Geschenktipps zu Weihnachten

Matthias Stickler, Würzburg


Christian Brandstätter (Hrsg.): Wien. Die Welt von gestern in Farbe. Mit Beiträgen von Christian Brandstätter, Gerald Piffl, Christian H. Stifter, Wien/München 2008, 224 S., 312 Farbabbildungen, ISBN: 978-3-85033-237-8; EUR 39,90.

Der Bildband entführt den Betrachter in die k.u.k. Haupt- und Residenzstadt Wien der Jahrhundertwende. Die aus den Beständen der Wiener Urania stammenden Aufnahmen wurden im frühen 20. Jahrhundert für Lichtbildervorträge der Wiener Volkshochschulen geschaffen und dienten dem Zweck der Hebung der Volksbildung durch anschauliches Material – ein didaktisches Konzept, das durchaus aufging. Bemerkenswert sind die wiederentdeckten Glasdiapositive vor allem deshalb, weil die ursprünglichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von zeitgenössischen Miniaturmalern von Hand koloriert wurden. Auf diese Weise vermittelt der Bildband ein ungewohnt farbiges Bild des Wiener Lebens in der späten Franz-Joseph-Zeit, dessen Suggestivkraft man sich nur schwer entziehen kann. Dokumentiert werden nicht nur Paraden, Denkmäler, Gebäude, Einweihungsfeierlichkeiten und die Welt der Oberschicht, auch das Leben der kleinen Leute in den damals noch kaum von der Moderne erfassten Vorstädten und Vororten, in Mietskasernen, kleinen Häusern und Hinterhöfen findet umfangreiche Beachtung.


Christopher Clark: Wilhelm II. Die Herrschaft des letzten deutschen Kaisers, München 2008, 413 S., ISBN: 978-3-421-04358-0, EUR 24,95.

Rechtzeitig zum 90. Jahrestag der Abdankung Kaiser Wilhelms II. hat Christopher Clark, der dem deutschen Lesepublikum nicht zuletzt durch seine 2007 in deutscher Sprache erschienene große Preußen-Monographie bekannt geworden ist, ein Buch über den letzten deutschen Kaiser vorgelegt. Ähnlich wie jene zeichnet sich auch diese Biographie, in deren Mittelpunkt die von der Forschung viel und kontrovers diskutierte Frage nach der konkreten Macht Wilhelms II. steht, durch einen erfreulich nüchternen bzw. unaufgeregten Zugang zum Thema aus. Clark will den umstrittenen Herrscher entdämonisieren ohne ihn damit gleichzeitig apologetisch zu rehabilitieren. Er arbeitet deshalb v.a. das Widersprüchliche in der Persönlichkeit des Kaisers heraus und verweist immer wieder auf die Diskrepanz zwischen Herrschaftsinszenierungen und realer Politik. Man geht sicherlich nicht fehl, in dieser abgewogenen Argumentationsweise auch einen Alternativentwurf zu der monumentalen Wilhelm-Biographie von John C.G. Röhl zu sehen, deren dritter und letzter Band ebenfalls kürzlich erschienen ist. Clarks Lebensbeschreibung erschöpft sich jedoch nicht im rein Biographischen, sondern stellt darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Wilhelminismus dar, der noch dazu auch für ein breiteres historisch interessiertes Publikum gut lesbar ist.


Dieter J. Weiß: Kronprinz Rupprecht von Bayern (1869-1955). Eine politische Biographie, Regensburg 2007, ISBN: 978-3-7917-2047-0, 464 S., EUR 39,90.

Der Bayreuther Landeshistoriker Dieter J. Weiß hat als Ergebnis langjähriger Archivforschungen im vorigen Jahr die erste wissenschaftliche Biographie des letzten bayerischen Kronprinzen vorgelegt. Auch dieses Buch verbindet fachliche Seriosität mit guter Lesbarkeit und ist insofern nicht nur für Historiker mit Gewinn zu lesen. Kronprinz Rupprecht war in Bayern in der Tat, wie Weiß seinen Epilog überschreibt, ein König ohne Krone. Er genoss, obwohl seit 1918 Privatmann, bis zu seinem Tode hohes Ansehen in Bayern, auch deshalb, weil er und seine Familie als unbedingte Verfechter bayerischer Staatlichkeit zu den Verfolgten des NS-Regimes gehörten. Als der Kronprinz 1955 starb, gedachte der Landtag seiner in einer Schweigeminute, der damalige sozialdemokratische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner ordnete ein Staatsbegräbnis an, seine Beisetzung in der Wittelsbacher-Gruft der Theatinerkirche erfolgte mit königlichen Ehren. Dass der Blick des Autors auf den Kronprinzen von deutlicher Sympathie gekennzeichnet ist, macht den Wert des Bandes nicht geringer. Dass heute die Zeit über die politischen Ansichten und Ziele Rupprechts hinweggegangen ist und im Rückblick manches wenig realistisch bzw. weltfremd anmutet, ändert nichts daran, dass dieser Prinz auf eine geradezu dialektisch anmutende Weise einen wichtigen Beitrag dazu geleistet hat, dass die Zugehörigkeit Bayerns zum deutschen Nationalstaat und die republikanische Staatsform schließlich auch von der gar nicht so kleinen Gruppe der konservativen Monarchisten akzeptiert wurde. Über das rein Biographische hinaus ist der Band auch ein wichtiger Beitrag zur Geschichte des Hauses Wittelsbach im Übergang von der Monarchie zur Republik und damit zur Geschichte Bayerns im 20. Jahrhundert insgesamt.


