Rezension über:

Adam Jasienski: Praying to Portraits. Audience, Identity, and the Inquisition in the Early Modern Hispanic World, University Park, PA: The Pennsylvania State University Press 2023, XV + 216 S., 50 Farb-, 15 s/w-Abb., ISBN 978-0-271-09344-4, USD 119,95
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Rezension von:
Sylvaine Hänsel
Münster
Redaktionelle Betreuung:
Hubertus Kohle
Empfohlene Zitierweise:
Sylvaine Hänsel: Rezension von: Adam Jasienski: Praying to Portraits. Audience, Identity, and the Inquisition in the Early Modern Hispanic World, University Park, PA: The Pennsylvania State University Press 2023, in: sehepunkte 25 (2025), Nr. 4 [15.04.2025], URL: https://www.sehepunkte.de
/2025/04/38706.html


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Adam Jasienski: Praying to Portraits

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"The early modern portrait - any modern portrait - could become a sacred image. However latent, the potential was there, both provocative and irrefutable" (2), so Adam Jasienski in der Eingangsthese des Bandes. Den universellen Anspruch grenzt er insofern ein, als er sich in dem Band auf den spanischen und kolonialspanischen Raum und zeitlich vor allem auf das 17. Jahrhundert beschränkt.

Was Jasienski zunächst thematisiert, sind "Rollenporträts", in denen die Dargestellten in anspielungsreicher "Verkleidung" erscheinen. Überblickt man Forschungen zum Thema "Rollenporträt", zeigt sich, dass sich kaum eine allgemein gültige Bestimmung des Genres finden lässt. Die Frage "Example oder Alter ego?", so der Titel einer Aufsatzsammlung mit 15 Beispielen von der Antike bis in die heutige Zeit [1], lässt sich eben nicht einheitlich beantworten. In den Niederlanden des 17. Jahrhunderts ist es populäre Praxis, sich und seine Familie in den Rollen biblischer "portraits historiés" zu zeigen. [3]

In Spanien stellen Rollenporträts eine kaum untersuchte Ausnahme dar. [4] Zwar finden sich Heiligenbilder mit individualisierten Zügen, die aber keine Porträts darstellen. [5] "In some ways, the appearence of sacrified portraits [...] appears to have been inevitable in a cultural tradition that both had the desire to create verisimilar depictions of individual human beings and that relied on figural representation for its devotional art." (52) Jasienski verweist auf das Mosén Domingo Saura zugeschriebene Bildnis einer Dame als heilige Barbara, der Christus die Hand reicht und auf Juan Pantoja de la Cruz' Porträt der Königin Margarethe von Österreich als Jungfrau Maria und der Infantin Anna als Verkündigungsengel (1605). Die Untersuchung der Bibliothek der Königin zeigt, so Jasienski, dass sie in diesem und anderen sakralen Bildnissen wie in einem jesuitischen Exerzitium sich dem Vorbild der Gottesmutter anverwandelt. Das Porträt 'a lo divino' ist also ein Zeichen der Demut. Dass sie tatsächlich als authentische Heiligenbilder angesehen worden sein könnten, wie Jasienski insinuiert, lässt sich allerdings durch nichts belegen.

Trotzdem scheint das Changieren zwischen profan und sakral verschiedentlich auf Kritik gestoßen zu sein. Die Akten der Inquisitionsbehörde bilden daher eine zentrale Quelle für Jasienski Untersuchung: "[...] their struggles to determine the limits of different image types constitute some of the period's richest art-theoretical debates." (10) Diese These bestätigt sich allerdings nicht. Die in den Gerichtsverhandlungen geschilderten Fälle sind interessant, allerdings geht es dort eher um die Frage, wie Betrachter auf Bilder reagieren und was sie als problematisch und anstößig empfinden und nicht um kunsttheoretische Zusammenhänge.

Jasienski behandelt sein Thema in vier Kapiteln. Zuerst geht es um Rollenporträts, in denen die Dargestellten als Heilige erscheinen, und zwar einmal als unter dämonischem Einfluss gemalte Erzengel mit eindeutig zu identifizierenden Gesichtszügen, was die Inquisition auf den Plan rief, zum anderen um Rollenporträts 'a lo divino', in denen die Dargestellten sich den vorbildhaften Heiligen anverwandeln.

