Johannes Hofmeister: Historische Überlieferungen über Witterung und Klima aus dem 16. bis 19. Jahrhundert aus Mittelhessen. Mit einem Schwerpunkt auf der Forstwirtschaft, Bergisch Gladbach: E. Ferger Verlag 2014, 282 S., ISBN 978-3-9312-1950-5, EUR 28,00
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In seiner von Rüdiger Glaser in Freiburg/Breisgau betreuten Dissertation setzt sich Johannes Hofmeister mit der historischen Überlieferung von Witterungsereignissen in Hessen zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert auseinander. Die in zehn Kapitel untergliederte Darstellung ist mit 60 Tabellen und 23 Abbildungen ergänzt, welche die Ergebnisse anschaulich visualisieren. Die kurze allgemeine Einleitung (21-32) wird durch ein Kapitel zu den "Arbeitsmethoden" (33-42) ergänzt, in welchem Recherche und qualitative Zuordnung, Codierung und Auswertung erläutert wird. Etwas unklar bleibt dabei die Herkunft der "Berichte" genannten Witterungsnachrichten aus den Originalquellen oder der Literatur. Die Codierung dieser Berichte, die mit dem Programm MAXQDA erfolgte und die Grundlage der quantitativen Auswertung bildet, wird ausführlich geschildert. Insgesamt basieren die Ergebnisse der Studie auf 1653 Berichten, die aus 218 Quellenwerken und Literaturtiteln extrahiert wurden. Kapitel 3 "Literatur und Quellen zu historischen Berichten über Witterung und Klima" (43-64) führt dann zwar im Detail den Quellenstand vor, die Gattungen bleiben aber weiterhin unscharf. So erschließt sich die Unterscheidung von "Originalquellen" und "Chroniken und Tagebüchern" nicht. Auch die Unterteilung der "Literatur" in "Allgemeine Literatur", "Landeskundliche und -geschichtliche Literatur" sowie "Fachliteratur" bietet einige Abgrenzungsschwierigkeiten. Der Autor stellt heraus, dass die benutzte lokalgeschichtliche Literatur den Vorteil der Ergiebigkeit bot, dem aber oft der Nachteil eines dürftigen Informationsgehaltes gegenüberstehe (44).
Aufschlussreich sind die Feststellungen, dass in der Untersuchungszeit deutlich häufiger alltägliche und längerfristige Witterungsverhältnisse dokumentiert wurden und vergleichsweise selten schädigende Extremereignisse, allerdings stehe dies in Abhängigkeit von der betrachteten Quellengruppe (55, 142). Weiterhin scheinen die benutzten Witterungsberichte um so genauer datiert zu sein (teilweise mit Uhrzeit), je kürzer die Ereignisse dauerten (68). Bemerkenswert sind auch die in der untersuchten Region zur Verfügung stehenden Quellengruppen, von denen die täglichen Wetteraufzeichnungen zwischen 1842 und 1847 des Marburger Philosophieprofessors Karl Theodor Bayrhoffer hier hervorgehoben werden sollen (58 f.).
Eine durchgehende Voraussetzung, mit der die Darstellung operiert, ist die "Endphase der 'Kleinen Eiszeit'" (49, 71, 91, 156), selbst dann, wenn die Quellen einer ausgesprochenen Frostphase widersprechen, weil der Anteil der Frostberichte nicht merklich vom Durchschnitt abweicht (91). An solchen Stellen läuft die Arbeit Gefahr, die regionalen mittelhessischen Ausprägungen der Witterung an die überregionalen Klimarekonstruktionen anzupassen, anstatt die Regionalstudie zur Reflexion über global konstruierte Modelle und deren regionale Auswirkungen zu nutzen.
Die detaillierte Darstellung der zeitlichen (65-74) und räumlichen (75-82) "Aspekte der Überlieferung von Witterung und Klima" setzt die einleitenden Ausführungen zu Untersuchungsgebiet und Untersuchungszeit fort. Im folgenden Kapitel "Überlieferung von Klima- und Witterungselementen" (83-140) werden die Berichte bezüglich ihrer Einzelfaktoren (Wind, Temperatur etc.) ausgewertet und dargestellt. Methodisch hervorzuheben ist die Beobachtung, dass die Witterung relativ zur persönlichen Gewohnheit empfunden worden sei (85). Die Vermutung, vormoderne Zeitgenossen hätten kaum ein Klimabewusstsein ausgeprägt, sollte stärker differenziert werden (85, 137f.). Mehr Informationen über die regionalen Auswirkungen hätte man sich zu einigen extremen Einzelereignissen gewünscht, wie den Hitzesommern der Jahre 1590, 1811, 1822, 1857 und 1859 oder den Extremwintern der Jahre 1709, 1739/40 und 1784.
Die "Auswirkungen von Witterung und Klima" (141-180) werden umfassend behandelt, ebenso die zeitgenössischen Bewältigungsstrategien der Menschen im achten Kapitel (181-204). Im Kapitel "Auswirkungen von Witterung und Klima auf die Forstwirtschaft" (205-240) versteckt sich eigentlich eine eigenständige Studie, die auf einer eigenen Quellenbasis, "ausschließlich ... Originalquellen" (205) steht. Es handelt sich um 205 Berichte, von denen 199 über Witterungsschäden am Forstbestand von 1600 bis 1900 berichten, mit einem Schwerpunkt im 19. Jahrhundert. Auch die Darstellung der Ergebnisse unterscheidet sich vom restlichen Text, so wird in der Tabelle der überlieferten Sturmschadensereignisse aus forstwirtschaftlichen Quellen (218) eine klare regionaltopographische Schadenschronologie vorgestellt, gleiches gilt für die Schadensereignisse durch Eis- und Schneebruch (229), die Frostschadensereignisse (233) oder die Hagelereignisse (238). In diesem abschließenden Kapitel wird die regionale Ausprägung der Ergebnisse vorgeführt, welche die Anschlussfähigkeit aller Erkenntnisse für den Vergleich mit anderen Regionalstudien gewährleisten würde.
Fazit: Die an der Schnittstelle zwischen Geographie und Geschichte angesiedelte Arbeit stellt sich in ihrer Ausprägung primär geographisch dar. So wird auf ein Fußnotensystem verzichtet und stattdessen mit dem amerikanischen Zitiersystem operiert. Gerade bei den fast eine Zeile langen Quellenangaben aus den Archiven wäre die eine oder andere Fußnote aber sicherlich dem Lesefluss zugute gekommen. Der Band enthält kein Register. Insgesamt ist die Visualisierung der Ergebnisse der Quellen- und Literaturauswertung sehr gut gelungen, einige Karten wurden sogar in Farbe ausgeführt. Mit dieser Regionalstudie liegt ein weiterer Baustein vor, um die europaweit und global erarbeiteten Klimarekonstruktionen in ihrer lokalen Ausprägung zu verstehen. Weitere historische Studien für andere Klimaregionen der Welt sind wünschenswert, denn "die enorme Abhängigkeit [...] der Menschen gegenüber Klima- und Witterungsbedingungen, wie sie im Mittelhessen der vorindustriellen Zeit vorherrschten, [sind] für viele Teile der Welt heute noch Realität." (250)
Thomas Wozniak