Paul Arnold: Ethnologische Darstellungen auf römischen Reichsmünzen der Kaiserzeit. Motivgeschichte und Kaiserpropaganda (= Nomismata; 15), Bonn: Verlag Dr. Rudolf Habelt 2025, 240 S., zahlr. Farb-, s/w-Abb., ISBN 978-3-7749-4368-1, EUR 39,00
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Die Besprechung einer Dissertation, die erst mehr als zwei Generationen nach der Abfassung veröffentlicht wird, ist eine eher seltene Herausforderung. Eine Bewertung auf dem aktuellen Forschungsstand wäre unangemessen und ein Eintauchen in den Forschungsstand des Jahres 1961 käme einer wissenschaftsgeschichtlichen Abhandlung nahe. Hier soll daher ein dritter Weg beschritten und die Frage ins Zentrum gestellt werden, inwiefern eine solch späte Veröffentlichung sinnvoll ist.
Der Autor gilt zurecht als einer der angesehensten Experten auf dem Gebiet der nachantiken Numismatik. Dass er mit einer Arbeit zur antiken Numismatik promoviert wurde, dürfte selbst vielen Kennern der Materie bisher unbekannt gewesen sein. Paul Arnold widmet sich den Darstellungen römischer Feinde auf reichsrömischen Münzen. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Entwicklungen verschiedener Motive und deutet die zum Teil signifikanten Veränderungen als Ergebnis von "Akzentverschiebungen in der Politik und Propaganda der Kaiserzeit". (15)
Die Arbeit besteht aus drei Teilen. Der "Typenkatalog" bildet den dritten Teil, ist aber letztlich die Basis der im ersten und zweiten Teil formulierten Überlegungen. Arnold hat hier auf der Grundlage der damals publizierten Katalogwerke alle reichsrömischen Prägungen (vor allem Münzen, aber auch einige Medaillons) zusammengestellt und nach sieben Kategorien klassifiziert (A. Barbarenkrieger, B. Stehender Barbar und sitzende Barbarenfrau, C. Barbarenfürsten, D. "Provincia capta", E. "Provincia"-Darstellungen, F. Reitender Kaiser, Barbaren, G. Kleine Barbaren im Sinne eines Symbols neben Victoria, einer Gottheit oder dem Kaiser). Obwohl es einige Überschneidungen zwischen den einzelnen Kategorien gibt, bietet eine solche Einteilung einen systematisierenden Überblick über die thematische Vielfalt. Arnold hat insgesamt 459 verschiedene Typen katalogisiert, wobei einige Typen mehrere Varianten umfassen können, die sich zum Teil auch so erheblich unterscheiden, dass nicht klar ist, wieso sie zu einem einzigen Typ zusammengefasst wurden (etwa Typ 459: zwei unterschiedliche Legenden und zwei unterschiedliche Darstellungen).
Der Typenkatalog wurde von den Herausgebern des Bandes teilweise bebildert, allerdings werden die Kriterien für die Auswahl der Abbildungen nicht ganz klar. Zwar verweisen die Herausgeber darauf, dass im RIC abgebildete Typen nicht nochmals abgebildet wurden, weil "dieses Standardwerk in der Hand eines jeden ist, der sich für römische Münzen der Kaiserzeit interessiert, bzw. im Netz abgerufen werden kann" (8), doch überrascht die Auswahl zuweilen doch und das Auffinden im RIC bzw. auf http://www.numismatics.org/ocre/ wird dadurch erschwert, dass die von Arnold zitierten Katalogwerke nicht um die entsprechenden aktuellen RIC-Nummern ergänzt wurden. [1]
Im ersten Kapitel ("Die Barbarentypen auf Münzen") werden die klassifizierten Typen in acht Unterkapiteln jeweils chronologisch in den historischen Kontext eingebettet, wobei sich Arnold - wie bereits in der Einleitung hervorgehoben wird (15) - häufig an der Monographie von Annalina Caló Levi, Barbarians on Roman Imperial Coins and Sculpture, New York 1952 abarbeitet, die vielfach großplastische Vorbilder für die Münzdarstellungen postuliert hatte. Diese Auseinandersetzung zieht sich als einer der roten Fäden durch die Arbeit, wobei Arnold mehrfach u.a. auf die Überlegungen von C. H. Vermeule verweist, die dieser in seiner kritischen und ausführlichen Rezension von Levis Monographie im Gnomon 25, 1952, 471-477 bereits formuliert hatte. [2]
