Tim G. Parkin: Old Age in the Roman World. A Cultural and Social History, Baltimore / London: The Johns Hopkins University Press 2003, 495 S., ISBN 978-0-8018-7128-3, USD 55,00
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Das Thema 'Alter' besitzt Konjunktur in den Altertumswissenschaften. Sowohl in Deutschland als auch im angelsächsischen Raum sind in den vergangenen Jahren eine Reihe von Arbeiten erschienen, die sich - ausgehend von der Feststellung, dass es sich bei diesem nicht allein um einen biologischen Faktor handelt, sondern Alter im Wesentlichen kulturell konstruiert wird - der Frage widmen, wie dieses in einer bestimmten Gesellschaft wahrgenommen wurde und welche Chancen die Alten besaßen, an gesellschaftlich knappen Gütern zu partizipieren. [1]
In diesen Forschungskontext gehört auch die Arbeit von Tim Parkin, bei der es sich um die überarbeitete Fassung seiner 1992 in Oxford unter dem Titel "Age and the Aged in Roman Society. Demographic, Social and Legal Aspects" eingereichten Dissertation handelt. Ziel der Arbeit ist es, die verschiedenen Aspekte des Alterns und des Alters darzustellen, wobei Parkin davon ausgeht, "that questions regarding the status and the position of a social group such as older people in an ancient society are worth asking for the insight they may give us into a society as a whole" (11).
Der erste Oberabschnitt "Uncovering Aging Romans" (13-89) untergliedert sich in drei Kapitel zu "Roman Definitions and Statement of Age" (15-35), "The Demography of Old Age" (36-56) und schließlich "Old Age and the Romans: Images and Attitudes" (57-89). Parkin beginnt mit der Untersuchung der Frage, was die Römer eigentlich unter 'alt' verstanden und mit welchem absoluten Lebensalter diese Stufe verbunden wurde. Er vermag überzeugend zu zeigen, dass sich keine feste Verbindung von einem bestimmten chronologischen Alter und der Zuschreibung 'alt' in der römischen Gesellschaft nachweisen lässt. Problematischer ist hingegen die Vorstellung, die Zuschreibung von hohem Alter habe in etwa zu dem gleichen Zeitpunkt gelegen wie in modernen Gesellschaften - also etwa bei 60 Jahren. Dabei listet Parkin selbst eine Reihe von Beispielen auf, die zumindest wahrscheinlich machen, dass auch Personen als 'alt' eingeschätzt wurden, die dieses Alter noch lange nicht erreicht hatten. Dies hat zwar keinen Einfluss auf die Bestimmung der im Folgenden untersuchten Altersgruppe, jedoch scheint es meines Erachtens sinnvoller, eine Untersuchung dieser Personengruppe nicht mit der Selbstbeschreibung der römischen Gesellschaft zu legitimieren. Es folgt eine Einführung in die demografischen Bedingungen hohen Alters. Parkin zeigt hier eindrücklich, unter anderem anhand epigrafischer Belege aus Nordafrika, wie vergeblich das Bemühen ist, aus antiker Überlieferung heraus Daten für die Rekonstruktion der demografischen Bedingungen zu gewinnen. Er selbst macht sich dagegen für die Verwendung demografischer Modelle stark, deren Auswahl sich nach Kriterien der Plausibilität und Wahrscheinlichkeit richten solle. Im 3. Kapitel fasst er die umfangreiche philologische Forschung zu Altersbildern in der Antike zusammen. Dabei zeigt ein Durchgang durch diese in philosophischen und literarischen Diskursen, wie stereotyp die dort zu findenden Zuschreibungen und damit gleichzeitig wie wenig aussagekräftig die einzelnen Diskurse für die Frage nach der Situation der Alten in der römischen Gesellschaft sind.
Der 2. Hauptabschnitt widmet sich der Rolle des "Old Age in Public Life" (91-189). Dazu untersucht Parkin zunächst die "Rules of Age in the Roman Empire" (93-137). Hier wird auf die Altersgrenzen der Geschäftsfähigkeit nach der 'lex Plaetoria' ebenso eingegangen wie auf das Mindestalter für den Militärdienst oder die Rolle, die Lebensalter im römischen Senat spielte. Zu Letzterem stellt Parkin fest: "The exact figures are less important than the realization that any picture of the Roman senate of republican and imperial times as a body of wise 'old' men is a false one, as prosopographical work has also made evident" (105). Dem ist sicher zuzustimmen, wenn "old men" Personen über 60 Jahren seien sollen, wie Parkin diese Altersstufe definiert. Zweierlei scheint aber meines Erachtens zu kurz zu kommen: Zum einen die Differenz zwischen Republik und Kaiserzeit, die in Bezug auf die Rolle des Alters wichtiger zu sein scheint, als Parkin sie macht; zum anderen der Umstand, dass neben Kriterien wie Status oder Vermögen auch durch 'Alter' ein wesentlicher Teil der Bevölkerung aus diesem Gremium und besonders der Gruppe der gewesenen Konsuln exkludiert wurde. Das Kapitel V "Rules of Age in Roman Egypt" (138-172) dient dazu, am Beispiel Ägyptens aufzuzeigen, wie die Umsetzung von Normen, die Altersgrenzen betrafen, vonstatten ging und welche Rolle 'Alter' etwa für Steuerzahler der Provinz besaß. So kann Parkin zeigen, dass Personen ab 70 Jahren von munera befreit waren, diese Befreiung allerdings nicht automatisch erfolgte, sondern beantragt werden musste. In dem Kapitel VI "The Realities of Rules of Age: Proofs of Age" geht Parkin schließlich der Frage nach, wie das Alter betreffende Regelungen außerhalb des römischen Ägyptens umgesetzt wurden, und betrachtet dazu die Registration von Geburten und die Rolle von Zensusdeklarationen für den Nachweis des Alters.
