Christine Kleinjung: Frauenklöster als Kommunikationszentren und soziale Räume. Das Beispiel Worms vom 13. bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts (= Studien und Texte zur Geistes- und Sozialgeschichte des Mittelalters; Bd. 1), Affalterbach: Didymos-Verlag 2008, 368 S., 1 Karte, ISBN 978-3-939020-21-9, EUR 59,00
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Christine Kleinjung: Bischofsabsetzungen und Bischofsbild. Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835 - ca. 1030, Ostfildern: Thorbecke 2021
Christine Kleinjung (Hg.): Religiöse Frauengemeinschaften am südlichen Oberrhein, Ostfildern: Thorbecke 2021
In der vorliegenden Mainzer Dissertation werden am Beispiel dreier Wormser Frauenklöster die Kategorien "Kommunikation" und "Raum" untersucht. Die Aktualität dieser Fragestellung zeigt sich nicht zuletzt daran, dass auch der Historikertag in Kiel im Jahr 2004 dieses Thema aufgegriffen hatte. Christine Kleinjung geht dabei von der Grundthese aus, "dass das Verhältnis und die Stellung städtischer Frauenklöster zu ihrer Umwelt in ihren Eigenschaften als Kommunikationszentren und soziale Räume begründet sind" (30). Sie verfolgt einen handlungstheoretischen Ansatz, indem sie Kommunikation als soziale Praxis versteht, die sich in schriftlichen Dokumenten niedergeschlagen hat. Der Raum wird nicht rein topografisch, sondern als relationale Größe verstanden, die sozialen Veränderungen und historischem Wandel unterworfen ist. Demnach können Frauenklöster Beziehungs- und Kommunikationszentren der mittelalterlichen Stadt genauso sein wie Rathaus, Marktplatz und Pfarrkirchen.
Bevor Kleinjung die verschiedenen Formen, Inhalte und Funktionen von Kommunikation zwischen den Frauenklöstern, ihren Ordensverbänden und weltlichen Träger- und Rekrutierungsgruppen analysiert, wird in einem ersten Teil der Arbeit die Geschichte der drei Frauenkonvente Nonnenmünster, Kirschgarten und Andreasberg nach einem vergleichbaren Schema dargestellt. Innere und äußere Verfassung, Besitz- und Sozialstruktur sowie soziales Umfeld und Verhältnis zur Stadt Worms werden aus überwiegend ungedrucktem Urkundenmaterial erarbeitet. Dadurch wird nicht nur die Basis für die folgende systematische Untersuchung gelegt, sondern auch ein wesentlicher Beitrag zur frühen Geschichte der Stadt Worms geleistet, worin allein schon ein bleibendes Verdienst der Dissertation besteht.
Das älteste Wormser Frauenkloster war das vor 1016 offenbar als Stift gegründete, südlich vor der Stadt gelegene Nonnenmünster. 1236 wurde es gegen den Willen der Konventualinnen durch Bischof Landolf von Hohenecken in ein Zisterzienserinnenkloster umgewandelt und fand 1244 offiziell Anschluss an den Orden. Der reiche, auf die stiftische Zeit zurückgehende Besitz an Gütern, Zehnten und Patronatsrechten konnte im 13. und 14. Jahrhundert ausgebaut werden. Erst seit dem 13. Jahrhundert sind Äbtissinnen namentlich bekannt, die mehrheitlich der ministerialisch-bürgerlichen Führungsschicht der Stadt entstammten. Die Konventualinnen können teilweise den Wormser Patrizier- und politisch führenden Ratsfamilien zugeordnet werden, die das Kloster mit Schenkungen bedachten.
Anders verhielt sich dies bei Kirschgarten, dem zweiten zisterziensischen, vor den Toren der Stadt gelegenen Nonnenkonvent. Aus einer locker gefügten Frauengemeinschaft hervorgegangen, wurde es ebenso auf bischöfliche Initiative um 1226 gegründet. Kirschgarten war im 13. Jahrhundert gerade für den Hochadel des Wormser Umlandes attraktiv und hatte enge Beziehungen zum Königtum sowie im 14. und beginnenden 15. Jahrhundert auch zu den Pfalzgrafen. Der Wandel der Rekrutierungs- und Trägerschicht hin zum bürgerlichen Element führte im Laufe des 15. Jahrhunderts durch das Ausbleiben adliger Stiftungen zum wirtschaftlichen Niedergang. Die Visitation wurde durch die Zisterzienseräbte von Schönau und Eberbach wahrgenommen und auch das Generalkapitel der Zisterzienser nahm sich seiner an. Da aber sowohl dessen offizielles Inkorporationsstatut als auch die päpstlichen Ordensprivilegien fehlen, sieht Kleinjung Kirschgarten als kein vollwertiges Mitglied des Zisterzienserordens an. Sie folgt hier dem Forschungsansatz ihres Doktorvaters Franz J. Felten [1], der das Inkorporationsstatut im Unterschied etwa zu Brigitte Degler-Spengler [2] als entscheidend für die rechtliche Anbindung an den Orden ansieht.
