Werner Gebhardt: Die Hohe Karlsschule, ein Lehr- und Gewerbebetrieb in Stuttgart von 1770 bis 1794. Biographisches Lexikon und historische Beiträge, Stuttgart: W. Kohlhammer 2021, X + 397 S., eine s/w-Abb., ISBN 978-3-17-040100-6, EUR 79,00
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Die Karlsschule wurde 1770 von Herzog Carl Eugen von Württemberg (1728-1793) als moderne Bildungsanstalt der Tübinger Landesuniversität gegenübergestellt. 1781 verlieh ihr Kaiser Joseph II. das Universitätsprivileg. Die nun Hohe Karlsschule genannte Einrichtung wurde 1794 nach dem Tod des Herzogs geschlossen.
Die Hohe Karlschule bildete einen Forschungsschwerpunkt Werner Gebhardts. Bereits 2011 hatte er ein umfangreiches biographisches Lexikon zu den über 2200 Karlsschülern vorgelegt, die er dort den Kategorien A (Eleven, hier: Internatsschüler) und B (Oppidani, hier: Stadtstudenten) zugeordnet hat. Mit dem jetzt publizierten Band widmete sich Gebhardt dem weitaus unbekannteren Lehr-, Aufsichts- und Dienstpersonal, das an der Hohen Karlsschule in Stuttgart tätig war. Bei seinen mit enormem Fleiß und großer Akribie durchgeführten Forschungen konnte er insgesamt 348 Personen recherchieren. Er ordnete sie in eine C-Kategorie (282 Personen) und eine D-Kategorie (66 Personen) ein. Die jetzt biographierten Personen der C-Kategorie wurden aus den Adresskalendern des Herzogtums Württemberg der Jahre 1770-1794, also gleichsam einer amtlichen Quelle, ermittelt. Ergänzend wurden weitere Quellen herangezogen, mit denen Personen der D-Kategorie erfasst werden konnten. Gebhardt nennt hier beispielsweise Bewerbungsunterlagen von Personen, die sich auf eine Stelle an der Karlsschule beworben hatten. Die Seiten 199 bis 242 enthalten Nachträge, Ergänzungen und Korrekturen zu einigen der Eleven und Stadtstudenten im Karlsschüler-Band. Bei den aktuellen Recherchen konnte zudem ein bislang unbekannter Karlsschüler, Johann Friedrich Kauffmann, aufgefunden werden. Für ihn wurde eine eigene Klassifizierung eingeführt, da sich nicht eruieren ließ, ob er Internatsschüler oder Stadtstudent war (241f.).
Die Biographien der beiden Kategorien (C und D) nennen neben dem Namen den an der Karlsschule ausgebübten Beruf: z.B. Friedrich August Heyd, Akademie-Prediger; Johann Heinrich Hochstetter, Professor; Johann Friedrich (der Jüngere) Höllwirt (Hellwirt, Höllenwirt), Küchenmeister (68f.). Es folgen weitere biographische Angaben zu den Lebensdaten der Person und den beruflichen Karrierestationen sowie gegebenenfalls Ehrungen. Hieran schließen sich Angaben zu den Ehefrauen, Schwiegereltern und Kindern sowie zu den Ehen der Kinder und zu den, wenn möglich, Berufen der (Schwieger)Söhne. Familiale Netzwerke können so erhoben werden. Wenn vorhanden, werden Querverweise zu den Karlsschülern in Band 1 angefügt. Am Ende des Eintrags stehen Hinweise zu den ausgewerteten Quellen. Die zahlreichen Abkürzungen der Belegstellen können über ein Register (V. Quellen - Siglen - Stichworte) aufgeschlüsselt werden. Je nach Quellendichte fallen die Biogramme unterschiedlich umfangreich aus. Bei 85 der 282 Lehrer und Betreuer kann kein Sterbedatum ermittelt werden (vgl. Tabelle 3, 366ff). Eine "Schlussbetrachtung" führt gesondert jene "Lehrer und Betreuer [an], die selbst Karlsschüler waren" (Tabelle 1, 363f.). Von den 282 Lehrern und Betreuern waren das in den 24 Jahren des Bestehens der Karlsschule 55 Personen, was immerhin fast 20 Prozent entspricht. Von den ebenfalls eigens angeführten ausländischen Lehrern und Betreuern waren 15 Franzosen, neun Italiener, drei Schweizer sowie ein Engländer, ein Pole, ein Ungar und ein Russe. Insgesamt stammten mithin 31 Lehrer und Betreuer aus dem Ausland. Diese Ausländer unterstreichen zugleich die Toleranz und Aufgeschlossenheit dieser Bildungsanstalt in religiöser und nationaler Hinsicht.