Im zweiten Kapitel, das einerseits eine Zusammenfassung der Überlegungen des ersten Kapitels bildet und andererseits die Kontextualisierung in die jeweiligen historischen Zusammenhänge nochmals zuspitzt, bringt Arnold diese Auseinandersetzung mit Levi auf den Punkt, indem er darauf hinweist, dass seiner Meinung nach die "politische Zweckgebundenheit der Münze" zu mehr ethnologischen Darstellungen als in der "großen Kunst" geführt habe (82). Hier klingt ein wesentlicher Aspekt an, der über die heute nicht mehr im Fokus der Forschung stehende Frage nach den Vorbildern der Münzdarstellungen hinausweist und das noch immer wichtigste Ergebnis der Untersuchung Arnolds bildet: die "ethnologischen Darstellungen [...] sind Spiegelbild der politischen Entwicklung Roms". (88-89) Alle Münzdarstellungen bezögen sich nach Arnold entweder auf konkrete Ereignisse (das gelte v.a. im 1.-2. Jahrhundert) oder hätten danach zumeist einen "generellen Propagandainhalt". (82) Dies sei "Ausdruck des Wandels in der römischen Außenpolitik von der Offensive zur Defensive". (82) Die zunächst sehr konkreten und spezifischen Darstellungen von römischen Feinden würden im 3. und 4. Jahrhundert immer generischer und verwiesen nur noch auf die ""friedenserhaltenden" Eigenschaften" des Kaisers (82).
Neben dieser grundsätzlichen Deutung sind einige der Einzelbeobachtungen auch heute noch wichtig. Hierzu zählt beispielsweise, dass auf den hadrianischen Münzen die Randprovinzen eher mit militärischen Attributen ausgestattet sind, während die Binnenprovinzen jeweils spezifische, für die Regionen typische Attribute aufweisen (45). Auch die Deutung der Darstellung auf Sesterzen Getas vom Typ RIC 186 nicht als Britannia, sondern als die Personifikation der besiegten Kaledonier oder Maiaten (58) ist bedenkenswert.
Die vorliegende Dissertation bietet einen guten Überblick über das Thema und die Herausarbeitung der großen Entwicklungslinien hat auch heute noch Bestand. Die Systematisierung der verschiedenen Motive nach inhaltlichen Gesichtspunkten erleichtert es zwar einerseits, die ikonographischen Entwicklungen gut nachzuvollziehen, letztlich bietet Arnold damit aber acht Mal einen jeweils unterschiedlich gewichteten Durchgang durch die Außenpolitik der Kaiserzeit, in dessen Rahmen es zu etlichen Wiederholungen und Überschneidungen kommt. Im zweiten Kapitel arbeitet Arnold zwar die großen ikonographischen und historischen Linien noch einmal stärker heraus, doch auch hier behandelt er die einzelnen Typen wieder getrennt. Darüber gehen die jeweiligen Spezifika der Münzprägung der einzelnen Kaiser verloren. Konkordanzen wären hilfreich gewesen, um einzelne Typen im Text und im Katalog dieses an sich nützlichen Werkes schnell zu finden.
Anmerkungen:
[1] Zudem sind nicht alle Abbildungen ideal gewählt. Die Abbildung von Typ 274 auf Seite 66 entspricht beispielsweise nicht der im Text beschriebene Variante b), sondern der Variante a).
[2] Arnold nutzte auch andere Rezensionen, die Rezension von Harold Mattingly in The Classical Review 4.2, (1954), 178-179 scheint er aber nicht rezipiert zu haben.
[3] Gelegentlich wird man Arnold aber nicht folgen wollen. Etwa wenn er das Unwesen Bullas unter Septimius Severus in Britannien verortet (30) oder die weibliche Gestalt auf RIC Caracalla 119 als Prinzessin (107) bzw. in Anlehnung an Johannes Hasebroek, Untersuchungen zur Geschichte des Kaisers Septimius Severus, Heidelberg 1921, 143 als Maiantenfürstin (32) deutet. Die Dame trägt eine Mauerkrone, was als Kopfbedeckung eher für eine Stadtpersonifikation sprechen würde.
Peter Franz Mittag