Jeremy Black (ed.): Warfare in Europe 1650-1792 (= The International Library of Essays on Military History), Aldershot: Ashgate 2005, xxv + 561 S., ISBN 978-0-7546-2464-6, GBP 100,00
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In der auf 30 Bände angelegten Reihe hat Jeremy Black, der auch für das Gesamtkonzept der Schriftenreihe dieser militärhistorischen "international library" verantwortlich ist, die Betreuung des vorzustellenden Bandes für sich selbst reserviert. Das überrascht nicht, denn auch wenn Black zu den unterschiedlichsten, nicht nur militärhistorischen Themen zahllose Aufsätze, Monografien und Sammelbände vorgelegt hat, ist ein Schwerpunkt seiner Forschungen im 17. und besonders im 18. Jahrhundert unverkennbar. Kaum ein anderer Historiker dürfte daher derart prädestiniert sein, einen solchen Überblick zur europäischen Militärgeschichte für die Zeit von 1650 bis zum Ende des Ancien Régime zu liefern. [1]
Dazu hat Black insgesamt 21 englischsprachige Artikel ausgewählt, die er auf 553 Seiten präsentiert. Gemäß dem Prinzip der Reihe sind alle Beiträge schon vorab publiziert, bis dato unveröffentlichte Artikel finden sich hier nicht. Der früheste Aufsatz stammt aus dem Jahr 1965, der neueste von 2003; überwiegend wurden aber Artikel aus den 1980ern und 1990ern aufgenommen. Alle Beiträge sind unverändert abgedruckt worden, nicht nur in ihrem Textbestand, sondern auch hinsichtlich der Drucktype und des Satzspiegels, so dass ein uneinheitlicher Eindruck entsteht. Immerhin lassen sich die Aufsätze aufgrund einer doppelten Paginierung sowohl nach der hiesigen als auch nach der originalen Seitenzählung benutzen und zitieren. [2]
Sortiert sind die Artikel in fünf Abteilungen, wobei zwei strukturell angelegte Sektionen, "War and Society" mit fünf Artikeln und "Technology" mit drei Beiträgen, drei geografisch orientierten Blöcken gegenüberstehen: "The Balkans" mit zwei, "Russia and Eastern Europe" mit vier und "Western and Central Europe" mit sieben Aufsätzen. Vorangestellt ist ein Essay des Herausgebers, der in die allgemeine Thematik einführt, dabei die einzelnen Aufsätze vorstellt und kontextualisiert sowie Forschungsperspektiven und -defizite anspricht (XII-XXV). Auf diesen Seiten werden die intime Kenntnis und die thematische Souveränität Blacks erkennbar, allerdings auch die Schwächen des Bandes und die Grenzen seiner Konzeption insgesamt.
Zu Recht weist der Herausgeber auf den Charakter der Zwischenepoche hin, die der hier behandelten Zeit von 1650 bis 1792 zukommt: Von den sehr dynamischen Epochen der Militärischen Revolution und derjenigen der Französischen Revolutions- und der Napoleonischen Kriege gerahmt, seien in dieser eher statischen Zeit nur wenige Militärmächte in den Fokus der Forschung gerückt, denen exemplarische und paradigmatische Bedeutung für die Kriegführung dieser Zeit zukomme. Black will diese Engführung aufbrechen und die Perspektive nach Osteuropa öffnen; hinzu kommt auch ein Seitenblick auf die Kriegführung in Irland und Schottland, die von der Militärischen Revolution unbeeinflusst blieb (Nr. 12: Hill zur "Gaelic Warfare"). Wird an diesen Stellen der Untersuchungshorizont erweitert, werden an anderer Stelle Beispiele ausgeblendet, so etwa im Falle Schwedens, einer europäischen Großmacht zumindest bis 1721, und der Niederlande, eines gerade auch in dieser Zeit immer wieder heimgesuchten Kriegsschauplatzes. Zu sprechen kommt Black auf diese Region aber in seiner Auseinandersetzung mit der Studie von Satterfield zur französischen "small warfare"-Strategie auf dem Kriegsschauplatz der Spanischen Niederlande, deren innovatives Potential Black bestreitet (XV f.). Aber insgesamt ist gerade die kritische Beschäftigung mit Satterfield ein gutes Beispiel für die erfrischenden Seiten des einleitenden Essays, der, wenn auch nur arg verknappt, viele einschlägige Hinweise, Stichworte und auch Wertungen bietet, die aufhorchen lassen - etwa zum "problematic use of the notion of modernity" (XV).
Doch wenngleich der Essay die verschiedenen Artikel vorstellt und sie gleichsam en passant beleuchtet, bleibt das tatsächliche Arrangement im Band selbst unerklärt. Die Bildung der fünf Sektionen und ihre Nomenklatur sind nämlich keineswegs völlig plausibel. Als schwierig erweist sich die Kombination aus strukturellen und geografischen Kriterien, da manche Artikel auch ganz anders sinnvoll oder sogar besser gewesen wären. Zum einen ließe sich etwa Keeps Beitrag zur logistischen Problematik in der russischen Armee (Nr. 9) genauso gut neben Perjés' Aufsatz (Nr. 4) über die Armeeversorgung in der ersten Sektion zuordnen. Überhaupt ist der Titel dieser Abteilung mit "War and society" so blass gewählt wie unzureichend definiert. Es bleibt der Eindruck, dass es sich um eine Sammelrubrik handelt, deren Kriterien bei ihrer Befüllung nicht wirklich nachvollziehbar erscheinen.
