Monika Ebert: Zwischen Anerkennung und Ächtung. Medizinerinnen der Ludwig-Maximilians-Universität in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Neustadt a.d. Aisch: Verlagsdruckerei Schmidt 2003, 251 S., ISBN 978-3-87707-619-4
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Im Wintersemester 1903/04 konnten sich Frauen an bayerischen Universitäten erstmals regulär immatrikulieren. Der oft steinige Weg dieser Pionierinnen war bereits 1993 Gegenstand der Ausstellung "Stieftöchter der Alma Mater?", an der auch die Autorin des vorliegenden Buches beteiligt war. Die im Vorfeld der Ausstellung gesammelten Erkenntnisse haben Hiltrud Häntzschel und Hadumod Bußmann 1997 in einer Publikation über die Geschichte des Frauenstudiums an bayerischen Universitäten vertieft. [1] Im Vorwort machen die Herausgeberinnen darauf aufmerksam, dass die Lebensläufe der weiblichen Studierenden nur schwer zu rekonstruieren sind, weil das biografische und wissenschaftliche Material bisher nur mangelhaft archiviert und erschlossen ist: "Von den Erfolgreichen, den Glanzlichtern wäre rasch erzählt. Aber es wäre nur die halbe und nicht die wahre Geschichte" (10). An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit von Monika Ebert ein. Durch mühevolle Recherchen in über 40 in- und ausländischen Archiven hat sie die Lebensläufe aller Medizinerinnen rekonstruiert, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an der Ludwig-Maximilians-Universität München studierten und forschten. Obwohl viele nur schwache Spuren hinterließen, wird aus den Porträts deutlich, dass nur willensstarke und belastbare Persönlichkeiten diesen Weg wählten.
Um es vorwegzunehmen: Die Autorin verzichtet auf eine Analyse der von ihr zusammengetragenen Daten. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Aneinanderreihung biografischer Porträts, die durch einen historischen Überblick zur Entwicklung des Frauenstudiums in Bayern eingeleitet wird. Zwar sind viele Aspekte bereits von Häntzschel und Bußmann oder in der Studie von Johanna Bleker und Sabine Schleiermacher über Ärztinnen im Kaiserreich [2] diskutiert worden - etwa die soziale Herkunft, das Problem der Schulbildung, Einfluss der Konfession -, aber bei der Lektüre drängen sich weitere Fragen auf: Spezialisierten sich die Münchener Medizinerinnen bevorzugt in Frauen- und Kinderheilkunde? Warum promovierten anfangs so viele in Pathologie? Waren die Vertreter dieses Faches Frauen gegenüber besonders aufgeschlossen? Wie viele Ärztinnen heirateten Kollegen und praktizierten gemeinsam mit ihnen? Wie standen die Studierenden zur Frauenbewegung? Gerade die Vollständigkeit der zusammengetragenen biografischen Daten lädt zur Analyse ein, auch wenn diese nicht das Ziel der Autorin war.
Das Buch beinhaltet im Wesentlichen zwei Teile: Im ersten Teil (19-144) portraitiert Monika Ebert die ersten Frauen, die sich an der medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität für Medizin immatrikulierten, das medizinische Staatsexamen ablegten und dort promovierten. Sie stellt die erste Assistenzärztin vor sowie die erste Frau, die Privatdozentin für Pathologie wurde. Zusätzlich hat die Autorin die Lebensdaten der ersten Zahnmedizinerinnen und der ersten Pharmazeutin an der Münchener Universität recherchiert. Auch diese Biografien werden eingeleitet durch einen historischen Rückblick über die Entwicklung der Studienfächer Pharmazie und Zahnheilkunde. Im zweiten Teil (145-230) werden die Lebensläufe der zahlreichen jüdischen Ärztinnen rekonstruiert, die ihr Studium beziehungsweise ihren Beruf unter der nationalsozialistischen Diktatur aufgeben mussten.
Von den 15 Frauen, die sich 1903 einschrieben, ließen sich sieben als Fachärztinnen nieder und praktizierten bis zur Altersgrenze. Einige von ihnen heirateten Kollegen und übten ihren Beruf auch aus, nachdem sie mehrere Kinder zur Welt gebracht hatten. Die meisten Doktorarbeiten entstanden in der Pathologie (7), vier in innerer Medizin, zwei in Gynäkologie, je eine in Pädiatrie und Chirurgie. Die erste Assistenzärztin, die 1898 an der Frauenklinik eingestellt wurde, hatte ihr Studium 1897 in Zürich abgeschlossen - zu einer Zeit, als Frauen in Bayern noch nicht regulär studieren durften. Der Lebenslauf von Friderica Gräfin von Geldern-Egmond spiegelt die vielfältigen Schwierigkeiten, denen Frauen vor 1903 begegneten. Sie eröffnete nach einem Jahr als Assistenzärztin an der Frauenklinik in München ihre eigene Praxis und erhielt wenig später die Kassenzulassung. Doch ihre Standesgenossen erwirkten, dass sie von der Liste der Kassenärzte gestrichen wurde, weil sie nicht nach der deutschen Gewerbeordnung approbiert war. So schloss Gräfin von Geldern-Egmond ihre Praxis, um noch einmal zu studieren. 1902 legte sie dann 49-jährig das deutsche Staatsexamen ab und konnte ihre Tätigkeit wieder aufnehmen.