Die Biogramme des Lehr-, Aufsichts- und Dienstpersonals werden ergänzt um den Wiederabdruck eines Aufsatzes von Rudolf Krauß zum Thema "Die Buch- und Notendruckerei der Hohen Karlsschule", der 1911 in den Württembergischen Vierteljahresheften für Landesgeschichte, Neue Folge XX, 1911, S. 209-234 publiziert worden war (Kapitel III). Drei Erinnerungen (Kapitel IV) an die Zeit auf der Karlsschule schließen sich an. Die erste stammt von Christoph Heinrich Pfaff und stellt einen Auszug seiner 1854 publizierten Lebenserinnerungen (18-45) dar. [1] Innerhalb der Auszüge aus "Leben und Reisen des Baron von Scheler, ehemaliger Russisch-Kaiserlichen Lieutenants bei dem Großfürstlichen Leibkürassier-Regiment, von ihm selbst in Briefen verfasset. Erster und Zweiter Theil - Frankfurt und Leipzig 1789" (297-316) findet sich ebenfalls ein kurzer Abschnitt, der sich mit dem "Unterricht an der ehemaligen Hohen Karlsschule in Stuttgart" befasst (315f.). Auf zwei Vorlagen (1914 und 1922) beruhen die "Erinnerungen eines Internatsschülers [Wilhelm Ludwig Tepper] der Karlsschule Stuttgart 1781-1783", die auf Französisch von Emile Longin publiziert wurden und für den vorliegenden Band übersetzt und abgedruckt wurden. Alle drei Erinnerungen geben in unterschiedlicher Dichte interessante Einblicke in Studieren und Leben an der Hohen Karlsschule.
Kritisch ist anzumerken, dass es wenig hilfreich ist, Verweise auf die Wikipedia pauschal zu nennen und Zitierlinks nicht auszuführen. Der Band übt an zwei Stellen deutliche Kritik an dem nicht in gedruckter Version, sondern auf den Seiten des Landeskirchlichen Archivs Stuttgart bereitgestellten und mit Recherchefunktionen versehenen Württembergischen Pfarrerbuch. [2] Ob Biogramme wie die Vorliegenden heute noch gedruckt werden müssen, darüber ließe sich fraglos trefflich diskutieren. Die zweifellos hilfreichen Korrekturen und Ergänzungen zum Karlsschüler-Band, die in den nun vorliegenden Band integriert sind, hätten bei einer digitalen Version einfach an Ort und Stelle ergänzt werden können. Sie stammen aus einer Hand, rechtliche Abstimmungsprobleme wären nicht entstanden. Eine Datenbank hätte beispielsweise eine Recherche nach den ermittelten Berufen vorsehen können. Abgesehen von den unterschiedlichen Auffassungen zur Präsentation biographischer Informationen muss festgehalten werden, dass Gebhardt mit seinen beiden Bänden einen gewichtigen Beitrag zur württembergischen Bildungsgeschichte geleistet hat. Sie sind eine wahre Fundgrube für bildungsgeschichtliche Studien. Ein Nachnamens- sowie ein Ortsregister erschließen den Band.
Anmerkungen:
[1] https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:gbv:8:2-2050345 (08.01.2023).
[2] https://www.wkgo.de/personen/personensuche (14.01.2023).
Sabine Holtz