Frank Feltens: Ogata Kōrin. Art in Early Modern Japan, New Haven / London: Yale University Press 2021, X + 226 S., ISBN 9780300256918, USD 60,00
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Ogata Kōrin (1658-1716) ist einer der berühmtesten japanischen Künstler weltweit. Sein Ruhm beruht - neben der Tatsache, dass er ein herausragend guter und innovativer Maler und Gestalter war - auf dem Umstand, dass er bereits im späten 19. Jahrhundert im Zuge des Japonismus in Europa gefeiert wurde. Der Kunsthistoriker Louis Gonse (1846-1921) stimmte 1883 in L'art japonais eine Lobeshymne auf Kōrin an und 1907 folgte eine erste nicht-japanische Monografie von Friedrich Perzyński (1877-1965) mit dem passenden Titel Kōrin und seine Zeit. In Japan selbst war Kōrin bereits im 18. Jahrhundert zu einer Art Marke für hervorragendes Textil- und Lackdesign sowie später auch Malerei geworden. Im 20. Jahrhundert schließlich etablierte ihn die japanische Kunstgeschichte als einen von wenigen Hauptvertretern der Künstlergenealogie Rinpa und seine Werke als Inbegriff japanischer Ästhetik. Die Gruppe Rinpa ist sogar nach Kōrin benannt, handelt es sich doch um eine Abkürzung aus den Worten [Kō]rin-Schule ([Kō]rin-pa).
Gewissermaßen schließt Frank Feltens mit Ogata Kōrin. Art In Early Modern Japan sowohl an die frühe europäische Bewunderung für Kōrin als auch die japanische Kunstgeschichtsschreibung an. Er legt anhand historischer Quellen und der sehr umfassenden japanischen Fachliteratur eine aktuelle, längst überfällige englischsprachige Monografie vor, die sich ganz Kōrin als Person und seinen Werken widmet. Gleichzeitig bricht Feltens aber ausgesprochen diplomatisch mit der Kunstgeschichtsschreibung um Kōrin, indem er nämlich ein Buch nur über Kōrin schreibt, also über Kōrin OHNE Rinpa. Tatsächlich kommt das Wort Rinpa in seinem Text und Endnoten kein einziges Mal vor - in den beeindruckende 18 Seiten umfassenden Literaturangaben dagegen über 110-mal. Feltens baut seine Argumentation somit auf dem sicheren Fundament der japanischen Forschung zu Kōrin und Rinpa auf, entwirft dabei aber ein neues, wenn auch in der Kunstgeschichte durchaus etabliertes Narrativ vom innovativen Individualkünstler im Spiegel seiner Zeit, in diesem Fall von Kōrin und der frühen Neuzeit Japans. Wesentlich hierfür ist seine Auseinandersetzung und Übersetzung der Dokumente aus Kōrins Nachlass, die als sogenanntes Konichi-Familienarchiv (Konishi-ke monjo) heute im Kyoto Nationalmuseum untergebracht sind, in einer annotierten Edition vorliegen und auch von japanischen Kolleg*innen seit 1915 aufgearbeitet wurden. Durch seine Übersetzung und Analyse dieser Quellen erweist Feltens der englischsprachigen Fachgemeinschaft einen großen Dienst.
In der Einleitung legt der Autor dar, dass die Fachliteratur zu Kōrin zwar umfang- und facettenreich ist, aber eine Einordnung in größere kulturelle und ästhetische Kontexte bislang noch aussteht. Anhand der historischen Quellen möchte Feltens, wie er schreibt, nichts anderes als "Kōrin's story" darlegen. Das Zusammenwirken seiner Persönlichkeit, der Gesellschaft, in der er sich bewegte, und seiner künstlerischen Produktion wird in sechs Kapiteln anhand einzelner Themenschwerpunkte locker chronologisch dargelegt. Das Buch verliert sich dabei nicht in formalistischen Analysen einzelner Hauptwerke, sondern zeichnet ein möglichst facettenreiches Bild des Künstlers. Soweit dies nach mehr als 300 Jahren anhand von Briefen, Dokumenten und Werken möglich ist, beleuchtet Feltens die Wechselwirkungen zwischen der Kunst Kōrins und seinen sozialen Netzwerken, Gesundheitszuständen und unehelichen Liebschaften sowie dem Kunsthandel.
Das erste Kapitel "Before Painting: Ogata Kōrin and His Turn to Art" widmet sich den späten 1680er und 1690er Jahren, als Kōrin das Erbe seines Vaters antrat und vergleichsweise spät im Leben als professioneller Maler aktiv wurde. Anhand historischer Dokumente zeigt Feltens auf, dass Kōrin über seine Aktivitäten als Nō-Darsteller und otogi-Geschichtenerzähler wichtige Beziehungen zur Elite Kyotos und damit auch zu potentiellen Auftraggebern ausbildete und dass sein verworrenes Liebesleben und seine zunehmende Verschuldung ausschlaggebend dafür waren, eine Laufbahn als Maler einzuschlagen.
