Nils Freytag / Wolfgang Piereth: Kursbuch Geschichte. Tipps und Regeln für wissenschaftliches Arbeiten, 2. Auflage, Paderborn: Ferdinand Schöningh 2004, 166 S., ISBN 978-3-8252-2569-8, EUR 8,90
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Bei dem von den Münchener Historikern Nils Freytag und Wolfgang Piereth in zweiter Auflage vorgelegten "Kursbuch Geschichte" handelt es sich aus drei Gründen um eine hervorragende Einführung in das Studium der Geschichte, die allen Erstsemester-Studierenden wärmstens empfohlen werden kann. Erstens orientiert sich das Einführungsbuch an den konkreten, ganz praktischen Problemen, die im Prozess des historischen Arbeitens entstehen, und bietet für diese kompetente Lösungen an. Zweitens tut es dies gut strukturiert, in vorbildlicher Klarheit und frei von jeglichem Jargon, sodass es jedem Studienanfänger und jeder Studienanfängerin verständlich sein sollte. Drittens laden die Autoren ihre Einführung nicht mit nutzlosem, totem Tutoriumswissens voll, das weder während des Studiums noch in der Praxis des historischen Arbeitens relevant wird: Weder der Totok / Weitzel noch der Dahlmann / Waitz kommen vor, die den Studierenden meist ohnehin nur als quasi mythische Namenskombinationen bekannt sind und als solche gern verwechselt werden. Nicht nur die den Text durchziehenden Anredeformen ("Sie sollten...", "Sie müssen...", "Versuchen Sie...") zeigen, dass das Einführungsbuch aus der konkreten Praxis der Proseminare an der Ludwig-Maximilians-Universität in München entstanden ist, sondern auch die vielen zielsicheren Hinweise auf klassische Fehler, die Studierende am Beginn ihres Geschichtsstudiums immer wieder machen.
Nach ein paar kurzen Überlegungen zu den Voraussetzungen eines erfolgreichen Studiums beginnen Freytag und Piereth vollkommen voraussetzungslos und holen die Studierenden damit dort ab, wo die meisten von Ihnen am Ende der Schule stehen. In zwei Kapiteln entwerfen sie einfache Strategien des Findens und Lesens von Quellen und Literatur, ohne den Text mit Titeln und Arten von Bibliografien zu überfrachten: Die für die Online-Recherche wichtigen Unterschiede, die Studierende oft übersehen, werden deutlich herausgearbeitet, während obsolete Differenzierungen souverän ausgespart bleiben. Ganz pragmatisch, aber zugleich überzeugend, argumentieren sie, warum unsystematisches Bibliografieren nicht ausreicht, und erklären, auf welche Weise man sich am schnellsten eine solide Literaturbasis verschaffen kann.
In den drei darauf folgenden Kapiteln, werden in aller Kürze die wichtigsten Nachschlagewerke, Internetangebote und Zeitschriften vorgestellt. Die Auswahl ist sehr überzeugend, und es wäre beckmesserisch, darauf zu verweisen, dass man das ein oder andere vermisst oder vielleicht eine andere Akzentuierung gewünscht hätte. Denn schließlich betonen die Autoren immer wieder, dass es sich um eine selektive Auswahl handelt, die Typen von Nachschlagewerken exemplifizieren soll, und haben die Lesenden schon zuvor in die Lage versetzt, selbstständig weitere Titel zu finden.
Nach einem elfseitigen Abschnitt über "zentrale Methodenfragen", der in diesem Format zwar nicht falsch, aber doch notgedrungen so allgemein geraten ist, dass man ihn vielleicht auch hätte weglassen können, widmen sich Freytag und Piereth in drei Kapiteln dem Erstellen von Referaten, Beleg- und Zitiertechniken sowie dem Verfassen schriftlicher Hausarbeiten. Auch hier formulieren sie wieder eine Fülle nützlicher, an den konkreten Problemen der Studierenden orientierter Ratschläge, deren Berücksichtigung keine hinreichende, aber doch eine notwendige Bedingung guter historischer Arbeiten darstellt. Alles in allem handelt es sich also vor allem wegen der aus der Praxis geborenen, pragmatischen Herangehensweise um ein überaus nützliches und preisgünstiges Büchlein, dessen Lektüre es Erstsemestern deutlich erleichtern wird, sich in der Geschichtswissenschaft zurechtzufinden.
Kritisch anzumerken ist lediglich, dass "Kursbuch deutsche Geschichte" ein treffenderer Titel gewesen wäre, weil es bei der Vorstellung wichtiger Hilfsmittel grundsätzlich nur um deutsche Geschichte geht und auf die Übertragbarkeit auf das Studium anderer Regionen kaum eingegangen wird. Einzig der osteuropäischen Geschichte sind separate Abschnitte gewidmet. Darüber sind die konkreten Ratschläge zum Erstellen von Referaten und Hausarbeiten vielleicht zu eng an die klassische Veranstaltungsform des historischen Proseminars im Magisterstudiengang gebunden. Inwiefern die Arbeitstechniken universalisierbar und auf die Bedingungen des Bachelor-Systems anzuwenden sind, das viele kleine Prüfungsleistungen erfordert, bleibt fraglich. Haben Bachelor-Studierende angesichts der geforderten Studienleistungen noch Zeit, für ihre Referate "eine Vorbereitungsspanne von wenigstens drei Wochen mit einer arbeitsintensiven Endphase von etwa zehn Tagen" einzukalkulieren oder die "normalerweise notwendigen vier bis sechs Wochen" für das Anfertigen der Hausarbeit? Sollte man Ihnen wirklich raten, sich im Rahmen ihres verschulten Studiums die Zeit zu nehmen, um alle vier Monate die neuen Hefte der wichtigsten Zeitschriften durchzublättern? So richtig die Ratschläge aus einer fachlichen Perspektive auch sind, so sehr scheinen sie doch bisweilen an die schöne alte Welt der Magisterstudierenden gebunden, die langsam zu existieren aufhört. In dieser Welt hatten die Studierenden dann auch noch Kassettenrekorder, auf denen sie ihre Referate aufnehmen konnten, um sie sich zur Vorbereitung selbst einmal anzuhören.
Für diese Veränderungen des Geschichtsstudiums sind aber nicht Nils Freytag und Wolfgang Piereth verantwortlich, die ein hervorragendes Einführungsbuch geschrieben haben, dass noch immer all jene Erstsemester-Studierenden mit Gewinn lesen sollten, die sich ernsthaft mit Geschichte beschäftigen möchten.
Rüdiger Graf