Umgekehrt finden Stichworte, denen Black in seiner Einleitung hohe Priorität einräumt, kaum eine Entsprechung in der Konzeption des Bandes, wie etwa die Frage nach der "strategic culture" dieser Zeit. Unter diesen Begriff fasst Black eine breite Palette an Themen und bezieht dabei das Phänomen des Ruhms ein, sodann die Kriegswilligkeit der jeweiligen Eliten eines Landes, überhaupt die gesellschaftlichen Strukturen (hier hätte beispielsweise der Aufsatz Nr. 5 von Wilson zur "Social Militarisation" gut gepasst), die Diplomatie oder die taktischen Ansätze der verschiedenen Armeen (XXII-XXIV). Vielleicht wäre hier der Rückgriff auf Aufsätze erhellend gewesen, die konkrete Schlachtereignisse oder einzelne Feldherrnpersönlichkeiten thematisieren; aber diesen Weg geht Black nicht. Nicht weit vom Thema der "strategic" oder auch "military culture" (vgl. Essay XXII) hätte auch die Frage nach der Rolle der Aufklärung ihre Berechtigung gehabt. Leise Anklänge dazu gibt es in der fünften, der Technologie-Sektion. Doch darüber hinaus ist festzuhalten, dass sich gerade in den Diskursen der Aufklärung die Verwissenschaftlichung des Militärwesens gut nachvollziehen lässt - ein Zug der Zeit im Übrigen, der durchaus auch in der englischsprachigen Fachliteratur wahrgenommen wird. [3]
Damit sind wir bei der Überlegung, welche Titel in den Band aufzunehmen sind und welche nicht. Nun ist gerade dieser Kritikpunkt relativ, und kaum ein Herausgeber wird eine Lösung bereithalten können, die allenthalben auf Anerkennung hoffen darf. Gleichwohl fallen einige Entscheidungen auf. Zunächst ist positiv festzuhalten, dass vielleicht weniger prominente, aber dennoch wichtige Studien wie die von Daniel Stone zur polnischen Armee im 18. Jahrhundert (Beitrag Nr. 11) oder die eindringliche Untersuchung von Christopher Storrs zur spanischen Macht in Italien im späten 17. Jahrhundert (Beiträge 13 und 14) hier ihren Platz gefunden haben. Dagegen ist die Studie von Perjés zur Logistik aus dem Jahr 1970 ohne Zweifel klassisch, doch hätte man die Forschung seit dieser Zeit anders mitberücksichtigen können. Merkwürdig mutet an, dass kein Beitrag von John Lynn Aufnahme gefunden hat, der doch wie kaum ein anderer für die Erforschung des französischen Militärs des Ancien Régime steht. Hier gibt es nur eine indirekte Berücksichtigung durch den sich mit Lynn eher kritisch auseinandersetzenden Artikel von Rowland (Nr. 3, s. dazu auch Black im Essay, XIV). Und für das habsburgische Militär hätte dem Band durchaus ein Beitrag von Michael Hochedlinger gutgetan, dem derzeit besten Militärhistoriker zu diesem Thema, zumal er immer wieder auch auf Englisch publiziert. [4]
Ungeachtet all dieser Kritik soll gar nicht in Abrede gestellt werden, dass Black hier eine respektable Auswahl von guten und wichtigen Aufsätzen vorgestellt hat. Überraschend ist jedoch, dass die Zusammenstellung bei genauerem Hinsehen weniger Kohärenz aufweist, als man ursprünglich erwarten durfte. Vielleicht hätte hier ein Sach- und Namensregister den Leser Verbindungen erkennen lassen, die sicher vorhanden, aber nicht so ohne weiteres ersichtlich sind. Es mangelt dieser Auswahl aber auch an einer eigenen Kohärenz und an einer Leitidee, die den unterschiedlichen Beiträgen einen gemeinsamen Nenner und dem Band insgesamt eine größere Geschlossenheit, ja argumentative Stoßkraft verschafft hätten. So bleibt die Frage, wie repräsentativ die ausgewählten Aufsätze für die Zeit von 1650 bis 1792 sind. Immerhin findet das deutsche Fachpublikum einen soliden Überblick über die einschlägige englischsprachige Forschung vor allem der vergangenen zwanzig Jahre.
Anmerkungen:
[1] Allein in den sehepunkten sind in den vergangenen Jahren fünf Titel von Jeremy Black besprochen worden.
[2] Zu den dieser Reihe zugrunde gelegten Prinzipien siehe schon Jürgen Luh: Rezension von: Jan Glete (ed.): Naval History 1500-1800, Aldershot: Ashgate 2005, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 9 [15.09.2006], URL: http://www.sehepunkte.de/2006/09/8458.html.
[3] Zu nennen ist beispielsweise der Beitrag von David D. Bien: The army in the French enlightenment: Reform, reaction and revolution, in: Past & Present 85 (1979), 68-98, oder William O. Shanahan: Enlightenment and war: Austro-Prussian military practice, 1760-1790, in: G. Rothenberg et al. (eds.): East central european society and war in pre-revolutionary eighteenth century, New York 1982, 83-111.
[4] Vgl. etwa Michael Hochedlinger: Mars ennobled. The Ascent of the Military and the Creation of a Military Nobility in Mid-Eighteenth-Century Austria, in: German History 17 (1999), 141-176.
Michael Kaiser