Rezension über:

Carlos Collado Seidel: Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines europäischen Konflikts (= Beck'sche Reihe; 1677), München: C.H.Beck 2006, 220 S., 5 Karten, ISBN 978-3-406-54095-0, EUR 12,90
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Rezension von:
Walter Lehmann
Hamburg
Empfohlene Zitierweise:
Walter Lehmann: Rezension von: Carlos Collado Seidel: Der Spanische Bürgerkrieg. Geschichte eines europäischen Konflikts, München: C.H.Beck 2006, in: sehepunkte 7 (2007), Nr. 12 [15.12.2007], URL: https://www.sehepunkte.de
/2007/12/13986.html


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Carlos Collado Seidel: Der Spanische Bürgerkrieg

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Die kompakte Darstellung von Carlos Collado Seidel richtet sich an ein breites Lesepublikum. Der Verfasser, Privatdozent für Neuere Geschichte an der Universität Marburg, verzichtet auf einen Anmerkungsapparat, arbeitet aber gelegentlich Literaturverweise in den Text ein. Hilfreich sind Kurzbiografien der wichtigsten Personen, Karten zum Frontverlauf sowie eine Zeittafel (1931-1939); ein Personenregister fehlt allerdings. Das Buch schildert die Vorgeschichte, den militärischen Verlauf, die internationale Dimension sowie die ideologischen Fronten des Spanischen Bürgerkrieges. In einem abschließenden Kapitel werden das Exil, die Verfolgung der republikanischen Verlierer und die Rache der franquistischen Sieger umrissen.

Collado Seidel räumt den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen, die zum Aufstand der Generäle im Juli 1936 führten, insbesondere den konfliktreichen Jahren der Zweiten Republik seit 1931, zu Recht breiten Raum ein. Dabei zeichnet er auf 45 Seiten - immerhin ein knappes Viertel der Studie - sachkundig das Bild eines zutiefst zerrissenen Landes mit gewaltigen sozialen Gegensätzen, einer lange Zeit "weitgehend statischen Gesellschaft" (11), deren dominierende Eliten nicht zu grundlegenden Reformen bereit waren. Es überrascht daher nicht, dass Adel und Großbürgertum, gestützt auf die einflussreiche katholische Kirche und das Militär, die von weiten Teilen der Bevölkerung anfangs begrüßten Modernisierungsbestrebungen der Zweiten Republik ablehnten. Vorhaben wie die Trennung von Staat und Kirche, eine Bodenreform zu Lasten der Großgrundbesitzer oder eine drastische Verkleinerung des Offizierskorps mussten provozierend wirken.

Gerade die Streitkräfte fühlten sich in besonderer Weise dazu legitimiert, in die Politik einzugreifen, zuletzt durch die Diktatur von General Miguel Primo de Rivera (1923-1930): "Das Militär machte sich zum Interpreten der nationalen Interessen des Landes."(23) Dies hatte Tradition: Schon im 19. Jahrhundert gab es mehr als 50 solcher pronunciamentos (Putsche), welche die Ordnung im Sinne der Armee wieder herstellen sollten. Auf der anderen Seite organisierten sich die unzufriedenen Land- und Industriearbeiter mehr und mehr in sozialistischen oder anarchistischen Parteien und Gewerkschaften. Nach dem Sieg der Linksparteien bei der Parlamentswahl im Februar 1936 schaukelte sich rechte und linke Gewalt zusehends auf. Die Stimmung am Vorabend des Bürgerkriegs veranschaulicht rückblickend ein Zeitzeuge: "Wir waren [...] alle zu der Überzeugung gelangt, dass die bestehenden Probleme ohne eine Auseinandersetzung auf den Straßen keine Lösung finden würden", (60) zitiert Collado Seidel den Kardinal und späteren Vorsitzenden der spanischen Bischofskonferenz Vincente Enrique y Tarancón. "Es war klar, dass es die Waffen sein würden, die das letzte Wort haben sollten."(60)

Nach dem fehlgeschlagenen Putsch entlud sich im Bürgerkrieg letztlich ein tief greifender Gesellschaftskonflikt, Ausdruck einer Modernisierungskrise, gespeist durch die soziale Situation im Land. Es war auch ein Kampf Arm gegen Reich, also "ein ausgesprochener Klassenkonflikt" (11). Collado Seidel sieht ihn "eingebettet in ein soziales und politisches Umfeld [...], das sich genuin aus der spanischen Geschichte ergibt" (10). Insofern verwundert es, wenn der Verfasser sich einer Sichtweise anschließt, die den Krieg in Spanien vor allem ideologisch interpretiert und das komplexe Geschehen als "erste bewaffnete Auseinandersetzung zwischen 'Faschismus' und 'Antifaschismus' betrachtet" (9). Dabei verweist er zur Begründung auf das Empfinden der "meisten Zeitgenossen" (9). Dass diese Wahrnehmung der damaligen medialen Vermittlung oder der propagandistischen Verzerrung des spanischen Dramas geschuldet sein könnte, wird nur unzureichend in den Blick genommen. Schließlich war es auch ein Kampf der Worte und der Bilder, der vielfältige Identifikationsmöglichkeiten bot und zugleich politisches Handeln - gerade in den westlichen Demokratien - gegenüber den beiden Lagern in Spanien entscheidend beeinflusste.

Sein besonderes Augenmerk richtet Collado Seidel auf die Internationalisierung des Krieges, vor allem dokumentiert durch die militärische Intervention Italiens, des "Dritten Reichs" und der Sowjetunion, sowie auf die Nichteinmischungspolitik der westlichen Demokratien. Daran orientiert er seine Darstellung. So wird die Chronologie der Ereignisse häufiger durchbrochen, was die Lektüre erschwert. Manche Aspekte wie etwa die sozialrevolutionären Veränderungen in der republikanisch gebliebenen Zone kommen zu kurz. Ebenso die Frage nach dem Hintergrund und den weiter reichenden politischen Zielen der militärischen Verschwörer. Ein überholtes Bild zeichnet der Autor von den Internationalen Brigaden. Der "niedrige Professionalisierungsgrad" (118) der Einheiten war nicht auf den von Collado Seidel unterstellten "hohen" Anteil an Intellektuellen und Schriftstellern zurückzuführen, kamen die Kämpfer der multinationalen Truppe doch mehrheitlich aus dem Arbeitermilieu. Überdies geht die jüngste Forschung [1] inzwischen von insgesamt 40 000 bis 48 000 und nicht etwa von 59 000 Freiwilligen aus. Entscheidend für die zunehmend schlechter werdende Moral waren fehlende Versorgung, chaotische Bewaffnung und mangelnde militärische Schulung. Gut gelungen ist indes die differenzierte Analyse der sowjetischen Spanienpolitik, die mit ihrer Unterstützung der Republik nicht eine Sowjetisierung Spaniens verfolgte: Sie "zielte darauf ab, in diesem Land ein an Moskau orientiertes Regime zu unterstützen, das zugleich für Frankreich und Großbritannien erträglich sein sollte" (115). Bedauerlich, dass die eingangs formulierten "oft gestellten Fragen" nicht noch einmal resümierend aufgegriffen werden. Insgesamt bietet Collado Seidel einen kurzen, prägnanten und erkenntnisreichen Einblick in eines der epochalen Ereignisse des 20. Jahrhunderts.


Anmerkung:

[1] Angela Berg: Die Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg 1936-1939, Essen 2005; Michael Uhl: Mythos Spanien. Das Erbe der Internationalen Brigaden in der DDR, Bonn 2004.

Walter Lehmann