Andreas Büttner: Geld - Gnade - Gefolgschaft. Die Monetarisierung der politischen Ordnung im 12. und 13. Jahrhundert (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii; 47), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2022, IX + 600 S., ISBN 978-3-412-52511-8, EUR 85,00
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Bei der zu besprechenden Monografie handelt es sich um die für den Druck überarbeitete Habilitationsschrift von Andreas Büttner, die 2019 bei der Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg eingereicht worden ist. Das Buch ist Praktiken und Mechanismen kaiserlicher, königlicher und fürstlicher Herrschaftsausübung im 12. und 13. Jahrhundert im römisch-deutschen Reich gewidmet. Als neues Untersuchungselement dieser Herrschaftsausübung führt Büttner Geldzahlungen an, die sich in unterschiedlichen Kontexten fassen lassen. Mit der Fokussierung auf das Geld als Herrschaftsmittel erarbeitet Büttner einen wichtigen Faktor der Herrschaftsführung und eröffnet zugleich neue Perspektiven.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Allgegenwärtigkeit des Geldes auch im Herrschaftskontext, die Büttner mit der Definition von Macht und Herrschaft durch Max Weber zu greifen sucht: "Folglich konnte nur derjenige Herrscher wirklich sein Amt ausüben, der über ausreichend Einkünfte verfügte." (2). Geld wird demnach als Machtressource interpretiert und kann somit als Machtinstrument von Herrschern genutzt werden. Geld kann nach den Überlegungen von Pierre Bourdieu zudem als ökonomisches Kapital in kulturelles, soziales und symbolisches Kapital umgewandelt werden. Mit diesen soziologischen Überlegungen im Gepäck fragt Büttner danach, welche Rolle Geld in der Politik spielte.
Büttner geht davon aus, dass sich soziale Beziehungen, insbesondere hierarchisch strukturierte soziale Beziehungen, durch Geld herstellen, verfestigen und aktualisieren und in Folge dessen für Historiker:innen analysieren, bewerten und quantifizieren lassen. Geld wird folglich "als Analysewerkzeug für die zeitgenössischen politisch-sozialen Ordnungskonfigurationen" genutzt (12). Konkret begibt sich Büttner auf die "Suche nach einem Tarifsystem der politischen Ordnung und dessen Wandel im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts" (3).
Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von der Herrschaft Kaiser Heinrichs V. (1106-1125) bis zum Königtum Adolfs von Nassau (1292-1298) und ist klug gewählt, da er die Zeit abdeckt, die als "kommerzielle Revolution" charakterisiert wurde. Damit verbindet Büttner Herrschaftsgeschichte mit wirtschaftsgeschichtlichen Überlegungen, denn die Zeit der "kommerziellen Revolution" geht mit einem verstärkten Einsatz von Geld einher. Diesen verstärkten Einsatz von Geld, das kann vorweggenommen werden, findet Büttner auch im Kontext der Herrschaftsausübung im römisch-deutschen Reich, den er als Monetarisierung politischer Ordnung deutet.
Der eigentlichen Auswertung, der Büttner drei Kapitel (C-E) widmet, geht ein Kapitel voraus, in dem er sorgfältig seine Quellengrundlage und seine Methode darlegt (B, 23-123). Die Arbeit basiert auf der reichhaltigen Editionslage des Hochmittelalters, die sich in dem knapp 27 Seiten umfassenden Quellenverzeichnis spiegelt (469-495). Büttner nutzte insbesondere historiografische Quellen und Urkunden, aber auch vereinzelt Register und Rechnungen. Die Analysekapitel fokussieren sich jeweils auf einen Aspekt des Herrschaftshandelns "Der Preis der Gnade" (125-231), "Der Preis der Gefolgschaft" (233-314) und "Der Preis der Herrschaft" (315-403).
Die Auswertung zeigt eine profunde Quellenkenntnis, die der Spur des Geldes folgend zu neuen Erkenntnissen herrscherlichen Handelns führt. Die Rolle, die Geld in unterschiedlichen Kontexten der Interaktion zwischen Herrscher und Beherrschten spielt, wird umfassend analysiert und der Geldfluss in beide Richtungen untersucht. Die Beherrschten leisteten Zahlungen an den Herrscher im Falle der (Wieder-)Erlangung der Gnade etwa nach Huldverlust oder der Aufrechterhaltung der Gunst durch (monetarisierten) Reichsdienst. Die Herrscher wiederum bedachten ihre Untergebenen mit Geldzahlungen, um Treue (sowie geleisteten Reichsdienst) zu belohnen oder Gefolgschaft zu vergüten.
Durch den weiten, knapp 200 Jahre umfassenden Untersuchungszeitraum kann Büttner Veränderungen festmachen, die nicht nur mit der zunehmenden Bedeutung des Geldes, sondern auch mit politischen Veränderungen der Zeit korrelieren. Das faktische Machtgefälle zwischen Herrscher und Fürsten nahm ab. In seiner viel zu kurzen Zusammenfassung der Ergebnisse (405-418) bringt Büttner seine Ergebnisse auf den Punkt: "Der Preis der Gnade fiel, der Preis der Gefolgschaft stieg." (408).
Büttners Ergebniskapitel beginnt zudem mit einer doppelten Relativierung der erarbeiteten Ergebnisse in der Überschrift: "Die Grenzen des Wissens" und im ersten Satz "Die Monetarisierung der politischen Ordnung im hohen Mittelalter ist zu weiten Teilen eine Geschichte des Nichtwissens." (405). Dieser Selbsteinschätzung ist nach der Lektüre dieses Buchs nicht zu folgen. Büttner zeigt, dass Geldzahlungen in zunehmendem Maße eine Rolle im herrscherlichen Handeln in ganz unterschiedlichen Kontexten spielten und legt diese ausführlich dar.
Darüber hinaus sammelt Büttner in tabellarischer Form als Anhang in den Quellen vorhandene konkret genannte Geldbeträge, die in Zusammenhang mit Wiedererlangung von Gnade, mit dem Reichsdienst, mit fürstlichen Bündnissen, mit Wahlversprechen und Königserhebungen, mit Lehnvergabe oder Krieg standen (421-468). Die Beträge werden, um die Vergleichbarkeit zu erhöhen, in Mark Silber als "Dachwährung" (70) umgerechnet und die einzelnen Zahlungen miteinander konkret in Beziehung zu setzen (412-416). Büttner möchte damit erreichen, dass Geldzahlungen im Herrschaftskontext nicht mehr nur als Größenordnung angegeben werden können und appelliert an "(hyper-)kritische moderne Historiker" (36), den konkreten Zahlen in den historiografischen Quellen nicht zu kritisch gegenüberzustehen. Es gelingt ihm allerdings nicht, das vorhandene Unbehagen gegenüber den genannten Zahlen gänzlich auszuräumen. Darüber hinaus wird auch das Ziel, Zahlungen zu quantifizieren, um sie konkreter miteinander vergleichen zu können, nicht gänzlich erreicht. Die Zahlen stehen zwar nun im Kontext anderer Zahlungen des Herrschers an Beherrschte und vice versa, sie können aber aufgrund der Quellenlage nicht mit Kaufkraft und Preisniveaus in Verbindung gebracht werden. Insgesamt ist das Buch eine richtungsweisende Studie zu Herrschaftsmechanismen, die unter anderem oder vor allem auf Geldzahlungen gründen. Mittelalterliche Herrschaft muss nun folgend auch als ein System von mannigfaltigen monetären Beziehungen gesehen werden.
Julia Bruch