Andreas Kossert: Kalte Heimat. Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945. München 2008, 431 S., ISBN: 978-3-88680-861-8, € 24,95.

In seinem neuen Buch dekonstruiert Andreas Kossert, Stellvertreter des Direktors des Deutschen Historischen Instituts in Warschau, den Mythos von der schnellen und gelungenen Integration insofern nachhaltig, als er zeigt, dass den Vertriebenen nach 1945 in ihrer neuen Heimat zunächst überwiegend Ablehnung und Feindschaft, bis hin zu implizit rassistisch motiviertem Hass entgegenschlug. Erst als die Integration der ungebetenen Neuankömmlinge dann in den 1950er Jahren eigentlich wider Erwarten gelang, wurde dieser Prozess nachträglich verklärt, wobei alte Vorurteile allerdings unterschwellig weiterwirkten. Kossert wird gelegentlich der Vorwurf gemacht, er suggeriere mit seinen Thesen das Scheitern der Vertriebenenintegration. Darum geht ihm jedoch nicht, er verweist vielmehr nicht zu Unrecht darauf, dass die maßgeblich durch den Lastenausgleich erreichte materielle Eingliederung die ebenso notwendige geistige Integration der Vertriebenen in den Hintergrund gedrängt habe. Kossert tritt nachdrücklich dafür ein, alte ideologische Gräben zuzuschütten und das Thema "Flucht, Vertreibung und Vertriebenenintegration" endlich wieder in der Mitte der deutschen Gesellschaft zu platzieren, wo es nach Meinung des Autors hingehört. Dass der Band nicht nur informativ, sondern gut, teilweise geradezu spannend zu lesen ist, ist ein Vorzug, der leider nicht jedem wissenschaftlichen Werk gegeben ist.


Bill Yenne: Sitting Bull, Yardley, PA: Westholme Publishing 2008, 448 S., ISBN: 978-1-59416-060-8, EUR 26,99.

Die neue Biographie eröffnet einen die gewohnten Klischees vermeidenden Zugang zu Kultur und Geschichte der Prärie-Indianer bzw. des in Teilen der heutigen US-Bundesstaaten Nord- und Süd-Dakota ansässigen Volks der Lakota ("Sioux"). Sitting Bull (1831-1890) war einer ihrer bedeutendsten militärischen und geistigen Führer; obgleich eigentlich Schamane der Hunkpapa, eines Teilstamms der Lakota, strahlte sein Charisma bald auf alle Lakota sowie deren Verbündete (Cheyenne, Arapahoe) aus. Dies nicht zuletzt wegen der entscheidenden Rolle, die Sitting Bull bei der Schlacht am Little Big Horn (25. Juni 1876) zugesprochen wurde, als die verbündeten Stämme das 7. US-Kavallerieregiment unter George Armstrong Custer vernichtend schlugen und mehr als 250 Soldaten, darunter den Kommandeur selbst, töteten. Bill Yenne, der als Publizist und Sachbuchautor bereits in der Vergangenheit mit einschlägigen Veröffentlichungen hervorgetreten ist, verweist zu Recht darauf, dass dieser Mythos insofern relativiert werden muss, als Sitting Bull an den Kämpfen nicht aktiv teilnahm. Der Band wendet sich sowohl an Fachhistoriker als auch an eine breitere historisch interessierte Öffentlichkeit. Yenne verbindet hierbei den biographischen Zugang mit der Darstellung von Geschichte und Kultur der Lakota in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der größte Teil des Bandes ist hierbei der quellenmäßig besser fassbaren Reservationszeit bzw. dem Kampf Sitting Bulls um die Erhaltung der Lakota-Kultur und die Verhinderung weiterer Landabtretungen nach 1881 gewidmet. Yenne zeichnet ein sehr differenziertes Bild der Persönlichkeit Sitting Bulls und setzt sich auch eingehend mit dem sich wandelnden Mythos dieses wohl bedeutendsten Lakota in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auseinander. Der Band ist bebildert und jedem zu empfehlen, der sich für die Geschichte der Prärie-Indianer im Allgemeinen, wie der Lakota im Besonderen, interessiert.