Im zweiten Teil geht es um die Wahrhaftigkeit der Darstellung von Heiligen. Mit der seit dem 15. Jahrhundert wachsenden Bedeutung der Gattung Porträt wächst auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit von Heiligendarstellungen. Darauf folgen Überlegungen zu Bildnissen, die nachträglich zu Heiligenbildern umgewandelt wurden. Schließlich legt Jasienski den Akzent auf das Verhalten der Betrachter sowohl vor Porträts als auch vor Bildnissen von als Heiligen verehrten Personen. Bei den Porträts 'moderner' Heiliger, wie etwa Ignatius von Loyola war es unter andrem die nicht-ideale Erscheinung, die die Glaubwürdigkeit stärkt. So auch bei Darstellungen der heiligen Theresa mit kleinen Warzen an den Lippen, für die der Maler Juan de la Miseria 1576 das Modell lieferte. Allerdings existieren auch idealisierte Bildnisse Theresas, so dass Jasienskis Argumentation ins Schwimmen gerät und er zu dem den wenig überraschenden Schluss kommt, dass im Umgang mit den Darstellungen einerseits eine gewisse Flexibilität in Bezug auf die Wahrhaftigkeit und andererseits der Wunsch nach Objektivität und Verlässlichkeit bestimmend sei.

Hatten sich die beiden ersten Kapitel vor allem mit Ereignissen in Spanien befasst, richtet sich der Blick in Kapitel Drei nach Mexiko. Hier führt Jasienski mit der Frage nach der Rolle der Betrachter einen wichtigen Aspekt ein, indem er nach der sprachlichen Verständigung und nach den Begriffen fragt, die der Übersetzer Luan de Llano y Losada in einem Prozess benutzte, wo er nach dem Bild des Bischofs Juan de Palafox y Mendoza auf dem Hausaltar einer Familie fragt und man zur Empörung der Inquisitoren mit "santo Palafox" antwortet. Auch wenn Jasienskis ausführliche Digression über die möglichen Begrifflichkeiten für den konkreten Fall spekulativ bleibt, sensibilisiert sie doch für die Diskrepanz im Umgang mit (Heiligen-)Bildnissen zwischen der europäischen Geistlichkeit und der indigenen Bevölkerung. [6]

Auch im vierten Kapitel geht es um das Verhalten der Betrachter und um die Präsentation von Bildnissen. Das Konterfei des Königs wurde auf einem Podest und unter einem Baldachin gezeigt, ebenso wie Heiligenbilder. Die Inszenierung spielte also in den kolonialen Territorien eine wichtige Rolle bei der Frage, ob man ein Gemälde zu verehren hatte. Jasienski entnimmt den Prozessakten, dass "the quality of being an idol was therefore not inherent to the object that carried that designation but depended fully on its viewers behaviors". (148)

Jasienskis abschließendem Fazit: "That portaiture was part and parcel of early modern sacred imagery and that any portrait had, latent within it, the potential to function as sacred image is clear" (158) wird man in dieser generalisierenden Form kaum zustimmen. Auch wenn die von Jasienski diskutierten Fälle aus den Inquisitionsakten die Kenntnisse über den Umgang mit Bildnissen bereichern, bleibt der Eindruck mäandernder und wenig überzeugender Argumentationsgänge, die einen letztlich eher ratlos den Band beiseitelegen lassen.


Anmerkungen:

[1] Volker Manuth / Rudie van Leeuwen / Jos Koldeweij (eds.): Example or Alter Ego? Aspects of the portrait Historié in Western Art from Antiquity to the Present, Turnhout 2016.

[2] Katlijne van der Stighelen / Bert Watteeuw (eds.): Pokerfaced. Flemish and Dutch Baroque Faces Unveiled, Turnhout 2010.

[3] Marlen Schneider: Bildnis - Maske - Galanterie, Berlin / München 2019

[4] Emilio Orozco Díaz: El retrato a lo divino, su influencia, y unas obras desconocidas de Risueño, in: Goya 120, (1974), 351-159.

[5] Peter Cherry: Portaiture in the Divine Style? Reflections on Zubarán's Female Saints, in: Santas de Zurbarán, ed. byBenito Navarete Prieto, Sevilla 2013, 190-194.

[6] Allgemein hierzu: Helga von Kügelgen (Hg.): Herencias indígenas, tradiciones europeas y la mirada europea / Indigenes Erbe, europäische Traditionen und der europäische Blick, Frankfurt am Main 2002; Margit Kern: Transkulturelle Imaginationen des Opfers in der Frühen Neuzeit. Übersetzungsprozesse zwischen Mexiko und Europa, Berlin / München 2013; Maria Berbara (ed.): Sacrifice and conversion in the Modern Atlantic World, Rom 2022.

Sylvaine Hänsel