelalter". Zudem behandelt er die Erinnerung an die ehemaligen welfischen Herren. Die Publikation ging hervor aus einer Tagung in Weingarten im Jahr 2017, 850 Jahre nach dem Tod Welfs VII. Die Herausgeber sind der Region verbunden: Thomas Zotz ist Freiburger Emeritus der mittelalterlichen und südwestdeutschen Landesgeschichte, Andreas Schmauder war Direktor des Stadtarchivs und des Museum Humpis-Quartier in Ravensburg, und Johannes Kuber ist Fachbereichsleiter Geschichte an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Als Zielsetzung formulieren sie einleitend, "ein genaueres Verständnis der Grundlegung Oberschwabens auf der Basis des ehemaligen Welfenlandes" zu legen; neben "der Nachwirkung des herrschaftlichen Wandels im 12./13. Jahrhundert" wollen sie "der Erinnerung an die Zeit der Welfen" nachgehen (9). Damit verspricht der Band eine solide Synthese von Kenntnissen auf Basis bis ins 20. Jahrhundert etablierter politik-, sozial- und kulturgeschichtlicher Fragestellungen.
Inhaltlich gliedert sich die Publikation in 14 Beiträge: Die ersten vier (von Matthias Becher, Thomas Zotz, Heinz Krieg und Wolfgang Stürner) behandeln die Vorgeschichte und Ausgangslage des Herrschaftsübergangs, die übrigen erörtern die Auswirkungen auf verschiedene, sozial gestaffelte Akteursgruppen in der Region sowie die Erinnerung an die Welfen. Dabei widmen sich die Beiträge fünf und sechs (von Harald Derschka und Karel Hruza) bedeutsamen Ministerialenfamilien, die Beiträge sieben bis neun (von Nina Gallion, Andreas Schmauder und Rolf Kiessling) dem Städtewesen, die Aufsätze zehn bis zwölf (von Hans U. Rudolf, Johannes Waldschütz und Franz Fuchs) den Klöstern und die Aufsätze dreizehn und vierzehn (von Paul J. Heinig und Franz Quarthal) dem spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Herrschertum in der Region.
Immer wieder ergibt sich dabei, wie wenig der Übergang von "den Welfen" zu "den Staufern" ein Bruch war. Damit werden nochmals die Ergebnisse Werner Hechbergers zum Konstruktcharakter eines staufisch-welfischen Gegensatzes bestätigt. Auch wenn Becher und Zotz anmerken, dass die Beziehungen Barbarossas zu Welf VI. und Heinrich dem Löwen im Umfeld des Erbübergangs keineswegs durchgehend gut waren: Auch für die beiden "Welfen" untereinander galt dies. Jedenfalls fügte sich das Erbe nahtlos in Barbarossas schwäbische Hausmachtpolitik jener Jahre; und auch unter seinen Nachfolgern wandten sich die Grafen, übrigen Adeligen und Ministerialen der Region problemlos den Staufern zu, wie Krieg, Derschka und Hruza beschreiben. Letzterer weist sogar darauf hin, dass die Betroffenen in die Verhandlungen zur Erbvereinbarung mit einbezogen gewesen sein dürften; so war diese das "Produkt einer konsensualen Politik" (121). Auch die Betrachtung der Erinnerung an die Welfen zeigt, dass in den Klöstern der Region "Welfen" und "Staufer" als ein Familienverband galten; als Glättung muss dies sicher nicht gewertet werden (so aber Rudolf, 190).
Zur klösterlichen Erinnerungskultur erscheinen noch einige Ergebnisse interessant: Waldschütz' These, die Acta sancti Petri in Augia aus Stift Weißenau seien nicht auf eine rechtliche oder sakrale Funktion zu verengen; ebenso Waldschütz' Warnung, Weißenau besser nicht als welfisches Hauskloster anzusehen. Hinzu kommt Fuchs' Neufund eines Nekrologs aus Rottenbuch mit Erwähnung Welfs VII.
Die Beiträge zu den oberschwäbischen Städten beschreiben durchgehend die Stadtwerdung und den Emanzipationsprozess der Bürgergemeinden. Durch die neue Königsnähe fand dieser verzögert, ab dem Interregnum aber umso nachhaltiger statt. Besonders verdienstvoll erscheint hier die Perspektive Gallions, die elf Städte vergleicht. Schmauder kann am Beispiel Ravensburgs die regionale Sicht erfreulich weiten: Die dortige Große Handelsgesellschaft entfaltete ja europaweite Aktivitäten. Anhand der Städte wie der Ministerialen zeigt sich übrigens doch noch eine einschneidende Veränderung nach dem Besitzübergang: Die Schwaben waren nun enger an die Reichsspitze gebunden, was etwa Aufstiegsmöglichkeiten in der Reichsministerialität eröffnete.
Abschließend behandelt Heinig sehr umfassend die Beziehungen zum Königtum im gesamten Spätmittelalter; Quarthal gibt einen Ausblick in die habsburgisch geprägte frühe Neuzeit in der Region. Hier wird deutlich, dass die "traditionelle Symbiose" zwischen "Königtum und königsnahe(n) Herrschaftsträger(n) in Schwaben" selbst in den "krisenhaften Transformationsprozesse(n) des Spätmittelalters" fortwirkte; daher schritt "die territoriale Hegemonialisierung" nur zögerlich voran (273).
Insgesamt wendet sich der Band weniger dem historisch vergleichsweise unbedeutenden Welf VII. zu als den historisch bedeutsamen Entwicklungen, die dessen Tod anstieß. Dabei versammeln die Tagungsakten keine bahnbrechenden Forschungsinnovationen; der traditionelle Zugriff erlaubt dies kaum. Doch überzeugt das geschlossene Konzept des Bandes, das ersichtlich auf enger Abstimmung der Herausgeber und Autor:innen beruht: Alle Beiträge präsentieren in klarer Gliederung und in systematischem Zugriff einen Kenntnisstand zur Thematik, den gerne zur Hand nehmen wird, wer sich fundiert über oberschwäbische Entwicklungen vom 12. Jahrhundert bis ins Spätmittelalter zwischen Region und Reich informieren möchte.
Richard Engl