Martin Beckmann: The Column of Marcus Aurelius. The Genesis & Meaning of a Roman Imperial Monument (= Studies in the History of Greece and Rome), Chapel Hill, NC / London: University of North Carolina Press 2011, XII + 248 S., 1 Kt., 69 s/w-Abb., ISBN 978-0-8078-3461-9, USD 65,00
Inhaltsverzeichnis dieses Buches
Buch im KVK suchen
Bitte geben Sie beim Zitieren dieser Rezension die exakte URL und das Datum Ihres Besuchs dieser Online-Adresse an.
Matthias Frese / Marcus Weidner (Hgg.): Verhandelte Erinnerungen. Der Umgang mit Ehrungen, Denkmälern und Gedenkorten nach 1945, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2018
Günther Pallaver (Hg.): Umstrittene Denkmäler. Der Umgang mit der Vergangenheit, Bozen: Edition Raetia 2013
Arnold Bartetzky (Hg.): Geschichte bauen. Architektonische Rekonstruktion und Nationenbildung vom 19. Jahrhundert bis heute, Köln / Weimar / Wien: Böhlau 2017
Cornelius Tacitus (Hg.): Dialogus de oratoribus. Streitgespräch über die Redner. Eingeleitet, herausgegeben und erläutert von Dieter Flach, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2005
Peter Franz Mittag: Römische Medaillons. Caesar bis Hadrian, Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010
Philipp von Rummel: Habitus barbarus. Kleidung und Repräsentation spätantiker Eliten im 4. und 5. Jahrhundert, Berlin: De Gruyter 2007
Wer sich wie Martin Beckmann mit einem der zentralen und gut erhaltenen stadtrömischen Monumente beschäftigt, kann aufgrund der meist ausgiebigen Forschungsgeschichte in der Regel kaum revolutionär Neues bieten. Das ist auch bei der vorliegenden Monografie zur Marc Aurel-Säule nicht anders. Die Erkenntnisse der Arbeit liegen daher im Detail bzw. in der Unterstützung bekannter Positionen mit neuen Argumenten.
Beckmann betrachtet die Säule aus dezidiert archäologischer Sicht, was angesichts der mageren literarischen Überlieferung zur Säule selbst und zu den auf dem Reliefband dargestellten Kriegszügen nicht verwundert. Wer eine historische Deutung der Reliefszenen erwartet, wird nur sehr begrenzt in Kapitel 7 (s.u.) bedient.
Die Einleitung beginnt mit einem sehr knappen und den Quellen gegenüber etwas unkritischen historischen Überblick zu Marcus Aurelius. Terminologie, Forschungsgeschichte und Methode bergen keine Überraschungen. Beckmann formuliert als Hauptthese, dass der kreative Prozess der Entstehung der Marcussäule das Monument erklärt. Deutlich wird diese die Arbeit bestimmende Annahme auch im Untertitel des Buches: "The Genesis and Meaning of a Roman Imperial Monument". Als Vorbild und Vergleich zieht Beckmann dabei zwangsläufig die Traianssäule heran.
Beckmann liefert gleich bei der Frage der Datierung der Stiftung der Säule einen Beleg für seine detaillierte und wohlüberlegte Argumentationsweise: Während die Victoria im Reliefband der Traianssäule die Darstellung historisch korrekt in zwei chronologisch getrennte Feldzüge teilt, ist die an vergleichbarer Stelle auftretende Victoria auf der Marcussäule eine rein mechanische Kopie ohne Belang für die historische Deutung des Reliefs. Dies korrespondiert mit Beckmanns Erkenntnis, dass das Friesband offensichtlich eher schematisch durch Architekten als durch Künstler geplant wurde. Mit einer Indizienkette kann Beckmann den Entschluss zur Errichtung der Säule in Zusammenhang mit dem Triumph des Jahres 176 n.Chr. bringen.
Beckmann erkennt ebenfalls die von Zanker beschriebene "Apotheose-Landschaft" (v.a. Konsekrationsaltäre) auf dem Marsfeld, in die die Marcussäule eingebunden gewesen sei. Allerdings bleibt hier die Indizienkette aufgrund der schlechten Überlieferung und der ausgeprägten nachantiken Veränderung des Gebietes deutlich schwächer als bei der Datierung.
Die folgenden drei Kapitel (4-6) behandeln ganz praktische Fragen der Herstellung des Säulenmonuments. Neben Details wie der Identifizierung eines horror vacui (z.B. Anfangsszene, 97) oder der Erkenntnis, dass vor allem Szenen bzw. Elemente, die an der Traianssäule besonders gut von den Aussichtsmöglichkeiten der Bibliothek sichtbar waren, auf die Marcussäule 'kopiert' wurden (105), ist besonders Beckmanns Untersuchung der Leiste, die das Reliefband in seinen Windungen nach oben und unten begrenzt, von Bedeutung. Die deutlich erkennbare abschnittsweise unterschiedliche Ausführung der Leiste könnte auf die Arbeit von bis zu 46 verschiedenen Steinmetzen, die laut Beckmann speziell aus den römischen Sarkophagwerkstätten rekrutiert wurden (176-181), hinweisen, was die moderne Vorstellung von der praktischen Arbeit an solchen Monumenten grundlegend verändern würde. Die Untersuchung der Begrenzungsleiste deutet auch auf eine Ausführung des Reliefbandes von unten nach oben hin; in dieser aufsteigenden Richtung erkennt Beckmann zudem einen 'Lernprozess' in der szenischen Darstellung. Nicht zuletzt die zahlreichen Bildhauer sind für Beckmann die Erklärung für Vielfalt in Stil, Gestaltung und Arbeitsweise (Tradition und Innovation), weshalb er auch keinen bewussten Stilwandel erkennen will, für den die Marcussäule in der Forschung steht (Kapitel 8).
Kapitel 7 und 9 beschäftigen sich mit der Historizität des Frieses und der antiken Rezeption. Während Beckmann bei den in der Forschung als historisch gedeuteten Szenen eher skeptisch ist, vermutet er hinter ikonografisch 'aus dem Rahmen' fallenden Darstellungen historische Ereignisse, ohne sie konkret benennen zu können. Besonderes Augenmerkt schenkt Beckmann den Schlachtszenen, eine Reminiszenz an seine Doktorarbeit. Die Kampfdarstellungen sind seiner Meinung zwar teils innovativ, aber auch unrealistisch (Einzelkämpfe). In den brutalen Kriegsdarstellungen erkennt er einen Reflex auf den Angriffskrieg des Gegners, der dem römischen Publikum als streng gerächt präsentiert werden sollte. Die geringe bzw. in aufsteigender Richtung geringer werdende Bedeutung der Historizität der Darstellungen auf dem Reliefband mag mit der im Vergleich zur Traianssäule trotz größerer Figuren und tieferem Relief insgesamt schlechteren Betrachtungsmöglichkeit zusammenhängen. Für Beckmann ist es durchaus vorstellbar, dass die Faszination der Traians- und der Marcussäule für die antiken Zeitgenossen weniger von der Reliefdarstellung als vielmehr von der technischen Leistung der innenliegenden Wendeltreppe zur Säulenspitze als Aussichtspunkt ausging, in diesem Sinne versteht er auch die Bezeichnung als columna cochlis.
Beckmann präsentiert eine behutsame und überwiegend überzeugende Untersuchung der Marcussäule. Dass man bei der Lektüre fast genauso viel über die Traians- wie über die Marcussäule erfährt und Beckmanns Schlussfolgerungen meist nur Teilaspekte der Säulen betreffen, sollte man ihm keinesfalls negativ auslegen.
Stefan Priwitzer-Greiner