Rezension über:

Mario Daniels / John Krige: Knowledge Regulation and National Security in Postwar America, Chicago: University of Chicago Press 2022, IX + 440 S., ISBN 978-0-226-81748-4, USD 120,00
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Rezension von:
Christian Marx
Institut für Zeitgeschichte München - Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Christian Packheiser im Auftrag der Redaktion der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte
Empfohlene Zitierweise:
Christian Marx: Rezension von: Mario Daniels / John Krige: Knowledge Regulation and National Security in Postwar America, Chicago: University of Chicago Press 2022, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 3 [15.03.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/03/37839.html


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Mario Daniels / John Krige: Knowledge Regulation and National Security in Postwar America

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Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump und sein Team sind sich darin einig, protektionistische Maßnahmen wie Zölle, Ausfuhrkontrollen und verschärfte Sanktionen einzusetzen, um die US-Wirtschaft zu stärken und ihre geostrategischen Ziele zu erreichen. Diese Instrumente können Verbündete und Partner der USA treffen, wenn die US-Regierung der Ansicht ist, auf diese Weise Handelsungleichgewichte auszugleichen, die Industrieproduktion in den USA auszubauen oder die Einwanderung in gewünschte Bahnen zu lenken. Nicht zuletzt soll der technologische Vorsprung der USA gegenüber China gesichert werden. In seiner Agenda "America First Trade Policy" berief sich Trump explizit auf nationale Sicherheit als Ansporn seines Handelns. "In 2017, my Administration pursued trade and economic policies that put the American economy, the American worker, and our national security first. [...] My Administration treated trade policy as a critical component to national security and reduced our Nation's dependence on other countries to meet our key security needs." [1]

Auch wenn sich weite Teile der Weltöffentlichkeit über den im Kulturkampf-Modus agierenden US-Präsidenten und sein Programm erschrocken zeigen, haben viele Elemente eine längere Vorgeschichte. Dies gilt besonders für das Konzept nationaler Sicherheit, das im Zentrum des Buches von Mario Daniels und John Krige steht. Die Autoren zeichnen die Geschichte des US-amerikanischen Exportkontrollsystems vom Ersten Weltkrieg bis zu aktuellen Konflikten um Technologietransfers zwischen den USA und China nach. Sie kommen zu dem Ergebnis, Exportkontrollen wurden schon lange - insbesondere im Kontext des Kalten Kriegs - genutzt, um die militärische und ökonomische Suprematie der USA zu erhalten.

In ihrer instruktiven Einleitung verdeutlichen Daniels und Krige den Zusammenhang zwischen Wissen, Exportkontrolle und nationaler Sicherheit ("national security"). Ihre Analyse befasst sich nur am Rande mit Ausfuhrbeschränkungen für bestimmte Güter, vielmehr rücken sie die Weitergabe von Wissen in den Mittelpunkt, das in bestimmten Produkten steckt. Erst in den 1940er Jahren entwickelte sich - angesichts der Mobilisierung von Wissenschaft und Technologie für den Zweiten Weltkrieg - mit dem Begriff "nationale Sicherheit" ein Verständnis dafür, dass Wissen eine Gefahr für die Existenz der USA darstellen konnte. Wissenschaftliches und technologisches Wissen stellte künftig den Kern des Exportkontrollregimes dar, da es zur Herstellung militärischer wie ökonomischer Güter notwendig war. Da dieses Wissen über wissenschaftliche Ausarbeitungen, die Rückkonstruktion der Produkte oder das Wissen einzelner Personen ("tacit knowledge") weitergegeben werden konnte, unterlagen alle Transferwege einer staatlichen Kontrolle - zumindest reklamierten einige US-Behörden diesen Anspruch. Dies konnte dazu führen, dass nicht nur andere Staaten und ausländische Unternehmen sanktioniert wurden, sondern auch US-Bürger und US-Institutionen. Hieraus ergab sich ein Spannungsverhältnis zu den Prinzipien der liberalen Demokratie und der freien Weltwirtschaft.

Grundsätzlich basierte das Exportkontrollregime auf zwei Säulen: Zum einen auf der Regulierung von Dual-Use-Technologien, d.h. Technologien mit einem militärischen und einem zivilen Anwendungsbereich, deren Weitergabe 1949 mit dem Export Control Act seitens des Department of Commerce beschränkt und infolge technologischer Entwicklungen immer wieder diskutiert wurde. Zum anderen auf der Kontrolle von Gütern mit militärischen Zwecken, deren Transfer durch das Arms Export Control Act seitens des Department of State und des Department of Defense geregelt war. Diese nationalen Maßnahmen wurden auf internationaler Ebene durch das 1949 in Paris gegründete Coordinating Committee for Multilateral Export Control (Cocom) ergänzt, um den Ländern unter sowjetischem Einfluss den Zugang zu moderner Technologie zu verwehren. Exportkontrollen waren damit weit mehr als nur ein Teilaspekt der Handelspolitik, auch wenn sie zweifellos die ökonomischen Interessen der USA und die internationale Wettbewerbsfähigkeit von US-Unternehmen tangierten, vielmehr waren sie ebenso auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik angesiedelt und tangierten daher zahlreiche Akteure.