Der 3. Hauptabschnitt beschäftigt sich mit "Old Age in Private Life" (191-235): Unter der Überschrift "Old Age, Marriage and Sexuality" (193-202) untersucht Parkin zunächst die augusteische Ehegesetzgebung und setzt die dort zu findenden Altersgrenzen in Bezug zu antiken Vorstellungen zur Fruchtbarkeit. Es folgt die Rolle des "Aging in the Roman Family" (203-235): Parkin vergleicht hier die Situation der Alten in Rom mit derjenigen in Griechenland und hebt hervor, dass es dort durch die solonische Gesetzgebung zu einer Regelung der Versorgung der Alten durch ihre Kinder gekommen sei, die in Rom erst im 2. Jahrhundert nach Christus eingeführt worden sei. Insgesamt betont Parkin, dass die Stellung des Alters nur solange stark gewesen sei, wie es für sich selbst habe sorgen können. Relativ knapp geht er hingegen auf die Folgen der lebenslangen patria potestas in Rom ein.
Der 4. Teil, "Putting Older People in Their Place", (237-276) dient der Zusammenführung der Einzelergebnisse. Zunächst zeigt Parkin in Kapitel IX "The Marginality of Old Age" (239-272) das Fehlen einer spezifischen Rolle der Alten im öffentlichen Leben. Auch für den Bereich der Medizin weist er nach, dass - auch wenn die Alten einen relevanten Anteil an der Bevölkerung stellten - sie wenig von ihrem Arzt zu erwarten hatten, was Parkin wiederum mit der Marginalisierung dieser Gruppe zu erklären versucht. Überlegungen zur Rolle der Alten im religiösen Sektor und dem römischen Sprichwort "sexagenarios de ponte" vervollständigen das Kapitel.
In den abschließenden kurzen "Final Remarks" (273-276) betont Parkin das Fehlen eines Altersklassensystems in Rom, wie es die ethnologische Forschung für verschiedene afrikanische Gesellschaften beschrieben hat und das sich auch für Sparta nachweisen lässt. Das Ergebnis seiner Untersuchung fasst Parkin dabei folgendermaßen zusammen: "The feeling was, to put it in very general terms, that old age was a time not of power or authority but of acceptance of the realities of aging and, when necessary, of withdrawl, with the minimum of fuss" (276). Drei Appendices mit Tafeln, die Anmerkungen, eine ausgesprochen umfangreiche Bibliografie und ein Index runden das Buch ab.
Parkin hat mit diesem Buch eine insgesamt gelungene Einführung in die Thematik des hohen Alters in der römischen Gesellschaft vorgelegt. Zu kritisieren ist lediglich, dass er insgesamt ein recht homogenes Bild der Stellung der Alten in Rom zeichnet. Die Differenz der Rolle hohen Lebensalters in der Gesellschaft der römischen Republik und der Kaiserzeit wird nicht deutlich. Auch stellt sich die Frage, ob gerade im Vergleich mit den Verhältnissen in Griechenland, den Parkin selbst auf sein Kapitel zum Alter in der Familie beschränkt, die Position der Alten in Rom nicht doch besser war, als jener sie darstellt. An dem positiven Gesamteindruck des Buches ändern solche Fragen aber nichts.
Anmerkung:
[1] Siehe etwa: H. Brandt: Wird auch silbern mein Haar. Eine Geschichte des Alters in der Antike, München 2002; A. Gutsfeld / W. Schmitz (Hgg.): Am schlimmen Rand des Lebens? Altersbilder in der Antike, Köln 2003; M. Harlow / R. Laurence: Growing up and Growing Old in Ancient Rome. A Life Course Approach, London u.a. 2002; W. Suder: La mort des vieillards, in: La mort au quotodien dans le monde romain. Actes du colloque organisé par l' université de Paris IV, Paris 1995, 31-45.
Jan Timmer