Das Kapitel "Of Poets and Flowers: Kōrin's Early Paintings" thematisiert das Frühwerk der späten 1690er Jahre bis ca. 1704. Kōrin etablierte sich um 1700 als professioneller Maler für Figuren und Blumen. Feltens arbeitet den Kalligrafen und Maler Shōkadō Shōjō (1584-1639) als wichtigen Impulsgeber für Kōrins frühe Figurenbilder heraus. Anhand des Stellschirmpaares Iris beleuchtet er sowohl Kōrins Auseinandersetzung mit dem Ise monogatari und dem Nō-Theater auf inhaltlicher Ebene als auch mit Tawaraya Sōtatsu (ca. 1570-ca. 1640) und Hon'ami Kōetsu (1558-1637) in Hinblick auf die Herausbildung seines persönlichen Malstils.
Das Kapitel "Art and Family: Kōrin's Lacquer Works and Hon'ami Kōetsu" konzentriert sich auf die gleiche Zeitspanne, setzt den Fokus aber auf Kōrins Lackkunst. Kōrin fertigte die Lacke nicht selbst, sondern ließ diese unter seiner künstlerischen Leitung herstellen, wobei er sich sowohl in den Entwürfen als auch in der Gestaltung des Arbeitsprozesses von seinem Urgroßonkel Hon'ami Kōetsu inspirieren ließ. Der Autor nimmt am Beispiel von Entwürfen und Vorlagenkatalogen für Lackwaren und Kimono den Herstellungsprozess inklusive der Abstimmung zu Käufern und Auftraggebern auf der einen Seite und Handwerkern auf der anderen Seite in den Blick. Er arbeitet so das Zusammenspiel zwischen der Herausbildung der Design-Marke Kōrin mit wirtschaftlichen Überlegungen heraus.
Das anschließende Kapitel "Heading East: Kōrin in Edo" behandelt Kōrins Zeit in Edo zwischen 1704 und 1709. Feltens argumentiert, dass sich Kōrin in Vorbereitung seiner Übersiedlung nach Edo stärker mit den Arbeiten von Tawaraya Sōtatsu auseinandersetzte. In der Hauptstadt selbst war Kōrins künstlerisches Schaffen von seiner Beschäftigung mit der Tuschemalerei der dominierenden Kano-Maler und deren Inspiration, dem Tuschemaler Sesshū Tōyō (1420-ca. 1506) geprägt. Diese Auseinandersetzungen mit unterschiedlichen Maltraditionen interagierten dabei, wie Feltens zeigt, offensichtlich auch mit den Bedürfnissen unterschiedlicher Auftraggeber Kōrins in Kyoto und Edo.
Das fünfte Kapitel "Beyond Ink: Ceramics by Kōrin and Kenzan" setzt mit Kōrins Rückkehr nach Kyoto 1709 ein und diskutiert die Beziehung zwischen Kōrin und seinem Bruder Ogata Kenzan (16631743) sowie damit auch Kenzans eigenen künstlerischen Weg zu einer erfolgreichen Keramikmarke. Kōrin arbeitete mit seinem Bruder zusammen, indem er ausgehend von seiner eigenen Tuschemalerei die Keramiken seines Bruders mit Engobe (sabi-e) bemalte. Als weiteren künstlerischen Bezugspunkt für Kōrins Figurenmalerei führt Feltens den Tuschemaler Sesson Shūkei (1504-ca. 1589) ein.
Im Kapitel "Toward the End: Kōrin's Late Work" bespricht Feltens die letzten Jahre vor Kōrins Tod 1716 und nimmt das Stellschirmpaar Roter und weißer Pflaumenbaum als herausragendes Spätwerk in den Blick. Der Erfolg Kōrins und die steigende Zahl an Bildern in einer Zeit, in der sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechterte, lassen auf eine größere Werkstattproduktion schließen.
Im Schlusskapitel gibt Feltens schließlich einen Ausblick auf das künstlerische Erbe von Kōrin, das von Malern wie Watanabe Shikō (1683-1755), Nakamura Hōchū (gest. 1819) und Sakai Hōitsu (1761-1829) aufgegriffen wurde. Er argumentiert, dass Kōrin nicht zuletzt durch diese künstlerischen Adaptionen heute zu einer öffentlichen Marke und einem Symbol der japanischen Malerei geworden ist.
Das Buch ist reich bebildert und eignet sich aufgrund der angenehmen Schreibweise und klaren Struktur hervorragend als Lehrbuch. Andererseits suggeriert gerade diese Struktur eine lineare Stilentwicklung, da sie Persönliches, eine detaillierte Auseinandersetzung mit einem bestimmten Genre, Hauptwerk oder Material und einer spezifischen Inspirationsquelle zu einer bestimmten Lebensphase überblendend analysiert. Dieser Eindruck verblasst beim genauen Nachlesen der detailliert ausgearbeiteten Beispiele. Feltens Entwurf von "Kōrin's story" überzeugt durch die Analyse der übersetzten historischen Dokumente. Gleichwohl lässt dieses Narrativ die Frage, warum Kōrin auch heute noch so populär und mit nationaler Bedeutung aufgeladen ist, durch die bewusste Aussparung des Rinpa-Diskurses offen.
Wibke Schrape