Die in Worms schon vor 1230 belegten "sorores penitentes" gelten als die erste Gemeinschaft des späteren Reuerinnenordens. Seit 1243 ließen sie sich wiederum mit Unterstützung Bischof Landolfs auf dem in der westlichen Vorstadt gelegenen Andreasberg nieder, nach dem sie seit den 60er Jahren als "monasterium montis s. Andreae" bezeichnet werden. Die dortige Pfarrkirche war gleichzeitig Klosterkirche, ihr Prior zugleich Pfarrer dort. Sie befolgten die Augustinerregel und die Konstitutionen von San Sisto. Hatten sie zunächst vor allem von Almosen gelebt, so lässt sich nach 1300 eine deutliche Vermehrung von Schenkungen und Stiftungen feststellen. Diese gingen vielfach auf zunftfähige Familien sowie neue Gruppen in der Stadt zurück, die sich z.T. auch mit der Rekrutierungsgruppe der frommen Frauen deckten und damit die gesellschaftlichen Veränderungen in der Stadt im 14. Jahrhundert widerspiegeln.
Aufgrund der erarbeiteten Profile der drei Frauenklöster wird im zweiten Teil der Arbeit nach deren Kommunikationskreisen gefragt. An erster Stelle steht die Analyse der Kommunikationsmuster innerhalb der Ordensgemeinschaften, die wegen des unterschiedlichen Grades der Institutionalisierung von Reuerinnen- und Zisterzienserorden erwartungsgemäß unterschiedliche Ergebnisse zeitigte. Aber auch bei den beiden Zisterzen lassen sich Unterschiede festmachen, die teilweise überlieferungsbedingt sind. Für das besser belegte Nonnenmünster kann Kleinjung überzeugend nachweisen, wie die im Orden vorhandenen Kommunikationsstrukturen für das zisterziensische Selbstverständnis genutzt wurden. Bei den Reuerinnen war der kollektive Zusammenhalt über die Regel gewährleistet, während sich keine institutionalisierte Schriftlichkeit zur Vermittlung von Normen im Klosteralltag entwickelte.
Der letzte Abschnitt ist der Kommunikation zwischen geistlichen Frauen und ihren Familien sowie ihrem Verhältnis zu den nicht unbedingt mit ihnen verwandten Wohltätern gewidmet. Trotz der allen drei Kommunitäten auferlegten Klausur gab es vielfältige Formen der Kommunikation zwischen Kloster und Welt, die durch Legate, Schenkungen und Stiftungen sowie Medien der materiellen Kultur wie etwa Kleidung und Luxusgüter oder Kultgegenstände konstituiert wurden. Emotionale Nähe kann dabei ebenso beobachtet werden wie Neutralität oder Distanz. Aus der Vielzahl der Ergebnisse Kleinjungs können hier nur wenige hervorgehoben werden. Besonderen Stellenwert bekam der Kontakt zum Konvent, wenn dieser als Ort der Seelenheilvorsorge ausgestaltet wurde. Die geistlichen Frauen fungierten dann als Mittler zwischen Gott und der Welt. Bemerkenswert erscheint das mehrfach beobachtete Phänomen in Worms, dass Stiftungen von Kaplanei- oder Priesterpfründen in Frauenklöstern mit der Auflage verbunden sein konnten, hier einen Verwandten unterzubringen. In einem solchen Fall wurde die Attraktivität eines Frauenklosters noch erhöht, da die Intensität der Seelenheilvorsorge und Memoria dadurch gesteigert wurde.
Anders als Klosterberg [3] für Köln kann Kleinjung zeigen, dass es keine geschlechtspezifisch motivierten Stiftungen für Frauenklöster gab. Frauen stifteten in Worms nicht grundsätzlich anders als Männer und nicht nur für Frauenklöster. Dagegen lässt sich unabhängig vom Geschlecht immer wieder die räumliche Nähe der Benefaktoren zu den geförderten geistlichen Institutionen festmachen. Die Aufsteigerfamilien förderten die Reuerinnen auch deshalb, weil sie oft in deren Nähe in der Andreasvorstadt wohnten. Es zeichnet sich deutlich ein sozialspezifisches Stiftungsverhalten ab. Für eine zeitgenössische bürgerliche Einschätzung von Frauenklöstern als Versorgungsanstalten, an denen kaum gestiftet wurde, was Kiessling [4] für Augsburg feststellte, finden sich in Worms keine Hinweise. Nicht zuletzt durch die Infragestellung dieses Topos leistet die Arbeit einen wertvollen Beitrag zur Frauen- und Geschlechtergeschichte, stellt aber zugleich eine Bereicherung für die Stadt- und für die vergleichende Ordensgeschichte dar. Es bleibt daher zu hoffen, dass der hier vorgestellte methodische Zugang Nachahmer für weitere lokale Studien zu Frauenklöstern finden wird.
Anmerkungen:
[1] Franz J. Felten: Der Zisterzienserorden und die Frauen, in: Weltverachtung und Dynamik, hg. von Harald Schwillus / Andreas Hölscher, Berlin 2000, 34-135.
[2] Brigitte Degler-Spengler: Die Zisterzienser und Zisterzienserinnen, die Reformierten Bernhardinerinnen, die Trappisten und Trappistinnen und die Wilhelmiten in der Schweiz, red. von Cécile Sommer-Ramer / Patrick Braun, 2 (= Helvetia Sacra Abt. III, Die Orden mit Benediktinerregel; 3,2), Bern 1982, 507-570, v.a. 534-556.
[3] Brigitte Klosterberg: Zur Ehre Gottes und zum Wohl der Familie. Kölner Testamente von Laien und Klerikern im Spätmittelalter (= Kölner Schriften zu Geschichte und Kultur; 22), Köln 1995.
[4] Rolf Kiessling: Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Strukturanalyse der oberdeutschen Reichsstadt (= Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg; 19), Augsburg 1971.
Maria-Magdalena Rückert