Um den langfristigen Entstehungskontext des US-Exportkontrollregimes aufzuzeigen, zeichnen Daniels und Krige im ersten Teil die Entwicklung von Exportbeschränkungen seit dem Ersten Weltkrieg nach. Einige während des Kriegs erlassene Bestimmungen wurden im Zweiten Weltkrieg wieder aufgegriffen und nach 1945 im Namen der nationalen Sicherheit dauerhaft implementiert. So stellte der 1917 in Kraft getretene Espionage Act, der verhindern sollte, dass jemand durch die Weitergabe von Informationen die Landesverteidigung gefährdet, einen wichtigen Grundstein dar. Hier wurde der Präsident explizit ermächtigt Exportkontrollen zu erlassen. Auch die Mobilität von Personen wurde eingeschränkt, indem Visa und Pässe notwendig wurden, um das Land zu verlassen. Das Gesetz adressierte folglich erstmals die Gefahr durch den grenzübergreifenden Transfer von Personen, Informationen und Dingen. Daneben schränkte der Trading with the Enemy Act nicht nur den Handel mit den Feindstaaten ein, sondern erlaubte es auch Eigentum und Patente von Personen zu beschlagnahmen, deren Handlungen als Bedrohung angesehen wurden.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden viele dieser Kontrollen wieder abgebaut, doch im Zweiten Weltkrieg installierten die USA wieder umfangreiche Beschränkungen, um die eigene Versorgung mit Ressourcen und den technologischen Vorsprung zu sichern und die Achsenmächte von neuen technologischen Entwicklungen fernzuhalten. Mit der Sowjetunion bestand über das Leih- und Pachtgesetz (1941) zwar ein reger Austausch, doch nach dem Kriegsende brach der Ost-West-Gegensatz wieder auf und die weitreichende Liberalisierung gegenüber der UdSSR wurde zurückgefahren.

Der Zweite Weltkrieg hatte zu einer ungeahnten staatlichen Mobilisierung des Rüstungssektors und des nationalen Innovationssystems geführt. In den USA stellte der Staat 1945 den Löwenanteil der Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Er definierte deshalb in weiten Teilen die inhaltliche Richtung der Forschung und erhob den Anspruch, über die Zirkulation der Forschungsergebnisse mitsprechen zu dürfen. Nicht nur der Wissenstransfer im nuklearen Bereich wurde unter Strafe gestellt, auch die Weitergabe von sonstigen technischen Daten wurde reglementiert. Dies betraf auf der einen Seite Unternehmen, auf der anderen Seite Universitäten und Forschungsinstitute, die sich mit Verweis auf akademische Freiheiten gegen jene Einschränkungen wandten. Neben dem Ost-West-Konflikt arbeiten Daniels und Krige dieses Spannungsverhältnis zwischen staatlichen Stellen und akademischem Bereich überzeugend heraus.

Während der Fokus in den ersten Nachkriegsjahrzehnten auf der Kontrolle des Handels mit Waren lag, rückte seit den 1970er Jahren verstärkt die Regulierung von Wissen und Know-how in den Mittelpunkt. Den Anstoß hierfür hatte der vom Verteidigungsministerium in Auftrag gegebene Bucy-Bericht 1976 gegeben, der auf den verstärkten Versuch der Sowjetunion hinwies, sich über Unternehmen und Universitäten fortgeschrittene Technologien anzueignen. Dies brachte den akademischen Bereich ins Fadenkreuz staatlicher Regulierung. Die National Academies protestierten vehement gegen derartige staatliche Interventionsversuche, woraufhin die Reagan-Regierung Grundlagenforschung 1985 grundsätzlich von Exportkontrollen ausnahm.

In den 1980er Jahren verschob sich der Schwerpunkt innerhalb des Konzepts nationaler Sicherheit in Richtung ökonomischer Sicherheit ("economic security"). Der Aufstieg Japans im Halbleitersektor wirkte wie ein Weckruf. Plötzlich drohte der Verlust der US-Führungsposition auf einem Gebiet, das als zentral für die dauerhafte ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und die militärische Stärke der USA erachtet wurde. Der Bedeutungsgewinn ökonomischer Aspekte unter Clinton ("It's the economy, stupid!") und der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu China brachten der Regierung den Vorwurf ein, Geschäftsinteressen über die nationale Sicherheit gestellt zu haben.

Vor diesem Hintergrund spannt der Epilog den Bogen zur ersten Trump-Regierung, als der amerikanisch-chinesische Gegensatz immer deutlicher zutage trat und die US-Regierung alle möglichen Regulierungsinstrumente einsetzte, um den chinesischen Zugang zu Wissen von Unternehmen und Universitäten zu erschweren. Dies beinhaltete neben verschärften Exportkontrollen gegenüber chinesischen Hightech-Unternehmen und einer Begrenzung von Visa für chinesische Studierende auch Sanktionen gegenüber westlichen Firmen, die ihren Handel mit China fortsetzten. Es ist davon auszugehen, dass derartige Maßnahmen in der zweiten Regierungszeit von Donald Trump noch einmal zunehmen. Auch wenn Mario Daniels und John Krige das Bild der US-amerikanischen Suprematie an der einen oder anderen Stelle noch stärker hätten aufbrechen können, so haben sie zweifellos eine außergewöhnlich lesenswerte Studie über die USA in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorgelegt, in der die politische Tragweite von Exportkontrollen und Wissenstransfers anschaulich dargestellt wird.


Anmerkung:

[1] America First Trade Policy. In: https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/2025/01/america-first-trade-policy/ [03.02.2025]

Christian Marx