Caroline Labrune: Fictions dramatiques et succession monarchique (1637-1691) (= Lumière Classique; 120), Paris: Editions Honoré Champion 2021, 566 S., ISBN 978-2-7453-5543-0, EUR 70,00
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Thronfolge und - im Falle einer dynastischen Transmissionsmonarchie - Erbnachfolge zählen zu den zentralen Elementen fürstlicher Regierung. Während bei den expliziten Wahlmonarchien, von denen im Europa des Ancien Régime - neben dem Heiligen Römischen Reich, einem Phänomen sui generis - eigentlich nurmehr der Heilige Stuhl zu Rom und vielleicht einige italienische Stadtrepubliken verblieben, eigene Gesetzlichkeiten greifen, um den mehr oder minder reibungslosen Übergang von einem regierenden Fürsten zum nächsten zu gewährleisten, sehen die stark bis ausschließlich von blutmäßiger Erbfolge und dynastischem Denken geprägten Monarchien einen direkten Wechsel auf den nächstverwandten Familienerben vor. Sicherlich verblieben auch in den eindeutig zur letzten Gruppe zu zählenden Ländern Elemente des Wahlaktes zurück, wie etwa die Frage nach der Anerkennung des neuen Fürsten durch die anwesenden Vertreter der Stände (in Frankreich bis 1825, in England bis heute).
Doch in der hier interessierenden Frage geht es um all dies weniger. Vielmehr steht die interessante Möglichkeit im Mittelpunkt, was passiert, wenn die Sukzession einmal - aus welchen Gründen auch immer - nicht unproblematisch verläuft oder verlaufen kann. Die Geschichte ist reich an Beispielen hierfür, deren Liste zu lang, um hier aufgeführt zu werden. Da die Monarchie und die ihr zugrundeliegenden Funktionsmuster aber immer auch Teil der öffentlichen Welt, also der öffentlichen Wahrnehmung wie auch der öffentlichen Akzeptanz und des öffentlichen Nachvollzugs sind, kann eine Analyse monarchischer Dysfunktionen nicht auf der Ebene des rein Faktischen stehenbleiben.
Mit genau dieser Einsicht beschäftigt sich die hier anzuzeigende neue umfangreiche Studie aus der Feder von Caroline Labrune, welche das Phänomen des öffentlichen an der zumeist französischen Theaterproduktion des 17. Jahrhunderts greifbar macht. Wie stand das Theater einer Zeit der sich akzentuierenden Zentralmonarchie dynastischer und blutmäßiger Konzeption zur größtmöglichen Fehlfunktion im monarchischen System, der Erbfolgekrise? Der Frage zugrunde liegt die Tatsache, dass Theater in diesem kulturellen Kontext und Umfeld wesentlich mehr bedeutet denn künstlerische oder dramaturgisch-literarische Manifestation. Gerade die französische Bühnenlandschaft der Zeit, mit ihren aussagekräftigen Widmungsadressen und oft direkt politisch-dynastisch intendierten Prologen, welche ja nach Anlass auch wechseln konnten, bildete einen ganz besonderen und besonders aktiven Part der Öffentlichkeit des Ancien Régime.
Der erste Teil der nicht chronologisch, sondern thematisch gegliederten und ausgerichteten Arbeit untersucht daher logischerweise die Rahmenbedingungen (cadres) dieser Theaterwelt, ihrer Motivation und Korrektive. Ein zweiter Abschnitt legt sodann klar, dass der überwiegende Teil der auf die Bühne gebrachten Stücke in keiner Weise den theoretisch-staatsphilosophischen Vorgaben der Zeit entsprach, was sich vor allem bei der Behandlung der Nachfolgekrisen (crises) erweist und bestätigt: anstatt eine stringente und unangefochtene Thronfolge zu suggerieren, finden sich in den Textbüchern Kabalen, Brüche und meist egoistisch-subjektiv motivierte Intrigen zuhauf. Diese Geschichten von Leben und Tod (Histoire de vie et de mort) werden im darauffolgenden Kapitel anhand bekannter Exempel vor allem der angelsächsischen Historie veranschaulicht und so aufgezeigt, dass die monarchische Krise auf den Bühnen des XVIIe eher die Regel, denn die Ausnahme bildete. Am spannendsten und signifikantesten aber ist der letzte Part des Bandes, der überzeugend nachweist, dass trotz dieser auffallenden Gewichtung man keinesfalls von einer aufrührerischen Funktion des Theaters (théâtre et subversion) sprechen könne, da zum einen der horror regicidii (der, nota bene, ja in England 1649 sowie in Frankreich nach 1791 in der grande peur noch deutlicher vernehmbar war, bzw. werden sollte) immer überwog und außerdem das Publikum, wie zeitgenössische Quellen eindeutig belegen, immer zwischen Fiktion und Realität zu differenzieren wusste - und diese wahrgenommene Realität war eben jene des Fürstenstaates und seiner Gesetzmäßigkeiten.
Der Autorin gelingt es, ihre Beobachtungen, Thesen und Schlussfolgerungen in großer Klarheit sprechend und nachvollziehbar zu präsentieren. Die breite Quellenbasis einerseits sowie eine klare Argumentation andererseits leisten dafür, gepaart mit einer angenehmen Sprache und einer dem Sujet angemessen Stilistik ihren Anteil.
Wer immer folglich an der hier untersuchten Thematik, sei es an dieser an sich, sei es im größeren Sinnzusammenhang der europäischen Monarchiegeschichte, interessiert ist, dem kann das Werk von Caroline Labrune als gelungener interdisziplinär aufgearbeiteter Beitrag nur wärmstens empfohlen werden.
Josef Johannes Schmid