Einen weniger steinigen Weg ging Adele Hartmann, die sich 1919 als erste Frau an der Ludwig-Maximilians-Universität habilitierte. Durch die kriegsbedingte Abwesenheit ihrer Kollegen hatte sie im Histologischen Institut neben ihrer Forschungsarbeit viele zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen. In Anerkennung ihres unermüdlichen Einsatzes wurde sie 1917 mit dem König-Ludwig-Kreuz ausgezeichnet. Als die sozialdemokratische Zeitschrift "Vorwärts" im Februar 1919 ihren Aufstieg zur "ersten deutschen Universitätsdozentin" der Revolution zuschrieb, wehrte sich Adele Hartmann in einer Gegendarstellung. Sie betonte, ihrer Ernennung seien mehrere Jahre intensiver Tätigkeit voran gegangen (104).
Nicht alle Frauen haben so deutliche Spuren hinterlassen wie Adele Hartmann. In vielen Fällen hat Monika Ebert nur die kurzen Lebensläufe rekonstruieren können, die sich aus amtlichen Dokumenten erschließen: Die Namen und Berufe der Eltern und Geschwister, die Schulausbildung, der Verlauf des Studiums, das Thema der Dissertation und verschiedene Stationen der Berufstätigkeit. Nur wenige Ärztinnen haben, wie die nach Israel emigrierte Rahel Strauss, persönliche Zeugnisse hinterlassen. In einigen Fällen hat die Autorin Nachkommen ausfindig machen und nach Erinnerungen und Fotos fragen können. Sprechend ist beispielsweise das Bild Mally Kachels, die ihre Praxis bis ins hohe Alter führte. Klein und gebeugt, mit konzentriertem Gesichtsausdruck, hört sie eine junge, vertrauensvoll lächelnde Patientin ab. Die noch erhaltenen Porträts und Passfotos zeigen meist eigenwillige, entschlossene junge Frauen. Die meisten haben ernste und nachdenkliche Gesichter, nur wenige lächeln. Die älteren Damen wirken resolut und gleichzeitig verletzlich.
Im zweiten Teil des Buches wird einführend die Entwicklung der Berufsperspektiven für Frauen vom Ende des Ersten Weltkrieges bis 1950 erläutert. Nachdem sich die Situation in den Zwanzigerjahren verbessert hatte, war die nationalsozialistische Ideologie für das Frauenstudium ein schwerer Rückschlag. Zusätzlich war die Karriere jüdischer Ärztinnen und Ärzte spätestens 1938 mit dem Entzug der Kassenzulassung beendet. Statistisch gesehen waren jedoch die Frauen stärker betroffen, denn sie studierten, gemessen an der jüdischen Bevölkerung in Deutschland, häufiger Medizin als jüdische Männer. Ab 1933 wurde "Angehörigen der jüdischen Rasse" die Zulassung zum Medizinstudium verwehrt, jüdische Ärzte an Münchener Krankenhäusern durften nur noch jüdische Patienten behandeln. Nach dem Berufsverbot von 1938 konnten einige Ärztinnen emigrieren und mit viel Mühe im Ausland ein neues Leben aufbauen. Andere fielen dem Holocaust zum Opfer oder nahmen sich das Leben.
Das Buch, das auf Anregung der Frauenbeauftragten der Ludwig-Maximilians-Universität und des Münchener Medizinhistorikers Heinz Goerke entstand, wird seinem Anspruch, an die oft schwierigen Lebensläufe der ersten Münchener Medizinerinnen zu erinnern, gerecht. Monika Ebert hat die Biografien in bewundernswürdiger Geduld und Detailarbeit zusammengesetzt. Das "Bild", das dabei entstanden ist, erinnert an einen zerbrochenen Spiegel, der in vielen Facetten die Sorgen, Nöte und Hoffnungen der porträtierten Frauen zeigt. Als Nachschlagewerk und Grundlage zu weiteren Forschungsarbeiten ist es zu empfehlen.
Anmerkungen:
[1] Hiltrud Häntzschel / Hadumod Bußmann (Hg.): Bedrohlich gescheit. Ein Jahrhundert Frauen und Wissenschaft in Bayern, München 1997.
[2] Johanna Bleker / Sabine Schleiermacher: Ärztinnen im Kaiserreich. Lebensläufe einer Generation, Weinheim 2000. Vergleiche auch Eva Brinkschulte: Weibliche Ärzte. Die Durchsetzung des Berufsbildes in Deutschland, Berlin 1993 sowie Renate Jäckle: Schicksale jüdischer und "staatsfeindlicher" Ärztinnen und Ärzte nach 1933 in München, München 1988.
Anne Hardy